Der hohe Preis der Freiheit

Ein sensationeller Film gegen die DDR-Nostalgie kommt ab Donnerstag in unsere Kinos. Den sollte niemand verpassen!

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Sie wollten aufs Meer und landeten in den Fängen der Stasi: Einer als Spitzel, dem Verrat zur Leidenschaft wird, zwei im Gefängnis Cottbus, dem größten Strafvollzug für Politische in der DDR.

„Wir wollten aufs Meer“ ist der wichtigste Film dieses Jahres. Hier waren junge Leute am Werk, als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, die keine eigene Anschauung von der DDR haben können , die Realität des Realsozialismus aber so genau getroffen haben, als hätten sie ihn miterlebt. Ohne jedes Moralisieren, ohne Schuldzuweisungen, ohne ins Plakative abzugleiten, entwickelt sich die Wucht der Erzählung allein durch die Ausdifferenzierung der handelnden Figuren. Wer in Anbetracht der Zumutungen, die uns in letzter Zeit im Kino präsentiert wurden, der Meinung war, die Kunst des Drehbuchschreibens gehöre der Vergangenheit an, wir hier eines Besseren belehrt. Was Ronny Schalck und der Regisseur Toke Constantin Hebbeln abgeliefert haben, gehört zu den besten Drehbüchern der letzten Jahre.

 Diese Vorlage wurde von den Schauspielern bis in die Nebenrollen hinein kongenial umgesetzt. Die drei Hauptdarsteller sind ein Glücksfall: Alexander Fehling mit dem Charme und der Präsenz des jungen Manfred Krug, Ronald Zehrfeld, der sich als schauspielerische Urgewalt entpuppt und August Diehl, der den Spitzel aus Schwäche , dann aus Leidenschaft, so überzeugend verkörpert, dass den  Zuschauern der Atem stockt.

Aber auch Rolf Hoppe als Stasioberst trägt das Seine dazu bei, dass der Streifen  nie in Klischees abgleitet.

Was den Film aber zu einer Meisterleistung macht, sind die packenden Szenen im Cottbusser Gefängnis. Die Vierstockbetten für ein Dutzend Häftlinge in einer Zelle, das Klo neben den Schlafstätten, die drangvolle Enge- solche Bilder sind bisher nie zu sehen gewesen. Der Rote Terror, der grausamste Vollzugsbeamte von Cottbus nannte sich wirklich so, bekommt ein Gesicht. Wieder wird jeder Schematismus vermieden. Die Figur ist ebenso differenziert dargestellt, wie alle anderen Akteure. Das macht sie menschlicher, zugleich aber auch schrecklicher. Selbst  die monatelange Dunkelhaft, die es in Cottbus gegeben hat, wurde nicht ausgespart. Als Besucherin der Gedenkstätte Cottbus, die kürzlich teileröffnet wurde, weiß ich, wie detailgenau die Bilder sind, selbst wenn sie nicht am Originalschauplatz gedreht wurden.

Die Filmmusik ist so gut wie der Rest des Films, den man getrost ein Meisterwerk nennen kann.

Gibt es  nichts zu kritisieren? Kaum. Der Film, eine Viertelstunde kürzer, würde noch größere Wirkung entfalten und dass der sympathischste Häftling aus Zelle 22 ein Zellenspitzel sein soll, der zum Schluss mit dem Stasioberst am Tisch sitzt, ist zu viel des Guten. Aber diese kleinen Mängel beeinträchtigen das Ganze nur unwesentlich.

Dieser Film ist ein Muss. Gratulation an alle Macher! 

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