Der Einsatz der Krim-Krise

Wer ist der Souverän in der Ukraine und vor allem auf der Krim?

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Nach einer alten Definition ist souverän, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. Das ist de facto im der Krim-Krise nicht die ukrainische Regierung, auch nicht das Krim-Parlament und ebenso wenig die EU. Es ist, wenn überhaupt,  Russland. Und zwar nicht nur wegen der Macht-und Kräfteverhältnisse auf der Halbinsel, sondern auch wegen der Geschichte und des Völkerrechts. Die Krim gehört erst seit 1954 zur Ukraine, davor war sie mehrere hundert Jahre russisch. Chruschtschow, der Ukrainer, schenkte als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Nachfolger Stalins die Halbinsel seiner Heimat.

Jetzt will Putin sie zurück, zumindest will er über sie verfügen. Auch dafür gibt es Gründe. Sie sind ebenfalls historisch. Da ist der bekannte Drang Moskaus ans warme Meer, also über das Schwarze Meer zum Bosporus und zur Levante, und über das Mittelmeer dann auch in die Weltmeere, sei durch Gibraltar in den Atlantik, sei es durch den Suez-Kanal und das Rote Meer in den Indischen Ozean. Dieser Drang bestimmt seit der Zarenzeit die Politik Moskaus gegenüber der Ukraine. Aktuell kommt hinzu, daß Putin hofft, Russland im Nahen und Mittleren Osten demnächst wieder eine stärkere Rolle zu verschaffen, weil die Amerikaner dort durch ihre Unterstützung für die Muslimbrüder massiv an Einfluss verloren haben, nicht zuletzt in Ägypten. Und für diesen geopolitischen Kurs braucht man die Krim.

Vor diesem historischen Hintergrund ist die russische Interessenpolitik zu sehen. Das entschuldigt keineswegs das Vorgehen auf der Krim. Im 21. Jahrhundert steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker höher als pure Machtinteressen. Dem russischen Präsidenten Putin darf man zweifellos bescheinigen, was der französische Schriftsteller Paul Valery an der Macht so reizvoll fand: Macht ohne Mißbrauch verliert ihren Reiz, meinte der Franzose und der Russe spielt geradezu mit der Macht in diesem Sinn. Das gilt übrigens auch für Washington, nicht nur in der NSA-Affäre. Die Regierung Obama hat ihre eigenen Interessen. Der Handel mit Russland ist minimal, Amerika ist weit weg und je mehr man zusammen mit den Westeuropäern von Freiheit und Selbstbestimmung redet, umso tiefer treibt man den Keil zwischen EU und Russland. Wenn es gelänge, in der Ukraine Raketen zu stationieren, wäre Moskau schachmatt. Von dort bis Moskau braucht es eine Minute. Das will Moskau um jeden Preis verhindern.

Die Deutschen können sich die amerikanischen Positionen nicht so ohne weiteres zu eigen machen. Denn, wie Bismarck bemerkte, gibt es in der Geopolitik nur eine wirkliche Konstante: Die Geographie. Russland aber wird immer der Nachbar auf dem eurasischen Kontinent bleiben, mit dem man irgendwie auskommen muss. Deshalb ist die Gesprächsdiplomatie Steinmeiers mit ihren leisen Tönen im Moment das Vernünftigste, was man im Geschrei über die Krim zwischen Washington, Brüssel, Berlin und Moskau vernehmen kann.

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