Der neue Vormärz: Österreich wird immer autoritärer

Jetzt wird das letzte bisschen Mini-Mitbestimmung beim ORF eiskalt abgedreht. Die Vorgangsweise mag zwar raffiniert wirken, ist aber unglaublich brutal.

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Das von der Regierung dekretierte Ende der Wahl von ORF-Publikumsräten macht genauso zornig wie die Hypo-Nichtlösung, die ganz offensichtlich primär die Schonung der politischen Entscheidungsträger von Kärnten über Bayern und die anderen Bundesländer bis zur Nationalbank im Auge hat. Aber nur nicht die blöden Bürger. Die lassen sich ja offenbar eh alles gefallen. Sie revoltieren nur in der Ukraine, in der Türkei, in Venezuela und in Thailand gegen die Sauereien der politischen Klasse. In Österreich wird die Faust bloß in der Tasche geballt.

Gewiss: Die beim Publikumsrat gewählte Abstimmungs-Methode via Fax-Gerät ist eine recht antiquierte. Da gibt es elektronisch mindestens ein halbes Dutzend modernere Wege, um die Mitbestimmung der Seher und Hörer bei der Besetzung einiger Sitze im Publikums- und Stiftungsrat zu ermöglichen. Auch wenn es wahrscheinlich wieder gegen jeden einzelnen dieser Wege irgendwelche juristische Bedenkenträger geben wird. Aber es waren ja ohnedies nicht die Bürger, sondern ebenfalls die Politik (in diesem Fall jene der schwarz-blauen Ära), die sich das Fax einfallen hat lassen.

Aber jetzt einfach die Spurenelemente von Mitsprache der Seher abzustellen, ist unabhängig von allen juristischen Detaildebatten nur eines: eine himmelschreiende Provokation durch die herrschende Klasse.

Noch vor einem Jahr hatte man hoffen dürfen, dass die Mitbestimmung der Bürger sogar ein wenig ausgebaut wird, dass es in Österreich wenigstens Ansätze einer direkten Demokratie geben wird. Inzwischen haben die Parlamentarier die diesbezüglichen Versprechungen jedoch allesamt klammheimlich entsorgt. Sie haben nicht dagegen gestimmt, sondern die vorjährigen Versprechungen einfach auf eine unendlich lange Bank geschoben. Die Herren Cap und Kopf haben schon gewusst, wie man das elegant macht. Und ihre Nachfolger lassen dichtes Gras über dem Thema wachsen, ohne es  anzurühren. Die Pseudoreförmchen, die man statt dessen macht, sind nicht einmal eine Fußnote wert.

Da sind sich offenbar alle Herrschenden einig: Politiker lassen sich doch nichts von den blöden Bürgern dreinreden. Sind sie doch so viel klüger als diese. Die Bürger könnten ja am Ende etwas anderes wollen als die Parlamentarier. Da sei Gott vor – oder zumindest juristisches Geschwurbel. Das sich aber letztlich immer auf den Satz bringen lässt: Das Recht ist einmal vom Volk ausgegangen, aber nie mehr dorthin zurückgekehrt.

Und auch der einsame Sebastian Kurz, der sich in der Koalition einst als einziger halbwegs glaubwürdig für mehr Bürgermitbestimmung eingesetzt hat, ist verdächtig ruhig geworden. Offenbar will da wieder einmal einer seine künftige Karriere nicht weiter durch unbotmäßige Ideen gefährden (aber vielleicht täusche ich mich, und der Obmann der Jungen ÖVP macht demnächst eine knallige Pressekonferenz zu dem Thema – lassen wir diese Möglichkeit offen, stirbt doch die Hoffnung als letztes).

Die Groteske rund um den einstigen Vorstoß von Kurz und der FPÖ wird jedenfalls noch weit übertroffen von dem, was sich diese politische Klasse jetzt beim ORF leistet. Sie dreht dort die Ansätze der Bürgermitbestimmung einfach ersatzlos ab.

Dahinter steht die famose Regie des Herrn Ostermayer (und die geistige Totalabsenz der ÖVP). Nach außen hat der Mann zwar lange laut von einer Gesamtreform des ORF geredet. Aber eigentlich hätte man ihm das schon damals keine Sekunde glauben dürfen. Hat sich Ostermayer dabei doch von fast lauter ORF-Veteranen beraten lassen. Die werden der Teufel was tun, um in Österreich endlich eine wirklich ebene Spielfläche für Fernsehen und Radio herzustellen, um Gebühren an Objektivitätsbemühungen zu knüpfen.

Jetzt aber macht die Koalition in Sachen Publikumsrat eine Mini-Novellierung, die halt nur das vollzieht, was der Verfassungsgerichtshof – angeblich – will. Angeblich, genaueres weiß man allerdings nicht. Freilich verdient auch der VfGH nicht viel Vertrauen. Wird er doch zur Gänze von den beiden Koalitionsparteien besetzt. Präsident rot, Vizepräsidentin schwarz. Und so weiter. Jeder Posten hat dort sein Parteifähnchen.

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Gravatar: Raureif Gustl

Entscheidungsträger von Kärnten über Bayern BAYERN? 10es Bundesland

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