Folgt man Presse und Politik, so wird seit einigen Jahren sehr deutlich, dass eine neue Art des Konservativen herangezüchtet werden soll. Flauschig und weich soll er sein, formbar, unproblematisch: der Chihuahua der Politik. Nicht anders ist zu erklären, dass „der Konservative“ nunmehr kein Rechter ist, sondern die Antithese zu „Rechts“, statt nur eine Teilmenge des rechten politischen Lagers. „Der Konservative“ ist der ewige CDU-Wähler, der glaubt, Werte und Überzeugungen zu besitzen, es eben nur nicht fertigbringt, diese zu verteidigen, dafür einzustehen oder zu protestieren. Das wäre nämlich radikal, und radikal ist nicht bürgerlich, radikal, das ist rechts.
Nun beginnt diese Radikalität jedoch nicht erst bei Gewalt und Revolution, sondern schon in der Artikulation von Problemen und deren Lösung. Der konservative Chihuahua – an dieser Stelle bitte ich um Verzeihung an alle Hundeverbände – soll nicht einmal mehr bellen, sondern nur auf Befehl. Sie sind gegen Abtreibung? Das dürfen Sie gerne sein; aber bitte unter der Auflage, nur darüber im kleinen Kreis zu reden, keine Zeitungsartikel zu schreiben, keine Demonstrationen zu besuchen (oder gar – Gott stehe uns bei! – solcherlei zu organisieren) und sie auch nicht über eine politische Partei durchzusetzen.
Denn das ist die Rödderisierung der konservativen Politik: ihre Relativierung. „Konservativ“ sein, das heißt für die heutige Elite: Stützen des Staates zu sein. Sie sind doch verantwortungsvoll? Sie sind doch für Ordnung? Besser die schlechteste aller Ordnungen als gar keine. Sie müssen pragmatisch denken, Sie wollen doch kein Stammtischredner sein? Denken Sie daran: was „Konservative“ vor hundert Jahren bekämpften, das verteidigten Sie heute. Ewigkeit, Traditionen, Familie, Volk, Gott – das hat sich alles geändert. Oder wollen Sie das Frauenwahlrecht abschaffen und die Sklaverei wieder einführen. Sie beziehen sich auf Thukydides oder Polybios? Sehen Sie, Sklavenhalter, misogyne Anti-Demokraten! Das wollen Sie doch nicht? Und was ist das überhaupt, ein „Kategorienfehler“?
In dem Moment, da der metaphysische Gehalt des Konservatismus verschwindet, ist es nur noch ein liberales Gemenge, das morgen anders sein kann als heute. Er bietet keinen Widerstand gegen die moderne Welt und ihre Relativismen. Genau das ist gewollt. Es ist der Typus einer „konservativen“ CDU, die Herrschaft – nämlich ihre eigene – konserviert. Statt Positionen durchzusetzen, „streitet“ sie nur noch für Positionen. Um sich dennoch als einzige vertretbare Kraft rechts der Mitte zu positionieren, absolutiert die Union jedwede Deutungshoheit über das „Konservative“ für sich. Das geht dann so weit, dass die homosexuelle „Ehe“ plötzlich verteidigt wird, weil Ehe ein konservativer Wert sei. Dass eine homosexuelle „Ehe“ aber prinzipiell konservative Werte über Bord wirft, kommt diesen Leuten nicht mehr in den Sinn, da sie ihre Definitionen und Maßstäbe an der Politik ausrichten, und nicht etwa ihre Politik nach Definitionen und Maßstäben.
Die Wahrheit ist: das, was in Deutschland schon seit einigen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mit dem Etikett „konservativ“ von offizieller Stelle behaftet wird, sind zentristische Positionen, die deckungsgleich mit dem Wahlprogramm der Union sind. Da letztere als mächtigste Partei der Nachkriegsgeschichte diesen Staat und seine Institutionen dominiert, kann sie – ähnlich einem Wahrheitsministerium – festlegen, was „konservativ“ ist. Und was sie auf gar keinen Fall will: echte Konservative.
Kommentare zum Artikel
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Die Kritik von M. Gallina an den Allgemeinplätzen sog. „Konservativer“ ist berechtigt. Das pauschale Gerede um „Konservativismus“ verwirrt eher, vollends wenn die zweite Leit–Vokabel „Patriotismus“ fehlt. „Liberallala“–Gerede oder Flucht in eine undefinierte „Mitte“ helfen nicht weiter. (Der Mittelpunkt bleibt ohne Umkreis ein additiver, atomistischer Punkt). Wie will man eine Vergangenheit richtig einschätzen, wenn Herr Gauland das *Dritte Reich* mit „Vogelschiss“ verniedlicht, offen lassend, ob es zeitlich oder qualitativ gemeint war. Überdies fehlt es „Konservativen“ am Blick für die Zukunft; Kritik am Euro ist sicher richtig, aber für eine „neu–rechte“ Leitkultur nicht ausreichend.
