Der Pamphletist

Zum Text "Die Panikmacher" von Patrick Bahners in der FAZ vom 16. Februar 2011.

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Dem Vorabdruck nach zu urteilen, ist Patrick Bahners´ neues Buch nicht ganz zu Recht als Streitschrift untertitelt; es ist noch mehr (oder weniger - wie man will): es ist ganz offenbar ein Pamphlet. Die typischen Kennzeichen eines solchen sind nicht nur grobe Vereinfachungen, sondern bewusst falsche Feststellungen, unter dem scheinheiligen Vorwand, Dinge auf den Punkt bringen zu wollen, sowie die Herabsetzung anderer Personen, hier von mutigen Menschen wie Ayaan Hirsi Ali, die ihr Leben riskieren, was Bahners ihnen nach dem Muster, die Opfer seien schuld, vorhält mit dem perfiden Vorwurf, sie – und nicht diejenigen, die sie ermorden wollen – seien verantwortlich für eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Europa.

Der Vorabdruck in der FAZ vom heutigen Tage, mit dem unter einer schreienden, ja panischen Überschrift vor den islamkritischen „Panikmachern“ gewarnt (und gleichzeitig für das Buch geworben) wird, handelt vornehmlich von der Taqiya, also der angeblich nur unter Lebensgefahr erlaubten Verstellung der Muslime. Bahners argumentiert hier mit einer gleichsam philologischen Gelehrsamkeit unter Rückgriff auf Ignaz Goldziher, einem der Gründer der Islamwissenschaft, einer peniblen Genauigkeit, die aber nur zeigt, wie tief er graben musste, um seine Apologie der Taqiya zu begründen. In der Tat ist es lächerlich, bei Erklärungsnot, also bedarfsweise, in einer „Streitschrift“ auf dem Niveau einer Fachtagung in der Akademie Tutzing schreiben zu wollen. Es ist eine bewußte Rhetorik der Übertreibung, um zu verschleiern. Worum es den Islamkritikern nämlich, völlig zu Recht, wirklich geht, sind nicht die subtilen Elfenbeinturmdefinitionen von Taqiya, sondern die tatsächlich gelebte, volkstümliche Auffassung von ihr.

Da hilft ein Blick auf die Darstellung eines zum Christentum konvertierten Muslims (Patrick Sookhdeo); der nun wirklich den Muslimen voll Friedfertigkeit und Demut gegenübertritt und von Christen fordert, „den Muslimen nicht Glaubens-Überzeugungen und Praktiken vorzuhalten, die für sie gar nicht zutreffen“: „Der vielleicht wichtigste Zug des schiitischen Islam, den ein Christ kennen sollte, wenn er mit einem schiitischen Muslim in nähere Beziehung tritt, ist die Praxis der Verstellung. Der schiitische Islam erlaubt seinen Anhängern zu lügen, zu täuschen und das abzustreiten, was sie wirklich glauben, solange sie in ihrem Herzen dem Glauben anhängen. Ein schiitischer Geistlicher aus dem 10. Jahrhhundert, Ibn Babuya al-Saquq, hat behauptet: >Wir glauben, dass wir zur Taqiya verpflichtet sind ... Gott zeigt uns, dass man mit den Ungläubigen nur im ´Zustand der Taqiya´ Freundschaft haben kann.< Obwohl man allgemein glaubt, dass diese Lehre entwickelt wurde, weil die Schiiten von den Sunniten verfolgt wurden, halten manche Muslime sie auch im sunnitischen Islam für berechtigt. Es gibt eine Anzahl von ahadith, nach denen in folgenden drei Situationen das Lügen erlaubt ist: 1. Ein Mann darf seine Frau belügen, um ihr zu gefallen. 2. Man darf lügen, um zwei streitenden Parteien zu versöhnen. 3. Man darf im Krieg, bei Spionagefällen und in ähnlichen Lagen lügen.“

Dieser Hyperbel Bahners´ entspricht der falsche Vergleich der Taqiya mit dem christlich-moraltheologischen Begriff der reservatio mentalis, den Ignaz Goldziher durch seine unbedachte Verwendung dieses Begriffs in diesem Zusammenhang heraufbeschwor. Es ist zunächst einmal grundsätzlich unredlich, Argumente der frühen Islamforschung, die insgesamt von einem starken kirchenfeindlichen Impuls getrieben war, ins Feld zu führen und so zu tun, als seien sie neutral. Bahners geht aber noch weiter und macht sich den Geist des Kulturkampfs zu eigen (1872 wurde der Jesuitenorden vom Gebiet des Deutschen Reiches ausgeschlossen). Zwar will er zeigen, dass Ähnliches wie damals den Jesuiten heute den Muslimen gegenüber geschieht, macht aber hier noch einen weiteren Fehler. Die Jesuiten, die angeblich nach Aussage ihrer Feinde, die für Bahners zuverlässige Informanten sind, die reservatio mentalis lehrten, aber bekanntlich auch innerkirchlich umstritten waren, sind keine dogmatisch verbindliche Instanz. Es kennzeichnet gerade die Freiheit der christlichen innerkirchlichen Diskussion, dass von der Lehrmeinung abweichende Thesen vertreten werden konnten und können.

