Der deutsche Geheimdienst hat versagt!

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Die Lauschangriffe auf Angela Merkels Mobiltelefon führen zu großer Empörung. Regierung, Opposition, Medien und Wirtschaftsvertreter kritisieren in seltener Einigkeit den amerikanischen Geheimdienst, die USA und ihren Präsidenten. Mir fällt vor allem auf, über was nicht berichtet wird.

1. Der „Skandal“ zeigt die unangefochtene technologische Führerschaft der USA in der Informationstechnik. Zwar haben die Chinesen einen riesigen Apparat zur Überwachung und Kontrolle ihrer Internet-Gemeinde aufgebaut, aber was Angela Merkel auf ihrem Mobiltelefon über die Korruption in Peking erzählt, wissen sie wohl nicht. Und auch die Nachfolger des sowjetischen KGB würden einiges dafür geben herauszufinden, was unsere Kanzlerin über den „lupenreinen Demokraten“ im Kreml telefonisch verbreitet. Selbstverständlich unterhalten auch andere Regierungen hier in Berlin in ihren Botschaften als Konsulatsbeamte, Techniker oder Sicherheitsbeauftragte getarnte Spione. Außerdem helfen ihnen bezahlte und ehrenamtliche Zuträger deutscher Nationalität, vulgo: Verräter. Dass andere Nationen heute allerdings schon über ähnliche technologische Kompetenz wie die U.S.A. verfügen, ist zu bezweifeln.

2. Wenn sie könnten, würden es alle genauso machen, auch Deutschland. Die jetzt bei uns verbreitete Vorstellung, dass irgendein Geheimdienst demokratisch regierter Länder freiwillig auf den Einsatz der besten technologischen Möglichkeiten für das Überwachen von ausländischen Politikern verzichten sollte, ist gelinde gesagt naiv. Zwar meint Angela Merkel, „unter Freunden geht so etwas gar nicht“, aber gerade die Deutschen sollte man schon daran erinnern dürfen, dass die „9/11“-Attentäter ihr Verbrechen in Hamburg unbeobachtet vorbereiten konnten. Schon deshalb können Lauschangriffe der amerikanischen Sicherheitsbehörde (NSA) auf „deutsche Freunde“ niemanden wirklich überrascht haben.

Empört ist man besonders darüber, dass die Amerikaner auch vor dem Mobiltelefon Angela Merkels nicht Halt machten. Mal ganz davon abgesehen, dass die Kanzlerin freiwillig auf gesicherte Apparate verzichtete: Sollen Regierungen nun von ihren jeweiligen Schlapphüten verlangen, ausgerechnet auf das Abhören von Gesprächen besonders hochgestellter Personen zu verzichten? Glaubt denn jemand hier ernsthaft, die Bundeskanzlerin hätte ihrerseits dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) eine Liste von solchen ausländischen Politikern übergeben, über die keine Informationen erhoben werden dürfen?

Es brauchte einen Überläufer, um die Affäre ans Licht zu bringen

 

3. Nicht die amerikanischen, die deutschen Geheimdienste haben versagt. Wenn sich bestätigen sollte, dass das Mobiltelefon der Kanzlerin über Jahre von einem ausländischen Geheimdienst abgehört wurde, dann darf man getrost davon ausgehen, dass andere Entscheidungs- und Geheimnisträger in Politik, Verwaltung, Forschungsorganisationen und Wirtschaft auch heute noch davon betroffen sind. Wir leisten uns Tausende hoch bezahlter Mitarbeiter bei BND, MAD und Bundesverfassungsschutz (BVG), und keiner von diesen hat davon etwas mitbekommen? Es brauchte einen amerikanischen Überläufer, dem Putin in Russland Unterschlupf gewährte, um diese Tatsache ans Licht zu bringen!

Anscheinend ist die Führung des BND mehr mit dem sozialverträglichen Umzug großer Teile seiner Mannschaft von Pullach bei München in die Chausseestraße von Berlin als mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigt. Dass streng geheime Baupläne der neuen BND-Zentrale buchstäblich auf der Straße gefunden wurden, sich die Fertigstellung des riesigen Gebäudekomplexes in Berlin-Mitte immer wieder verzögert und der Steuerzahler für immer höhere Baukosten gerade zu stehen hat, rundet das Bild eines selbstzufriedenen und inkompetenten Verwaltungsmolochs ab.

Die Große Koalition sollte die Abhöraffäre zum Anlass nehmen, den BND zu halbieren.

Beitrag erschien zuerst auf: handelsblatt.com

 

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