Vorerst wären aber schlichte Denkfehler (der *Aufklärung*) auszuräumen, wie etwa, dass „Wert–Konservative“ „zeitlos modern und keine Zeitgeist–Junkies seien“. Eine „zeitlose Moderne“ gibt es nicht, sie wandelt sich in ihren Inhalten temporär, und in der Tat, gerade bei „Neu–Rechten“ wären „Zeitgeist–Junkies“ (mit richtigen Rahmen–Theorien) mehr als gefragt und – sapperlot – die wären "relativ".
..“Ein zukunftsblinder Traditionalismus, der alles Gewesene und zugleich Geschichtsmächtige von Grund auf bejaht, geht ebenso in die Irre wie eine vergangenheitsblinde Fixierung auf die Zukunft“.. (H.-Chr. Kraus in *Die Moderne in der Krise* 1997).
Konservativ ist m.E. ein Überbegriff der ein so weites Spektrum abdeckt, das die jeweiligen Ränder nicht mehr zueinander passen.
Konservativ, das reicht von rechts-faschistischen Ideologen, über Law-and-Order Betonschädel, kleinbürgerlichen Besitzstandswahrern, von der Groß-Finanz bis hin zu National-Konservativen und Wert-Konservativen.
Zu unterscheiden sind dabei diejenigen mit einer rechten politischen Ideologie und einer reinen Interessenvertretung im Hinterkopf von denen, die konservativ sein als eine Seins-Form auffassen, eine Ausprägung der Persönlichkeit, des Charakters. Es sind Persönlichkeiten die von ihrem regionalen und kulturellen Hintergrund nicht zu trennen sind, ihr streben nach Authentizität führt in aller Regel zu Respekt und Toleranz vor dem Anders sein eines Anderen.
Die findet man aber im gesamten politischen Farbenspektrum, eben weil man den Grundcharakter eines Menschen auch durch noch so intellektuelle Erziehung nicht einfach mal ändern und in eine völlig andere Richtung dirigieren bzw. verbiegen kann.
Gerade die Wert-Konservativen repräsentieren für mich die edelste Form konservativ seins, sie sind die "echten Konservativen", sie folgen noch dem humboldtschen Bildungsideal und sind sehr wohl offen für das Neueste in den Wissenschaften, sie sind zeitlos modern, aber eben keine Zeitgeist-Junkies.
Auf dem Boden von Tradition, Identität, Vernunft, Rationalität und einer gehörigen Portion an gesundem Menschverstand sind sie auch Träger eines kontinuierlichen Fortschritts für die Menschheit.
Der "konservative Chihuahua" des Artikels ist die degenerierte Form des angepassten Opportunisten, das Schoßhündchen das noch vor Maus und Kätzchen erzittert.
Es ist Zeit, das die echten Wert-Konservativen ihren Standpunkt wieder in der Öffentlichkeit klar vertreten, das sie mit deutlichem Profil wieder wahrgenommen werden.
Dazu gehört auch die notwendige Abgrenzung zu den anfangs erwähnten Ideologen am rechten Rand, dazu gehört das man sich aktiv einmischt und zur Not auch anlegt, mit wem auch immer.
MfG, HPK
"Wie der Herr, so's G'scherr!" Mein Hund ist ein Deutscher Pinscher und unerschrockener Wadenbeißer.
Gemessen an den Konservativen der SPD-Genossen, ist die Typisierung und das Ergebnis auch im Bezug auf die CDU m.E. falsch!
Die konservative SPD ist im Niedergang - ein Ende des Niedergangs ist nicht absehbar!
Die CDU erleidet zeitverzögert, den gleichen Exitus - gleichwohl hier die CSU mit den "konservativen" Bajuwaren" in frommer Eintracht und mit Blick auf den Herrgott, also religionsübergreifend gläubig, die Politik von Söder und Drehofer als Religion begreifen und scheinheilig den neuen grünen Konservatismus huldigen!
Der Bajuware ist im Allgemeinen dem Priester in der Kirche hörig - somit läuten die Glocken grün - progressiv - konservativ - aggressiv!
"Schau ma moi, dann seng mas scho!" - und genau so läuft es weiter...aber nur in Bayern!