Der Despotismus des Humanismus

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Berlin hat die transsexuelle Toilette erfunden, Berlin baut Krötentunnel, Berlin ist liberal bis der Arzt kommt. An der Spree ist Gleichstellung von allem und jedem/r/s/x ein Naturgesetz. Kein Wunder, dass hier Humanisten am 21. Juni, dem Welthumanistentag, frei haben. Natürlich nicht die Werktätigen, da sei der Postkapitalismus vor, sondern nur die humanistischen Schüler - aber immerhin. Nun sind Schüler natürlich grundsätzlich noch keine Humanisten, sondern Heranwachsende, also ist zu vermuten, dass genaugenommen Kinder von Aktiven des Humanistenverbandes frei haben. Das ist nur gerecht, haben hier doch auch Buddhisten, Muslime, Juden und wahrscheinlich auch Kaninchenzüchter im Gegensatz zum Normalvolk solche Extraferien. Dennoch sei die Frage gestattet, womit die Humanisten das eigentlich verdient haben.

Das Thema Humanismus wurde hier schon einige Male thematisiert, was auch notwendig ist angesichts des wachsenden Einflusses dieses Religionsersatzes der Neuzeit. Im Grunde ist er die Fortsetzung des Christentums mit anderen Mitteln. Mit seiner demütigen Haltung hatte über Jahrhunderte das Christentum das Wohlwollen der Herrschenden und die Folgsamkeit der Gläubigen auf sich vereinen können. Als aber das alte Glaubensprinzip von der Neugierde der Aufklärung beiseitegeschoben wurde, bedurfte es eines neuen herrschaftskonformen Glaubens.

Den lieferte dann die Aufklärung für neue Bürgertum gleich mit: eben den Humanismus. Dieser gibt den Schmierstoff, der Spannungen aus einer zunehmend instabilen Gesellschaft nimmt. Kein Wunder, dass ein System wie das unsere, das sowohl durch den Niedergang als auch durch interessierte Kreise immer mehr Spannungen ausgesetzt wird, den Humanismus seiner ursprünglich wohlmeinenden Natur zu entkleiden versucht und für eigene Interessen einsetzt.

Schon oft wurde in diesem Blog darüber berichtet, wie die Globalisierung und die entwickelte Beherrschung der Natur einer kleinen Gruppe von Menschen die Möglichkeit gegeben hat, die Welt nach ihren Vorstellungen und vor allem zu ihrem Vorteil zu formen. Diese Gruppe bedient sich einer Wirtschaftsform, die hier als Postkapitalismus bezeichnet wird, weil sie alles pervertiert, was den Kapitalismus einst ausgezeichnet hat. In einem evolutionären Prozess hatte Letzterer trotz systemischer Schwächen unter dem Strich noch den Wohlstand der meisten gemehrt, Leistung gefördert und soziale Strukturen als gewinnbringend erkannt. Der Postkapitalismus hat dies alles ins Gegenteil verkehrt.

Weil nun aber vielleicht doch die Gefahr besteht, dass sich der Rest der Welt einmal gegen die neue postkapitalistische Oligarchie erhebt, bedarf es einer neuen, zeitgemäßen Religion, eines neuen „Opiums fürs Volk“ (Karl Marx). Diese Rolle übernimmt der Humanismus - eigentlich unschuldig, aber auch nicht unfreiwillig. So gesehen ist es nur folgerichtig, wenn das System ihn „upgradet“ und ihn durch die Feiertagsbefreiung mit den anderen Ideologien zur Ruhigstellung des Volkes gleichstellt.

Die neue Staatsreligion ist längst auch im Schulgesetz verankert. Uns wird dadurch weisgemacht, dass Menschlichkeit nicht mehr im gesellschaftlichen Miteinander gelernt werden muss, sondern so einfach als Schulfach unterrichtet oder im Auftreten der Schüler dogmatisch abverlangt werden kann. Auch hier herrscht wieder das virtuelle Prinzip: Wenn eine Disziplin durch den Niedergang verloren geht, ersetzt man sie durch lautes Reden darüber. Eine inhumane Arbeitswelt? Ein inhumaner Umgang der Menschen miteinander? Eine Einwanderungspolitik, die ökonomische und kulturelle Wurzeln zerstört? Zunehmende Ausbeutung und Entmündigung? Alles kein Problem, wir haben ja den Humanismus.