Im Islam ist aber jeder Gläubige gottunmittelbar; die göttlichen Regeln, die für ihn wie für alle Muslime gelten, sind nicht die, die für einen Orden gelten, der nur einen kleinen, segregierten Teil der christlichen Gesellschaft bildet. Bahners wiederholt den Fehler, den Apologeten des Islam immer wieder machen, wenn sie zum Beispiel die Ordenstracht einer Nonne mit den Bekleidungsvorschriften der Musliminnen gleichstellen. Mögen beide Entscheidungen frei getroffen worden sein, so besteht doch ein fundamentaler Unterschied. Der Eintritt in den Orden bedeutet einen Schritt aus der Alltagsgesellschaft hinaus in eine geistliche Welt; das Tragen der Uniform der Musliminnen bedeutet das Eindringen einer Ideologie in die Mitte der Alltagsgesellschaft. Während niemals von der christlichen Gesellschaft verlangt würde, kollektiv ein Ordensleben zu führen, ist ebendies die Botschaft der muslimischen Bekleidungsvorschrift, nur auf den Islam gemünzt: potentielle Gleichschaltung der gesamten weiblichen Hälfte der Gesellschaft.

Schließlich unterschlägt Bahners, und das ist das Schändlichste am Text dieses Vorabdrucks, den theologischen Skandal, den die Taqiya an sich schon darstellt, dass nämlich eine Religion die Lüge (wenn auch unter Bedingungen) zur Tugend erklärt. Du sollst nicht lügen!, heißt es anderswo. Es ist ein Unterschied, ob man ein vielleicht utopisches moralisches Gebot übertritt und damit sündigt, oder ob dieses Gebot überhaupt nicht besteht. Das jüdisch-christliche Gebot hält immerhin eine hohe ethische Forderung aufrecht. Im Vergleich dazu stellt sich – zumindest hier - die Ethik des Islam in einer gewissen Dürftigkeit dar. Allein dies rechtfertigt schon Sorgen, die Bahners mit dem Wort von den „Panikmachern“, zu denen er auch Broder, Kelek, Sarrazin und andere zählt, als reine Panik denunzieren will.

 

Text des Vorabdrucks aus "Die Panikmacher" von Patrick Bahners

Patrick Sookhdeo: Der Islam aus christlicher Sicht. Brunnen Verlag, Basel 2001

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Rudi Gems

@ Crono

Ich will zu gar nichts missionieren! Ich will die größtmögliche Freiheit. Und Freiheit, hört da auf, wo die Freiheit anderer anfängt. Freiheit, heißt nicht, "Das man machen kann was man will." sondern Freiheit heißt, "Das man zu nichts gezwungen werden kann, was man nicht will." Und das ist es eben, was mich stört. Ich werde gezwungen, mich mit Kopftuchmädchen abzufinden. Und das betrachte ich als einen Eingriff, in meine pers. Freiheit. Eben, als Belästigung.

Daneben, bin ich gezwungen, mitansehen zu müssen, wenn Frauen, in Unfreiheit gehalten werden. Es gibt jede Menge Berichte, über Frauen, die sagen, das sie gezwungen werden, solche Kleidung zu tragen. Und fast alle Frauen, die diese Kleidung tragen, lassen schon von außen, durch ihr Verhalten, erkennen, wie unangenehm, ihnen sowas ist.

Deshalb lehne ich solche Kleidung rundweg ab. Natürlich, gebietet es meine Toleranz, das ich sonst, außer mich zu mokieren, nichts tue. Blue Yeans zu tragen, ist keine religiöse Äußerung. Jedem, steht es frei, welche Hose er trägt. Solche Vergleiche, sind einfach nur dumm.

Grüße, Rudi Gems

Gravatar: Crono

@Rudi Gems
...Ich empfinde Missionierung, grundsätzlich als Zumutung und Belästigung. ...

