Der Schein der Objektivität

Wie die öffentliche Meinung gelenkt wird, kann wieder einmal sehr schön an einem konkreten Beispiel gezeigt werden.

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Es ist bekannt, dass in die Talkshows der deutschen Fernsehsender nur solche „Experten“ eingeladen werden, die auf Linie sind. So würde zum Beispiel in einer Runde zum Thema „Islam und Terror: Besteht ein Zusammenhang?“ zwar scheinbar eine Argumentation „Pro“ und eine solche „Contra“ personell vertreten sein, aber niemals für „Pro“ ein Islamwissenschaftler oder eine Islamwissenschaftlerin eingeladen werden, der oder die zwischen beiden Begriffen einen deutlichen Zusammenhang sieht. Es kann nur jemand sein, der sagt, dass manche Muslime den Koran oder was auch immer falsch auslegen und dadurch der Eindruck eines Zusammenhangs erweckt wird. Für die „Contra“-Seite darf die denkbar eindeutigste Position bezogen werden. Wird überhaupt jemals an der Auswahl der Diskutanden Kritik geübt, so kann sie vom Sender locker gekontert werden: Es waren ja beide Positionen vertreten.

Nun ist am Sonntag in der Sendung „Lesart“ des Deutschlandradios Kultur das Buch „Schlagseite – MannFrau kontrovers“, herausgegeben von Eckhard Kuhla und erschienen 2011 im Verlag Klotz und Sich, besprochen worden, wenn man das, was dort verlesen wurde, überhaupt „Besprechung“ nennen darf. Die Täterin des Beitrags heißt Simone Schmollack. Sie ist TAZ-Autorin und wurde von mir in meinem Beitrag „Mainstream-Printmedien gegen freie Online-Medien“ vom 9. Juni 2011 vorgestellt. Ihre radikal einseitige Sicht der Dinge muss dem Deutschlanddradio bekannt gewesen sein, als sie mit dem Auftrag für die Rezension des Buches betraut wurde. Aber es ist hier wie bei den Talkshows: Wollte man die Wahl einer feministischen Ideologin für die Besprechung eines feminismuskritischen Buches bemängeln, so tönte einem entgegen: Aber was wollen Sie? Das Buch hat doch eine faire Chance bekommen!

Schmollack hat sich und ihrer Sache aber einen Bärendienst erwiesen. Wenn sie unterstellt, dass „Männerrechtler sich normalerweise fast ausschließlich im Web [tummeln], denn mit den zum Teil rechtspopulistischen Vereinen, die Agens oder freimann heißen, will kein ernstzunehmendes Medium etwas zu tun haben“ und wenn sie einen jungen, engagierten Verlag den „unbekannten Magdeburger Klotz Verlag“ nennt, so bestätigt sie genau das, was ich schon im Juni vermutete. Ich schrieb damals: „Ein wichtiger Aspekt der jetzt [...] in Fahrt gebrachten Geschlechterdebatte ist die Frage, ob vom Internet aus die nicht nur in dieser Sache festgefahrenen Stereotypen der meinungsbildenden Printmedien durchbrochen werden können.“ Diese Stereotypen sollen also mit dem Totschlagargument des Rechtspopulismus und der reaktionären Behauptung, das Netz an sich sei kein ernstzunehmendes Medium, geschützt werden.

Das Niveau der sogenannten Rezension, auf die länger einzugehen sich verbietet, spiegelt Schmollacks folgende, hochseriöse Schlussfolgerung wider: „Das Buch heißt ´Schlagseite´ und beschreibt damit seine ideale Verwendung. Wenn man es unter einen wackelnden Küchentisch klemmt, befreit man zumindest den Tisch von seiner Schlagseite.“ Selten so gelacht. - Es sei nur soviel erwähnt: Von den 14 Beiträgen des Sammelbandes wählt Schmollack ganze fünf (5!) aus. Sie hatte zugegeben wenig Zeit zur Verfügung, aber sie unterschlägt zwei Drittel des Buches, vor allem politische Analysen zur Frauenquote und zur Frauenpolitik an Hochschulen, die aber nicht mal so eben zur Seite hätten gewischt werden können. Zweimal zitiert sie aus Quellen, die mit dem Buch, das sie besprechen soll, nichts zu tun haben. Einige Zitate aus dem Buch sind sogar falsch zugeordnet. Hat sie es überhaupt gelesen? Sagen wir so: Sie hat sich die Arbeit sehr leicht gemacht.

Eines fällt aber doch auf: Wenn Schmollack schreibt, dass „diese Männerrechtler schon Recht [haben]: sie sind Opfer. Allerdings Opfer ihrer eigenen verschrobenen Wahrnehmung und ihrer eigenwilligen Phantasien. Sie scheinen zerfressen zu sein von Selbstzweifeln, Hass und Zerstörungswut. Da liegt es nahe, dass sie sich von unabhängigen, selbstbewussten Frauen bedroht fühlen“, da lässt sie tiefer blicken als sie wollte. Abgesehen davon, dass nirgendwo im faktenreichen Gegenstand der Besprechung „Phantasien“, „Hass“ und „Zerstörungswut“ zu finden sind, merkt man, dass Schmollack sich harte Männer wünscht. Ganze Kerle ohne Selbstzweifel, die nicht jammern. Sie sollen aber auch nicht zuviel denken und die Klappe halten. Wir gratulieren ihr zu diesem fortschrittlichen Männerbild. Die eigentliche Aufgabe einer Rezension muss Schmollack aber noch lernen: Auch vor einem negativen Urteil sollte erst das Lesen des ganzen Buches stehen. Und das Deutschlandradio Kultur sollte sich fragen, wem mit der ewigen Wiederholung der immergleichen politisch korrekten Floskeln gedient ist.

 

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Adorján Kovács

Deutsche Befindlichkeiten. Eine Umkreisung

Artikel und Essays.

Essen: Die Blaue Eule, 1. Auflage 23.02.2012, Paperback, 318 S., Maße: 21,0 x 14,8 cm, ISBN: 978-3-89924-337-6, Preis: € 36,00.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Adorján F. Kovács

@Auceza
Danke für Ihren Kommentar. Wenn Sie den Artikel richtig lesen, merken Sie, dass die Überschrift die Medien zitiert, die offiziell ausgeglichen und objektiv sein wollen, in Wirklichkeit aber BEWUSST zensieren. Was Sie für die Wissenschaften und der dort nicht erreichbaren Objektivität meinen, ist etwas ganz Anderes, denn da ist nicht absichtlich, sondern immanent Objektivität nicht erreichbar.

Gravatar: Birgit Kelle

Danke Herr Prof. Kovacs, auch mir hat die Autorin in dem Bericht ein Zitat in den Mund gelegt, dass gar nicht aus dem Buch stammt, sondern aus einer ganz anderen Veröffentlichung in anderem Zusammenhang.

Gravatar: Hier ist er wieder

Wer glaubt durch den behördlichen "Kampf gegen Rechts" würden primär Nationalsozialisten bekämpft werden, sieht sich durch solche Begebenheiten eines Besseren belehrt. Jeder, der von der vorgegebenen Linie abweicht ist mindestens ein Rechtspopulist und wird von vornherein ausgeschlossen.

Gravatar: Erbsenzähler

Es steht zu befürchten, Herr Professor Kovacs, dass Ihr lesenswerter Artikel kaum einen Leser finden wird, weil er wie drei weitere unter "Home" zeitlich falsch eingeordnet wurde und darum gegen Ende der Rubrik ziemlich alt aussieht.

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