Der Humanismus wird für zwei kontraproduktive Aufgaben vereinnahmt, einmal, um zu beruhigen, schließlich sind wir ja alle humanistisch und daher ist unser Handeln automatisch moralisch korrekt, und zweitens, um den Widerstand gegen Ungerechtigkeiten als inhuman zu verleumden. Allein, wenn ein Wort einen solchen Allmachtsanspruch erhebt wie in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte, muss man beginnen, es kritisch zu hinterfragen. Das galt früher für die starre ‚Moral’, dann für die von jedermann anders interpretierte ‚Gerechtigkeit’, und nun ist es eben der ‚Humanismus’, der zu einer leeren Parole geronnen ist und Menschenfeinden dient, Unmenschliches in die Wege zu leiten und zu praktizieren.

Behauptet wird, die Verwirklichung einer idealen Gesellschaftsordnung anzustreben, doch genau ein solcher irrealer und dogmatischer Ansatz, so kritisierte Karl Popper schon 1944, führt nicht zu einer Befreiung der Menschen, sondern zu Diktatur und Selbstzerstörung. Die Orientierung der Kräfte auf Illusionen lenkt vom wirklich Machbaren ab und greift dirigistisch in evolutionäre Prozesse ein. Freie Meinungsäußerung und damit der notwendige konstruktive, an konkreten Prozessen orientierte Gedankenaustausch wird verurteilt. So wird der Humanismus zu einem mächtigen Instrument, um soziale Evolution zu unterdrücken.

Und es kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Der Humanismus verspricht seinen Jüngern nicht nur mittelfristig das menschgemachte Himmelreich auf Erden, sondern kurzfristig die Erlösung von persönlichen Übeln. Wer sich äußerlich für ‚das Gute’ einsetzt oder dies behauptet, besorgt sich einen Ablass für individuelle Verfehlungen. Lügen, Konkurrenzkampf, Unbeherrschtheit, Ungeduld, Unzuverlässigkeit, Angst vor Ablehnung u.s.w. - all diese menschlichen Schwächen, die an unserem Gewissen und unserem Ego nagen, lassen sich doch so schön verdrängen, wenn man für acht Milliarden Arme auf der Welt die Einbürgerung fordert. Die eigene Überhöhung funktioniert dann gleich noch doppelt so gut, wenn man andere abwertet, also beispielsweise Skeptiker der Migrationspolitik als Nazis, Idioten und Menschenfeinde bezeichnet.

Selbst wenn man es nur philosophisch betrachtet, ist die jeden Menschen mehr oder weniger innewohnende Tendenz zum guten Tun auch immer der Versuch, einerseits sich selbst besser darzustellen und andererseits seiner Umwelt moralische Verpflichtungen aufzuerlegen, einen selbst ebenfalls gut zu behandeln. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, aber es relativiert den Heiligenschein, den sich die Gutmenschen anstecken, ebenso wie die Tatsache, dass viele sich für das virtuelle Gute einsetzen, weil sie Angst haben, sich realen Konflikten zu stellen.

Der Weg zur Lösung von Problemen ist aber das genaue Gegenteil - und das Gegenteil lautet natürlich nicht ‚Inhumanismus’. Es bedeutet, Wahrheiten und Werte zu leben, sich zu ihnen zu bekennen und für sie einzutreten. Gibt es unterschiedliche Auffassungen, müssen sie fair und sachlich ausgetragen werden. Im Angesicht von nachhaltigen Ungerechtigkeiten muss für das Recht gekämpft werden. Kurz gesagt: Die Mitglieder einer Gemeinschaft müssen sich zum Anteilnehmen an Optimierungsprozessen bekennen. Das kann hart sein, manchmal auch „unmenschlich“, aber das allein befähigt zu einer sozialen Evolution.

