Der Euro: Die große Ansteckungsmaschine

 

Früher musste ein Land seine Schlamassel selbst ausbaden. Doch der Euro ändert alles. Die Staaten hängen zusammen wie nie – so dass sich deutsche Politiker sogar über einen italienischen Wahlausgang hermachen.

 

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Erst feierten deutsche Politiker und die den Euro so positiv begleitenden deutschen Medien Mario Monti als mutigen Garanten einer neuen italienischen Stabilitätskultur, dann landete dieser bei den Wahlen abgeschlagen hinter zwei „Clowns“ (Steinbrück) an vierter Stelle. Auch der spanische Präsident Mariano Rajoy war erst Lieblingszeuge euromantischer Deutscher für ein Spanien ohne Korruption, bis er selbst in einen Skandal verwickelt wurde, Ausgang noch offen. Mit Schaudern erinnert sich der Verfasser an eine Jahrestagung des BDI, auf der für den damaligen Ministerpräsidenten Papandreou, kurz bevor er sich aus dem Staube machte, noch ein peinliches Hochamt zelebriert wurde.

Vor Einführung des Euro waren nationale Fehlentwicklungen und Skandale Sache der betroffenen Länder. Wenn italienische Politiker eine unbekömmliche Suppe anrichteten, mussten italienische Bürger diese auslöffeln. Auch über deutsche Sonderwege schüttelten unsere Nachbarn immer mal wieder die Köpfe. Aber kein deutscher Politiker stellte bisher die Forderung auf, die Geschwindigkeitsbegrenzung auch auf allen europäischen Autobahnen aufzuheben.

Beim Euro ist das anders. Seit seiner Einführung hängt alles mit allem zusammen. Keiner der seit Kriegsende bisher über sechzig Regierungswechsel in Italien hat jemals dazu geführt, dass deutsche Politiker sich genötigt sahen, in italienische Wahlkämpfe einzugreifen. Jetzt taten sie es. Früher beeinflussten die Ergebnisse italienischer Wahlen bestenfalls die Börse in Mailand und den Außenwert der Lira. Jetzt ließen sie die Aktienkurse in Frankfurt, Paris und Madrid abstürzen und setzten unsere gemeinsame Währung unter Druck.

 

Dass die Eurorettungspolitik unerwünschte Nebenwirkungen auf das gedeihliche Zusammenleben der in der Eurozone verbundenen Völker hat, ist inzwischen Allgemeingut. Es wird Zeit, dass wir die Ursache benennen. Es liegt ausschließlich am Euro! Warum geraten sich Vertreter potentieller Geberländer mit denen potentieller Nehmerländer immer öfter in die Haare, wenn nicht wegen der dem Euro geschuldeten Fiskalpolitik? Als Vertreterin des größten potentiellen Gläubigers in der Eurozone ist Bundeskanzlerin Merkel geradezu verpflichtet, bei den Vertretern der potenziellen Schuldner ständig auf Disziplin und Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen zu drängen. Ganz davon abgesehen, dass sie gewählt wurde, um die deutschen und nicht die italienischen Finanzen in Ordnung zu bringen, macht sie sich damit in Rom natürlich keine Freunde.

Neben den offensichtlich gewordenen Nachteilen dieser „one-size-fits-all“ – Währung (Sie ist zu „schwer“ für die Franzosen, denen das Wachstum fehlt, und sie ist zu „leicht“ für die Deutschen, die jetzt die Inflation zu spüren bekommen.); zeigt sich immer deutlicher ein weiterer, gravierender Nachteil der Einheitswährung. Als Griechenland damals begann zu husten, erkälteten sich erst französische Banken, dann bekamen ganze Euronationen die Grippe. Der Euro hat sich zu einer riesigen Ansteckungsmaschine entwickelt. Jetzt droht nicht nur Italien eine Lungenentzündung.

 

 

Beitrag erschien zuerst auf Handelsblatt.com.

 

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