Ich persönlich empfinde Ihr Kommentar als eine Belästigung! Ich habe den Eindruck, daß Sie mich in den amerikanischen Blaumann (genannt Jeans und alles was damit verbunden wäre) hineinstecken wollen. Nein und nochmals NEIN!
Ihre Argumentation ist nicht anderes als eine billige Missionierung, nur ... mit anderem Vorzeichen; und dies merken Sie nicht? §:-(

Gravatar: Hans von Atzigen

Das Multikulti Weltbild steht vor dem scheitern.
Letztlich jedoch ist dies nur ein Teilaspekt.
Gewiss ein wichtiger jedoch nicht der entscheidende.
Das alles Entscheidende ist die Bevölkerungsfrage und eng damit verknüpft die Ökonomische Ausweglosigkeit.
Der entscheidende Megasprengstoff ist das zeigen die aktuellen Entwicklungen die Demografisch-Ökonomische Frage
Der Auslöser der aktuellen Revolutionsbewegung im Arabisch Islamischen Raum ist ein Demografisch-Ökonomisches Desaster.
Der laufende Kampf der Kulturen ist lediglich ein Katalysator und Verstärker des Ursächlichen Ökonomiedesasters.
Allzuviele haben innzwischen schon wieder verdrängt der Westen ist jüngst nur knapp an einem Desaster vorbeigeschrammt.
Das aufpumpen des Geldkreislaufes mit ungedeckter Liquiditätt hat den Zusammenbruch lediglich hinausgeschoben.
Es ist illusorisch zu glauben der Westen könnte die Misere im Islamisch Arabischen Raum mit Wirtschaftlichen Masnahmen noch irgendwie entschärfen.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Danke, Herr Professor Kovács, für diese Besprechung des Artikels in der FAZ und des Buches von Patrick Bahners. Die Islamkritiker wie Ayaan Hirsi Ali lehnen den Islam nicht ohne intime Kenntnisse des Islam und nicht ohne persönliche Erfahrungen mit dem Islam als eine totalitäre, mit westlicher Demokratie unvereinbare Polit-Religion ab. Wenn Bahners diese wohl begründete Ablehnung als Panikmache bezeichnet, dann sollte er sich mal die Mühe machen und den Koran studieren, für die Muslime das unbezweifelbare und unhinterfragbare Wort Allahs. Das könnte nur zwei Ergebnisse haben: entweder er würde Muslim, oder er würde Islamkritiker. Die Position des toleranten, islamfreundlichen Beobachters läßt sich jedenfalls nach der Lektüre dieses zur Intoleranz gegen alle verdammten Ungläubigen aufrufenden Textes nicht mehr einnehmen.

Gravatar: Adorján F. Kovács

@Gab
Es ist nett von Ihnen, dass Sie die Ordensschwestern nicht einsperren wollen. Dass diese in eine geistliche Welt eintreten, heißt nicht, dass sie sich in Luft auflösen. Umgekehrt ist der Traum der islamischen Fundamentalisten (natürlich einer Minderheit, aber in Saudi-Arabien ist das die Mehrheit), alle Frauen in der Burka o. ä. versteckt zu sehen. Kein christlicher Fundamentalist würde alle Frauen in Ordenstracht stecken wollen. Vielleicht wird Ihnen so der Unterschied klar. Der Islam erfasst - das ist seine Absicht, die er natürlich nicht flächendeckend erreicht - die gesamte Gesellschaft mit seinen Vorschriften bis dorthin, mit welcher Hand man sich den Hintern abwischt. Das meine ich mit Gleichschaltung.
Patrick Sookhdeo ist ein Wissenschaftler indisch-pakistanischer Herkunft. Die ahadith, die er anführt, werden übrigens auch von Bahners nicht bestritten, weil es sie gibt. In den vielen Publikationen Sookhdeos werden Sie sicher fündig.

Gravatar: Gab

Der Buch-Autor Adorján F. Kovács meint; "Der Eintritt in den Orden bedeutet einen Schritt aus der Alltagsgesellschaft hinaus in eine geistliche Welt; das Tragen der Uniform der Musliminnen bedeutet das Eindringen einer Ideologie in die Mitte der Alltagsgesellschaft." Komisch, ich sehe immer wieder Schwestern in Ordenstracht auf der Strasse - gestern eine nette "Oma-Schwester" auf dem Fahrrad..
Traurig, dass ein Prof. nicht unvoreingenommen ein Buch schreiben kann, welches nicht nur den offensichtlich "eingeschränkten Blickwinkel" des Schreibers widergibt.

Mich würde interessieren, ob Ihr Buch Quellenangaben zu "Es gibt eine Anzahl von ahadith..." angibt.


Wenn man nun etwas über das christentum lernen möchte, geht man dann zu einem Ägypter?! In diesem Fall wird der Islam oder Teile davon von einem Deutschen erklärt, der dies nur als "externer Beobachter" vermittelen kann.

Das Nivau dieser "Weiterbildungs-Lektüre" ist somit nicht genauer zu erörten...

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