„Der goldene Handschuh“. Nicht lesen. Hören.

Seit längerem steht Heinz Strunks Buch „Der Goldene Handschuh“ auf den oberen Rängen der „Spiegel“-Bestsellerliste. Und zwar mit Recht.

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Der literarische Vorhöllenritt durch das St. Pauli-Milieu des mehrfachen Frauenmörders und -zersägers Fritz Honka (seinen Fuchsschwanz kann man im Hamburger Polizeimuseum besichtigen) ist atemberaubend. Denn ein Gestank nach Pisse, Kotze, verwesenden Leichenteilen und unheilbar versifftem Leben durchzieht das Werk wie eine olfaktorische Schleppe. Diese kontrastiert ständig mit einem fast zärtlichen Humor, den der Autor noch den elendsten seiner Figuren angedeihen lässt. Ganz großes Schreibstubenkino.

Da alles Lob bereits über dem Autor ausgebracht wurde (selten waren sich Kritiker so einig wie beim „Goldenen Handschuh“), hier nur ein Tipp: bloß nicht das Buch kaufen! So, wie es richtig ist, dass niemand Dylan wie Dylan singt, so stimmt es auch, dass der Anarchohumorist Strunk (debütierte vor 12 Jahren mit der autobiografischen Landkapellen-Groteske „Fleisch ist mein Gemüse“) der bestgeeignete Vorleser seiner Texte ist.

Er verschmilzt mit ihnen. Hamburgert und haspelt und nuschelt und krächzt und keucht und lallt und kiekst, wie es das menschliche Inventar der Absturz-Lokalität „Zum goldenen Handschuh“ in den frühen 1970ern drauf hatte. Und wenn er in die finsteren Phantasiekeller und die kitschigen Sehnsuchtsecken seiner Hauptfigur krabbelt, dabei eine sich fast überschlagende Rollenprosa brabbelt, dann wird dem Zuhörer ganz blümerant.

Alles zu nah. Viel zu nah! Und viel zu gut, um durch einen der üblichen Routiniers von Bühne, Film und Fernsehen eingelesen zu werden.

Heinz Strunks ungekürzte Lesung von „Der goldene Handschuh“ gibt’s hier.   

Beitrag zuerst erschienen auf achgut.com

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