So erweist sich die virtuelle Humanität der Gegenwart als der zwar irgendwie ehrenwerte, aber fatale Versuch des Menschen, die Evolution abzuschaffen. In kleinem Maße mag das gegenläufig durchaus sinnvoll sein und sogar gelingen, doch in größeren politischen und zwischenmenschlichen Zusammenhängen ist es kontraproduktiv. Große positive Veränderungen werden nicht durch Moral und Parolen ausgelöst, sondern durch ökonomische Umwälzungen, Konfliktbereitschaft und die Zunahme von Information, also Wissen.

Die Humanität hat einen Januskopf. So ist sie einerseits als Teil des persönlichen Gewissens eine moralische Orientierungshilfe, aber als Leitphilosophie eine Geißel der Menschheit. Warum aber tritt die letztere Funktion immer mehr in den Vordergrund? Warum wehrt sich das Volk nicht gegen rechtsferne und kontraproduktive Umtriebe humanistischer Gralshüter?

Die soziale Evolution kreiert doch eigentlich zum Überleben der Gruppe ein Interesse an gemeinsamen Lösungen, gegebenenfalls gemeinsamen Widerstand. Anscheinend hat der Niedergang das menschliche Verhalten inzwischen so überformt, dass die Individuen dieses Gruppeninteresse nicht mehr wahrnehmen oder zumindest ihren individuellen Interessen unterordnen. Und individuell kann man mit jeder Herrschaftsideologie als Befehlsempfänger oder Funktionär durchaus mittelfristig erfolgreich mitlaufen. Mittelfristig, also bis zum Zusammenbruch!

Merksatz: Man fühlt sich toll als Humanist, wenns Resultat nicht wichtig ist.

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: chaosmitsystem.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lotty

Leider bringen sie da etwas durcheinander. Diese Toiletten sind nicht für transsexuelle Menschen. Gender/Queer-AKtivisten mögen die vielleicht sie darstellen aber glauben Sie mir Menschen mit transsexueller Vergangenheit sind Männer und Frauen und wissen ganz genau auf welches stille Örtchen sie müssen.

Gravatar: Äitsch-PI

Hallo Herr Kustos, guter Artikel.
Auch bei mir hat's ne Weile gedauert bis ich geblickt habe, was (wer?) hinter dem Begriff Humanismus steckt: Eine Ideologie wie alle 'ismen.
Es kehrt sich teilweise ins genaue Gegenteil der Ursprungsidee um, missbräuchlich verwendet wird dann aus:
- sozial - sozialistisch
- national - nationalistisch
- fundamental - fundamentalisitisch
- biologisch - biologistisch
uvm
und zu guter letzt eben aus
human - humanistisch

Schaut man sich zeitgenössische Protagonisten des Humanismus an, z.B. die Giordano-Bruno-Stiftung, erkennt man die Strickmuster:

Als Abweichler wird man erst abgegrenzt, dann ausgegrenzt, eingeschüchtert und
demnächst werden wir kriminalisiert, wenn man bestimmte Standpunkte öffentlich vertritt:

Alles im Namen des Humanismus.

Ich sehe nur eine Chance wertkonservative Standpunkte, sprachliche Begriffe und Symbole wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, indem man beharrlich auf die ursprüngliche Bedeutung wieder hinweist und diese wieder einfordert, mehr: darum kämpft.

Am Beispiele der Symbole:
Der Regenbogen, durch den gerade aktuellen Ampel-Firlefanz ja wohl ein Symbol "für / der" Schwulenbewegung:
NEIN und nochmals NEIN:
Der Regenbogen steht FÜR ein globales, ganzheitliches, ökologisches Bewusstsein und Handeln, z.B. i.S. von Greenpeace. Ich werde mich demnächst mit einer Regenbogenfahne auf die Straße stellen wenn es darum geht gegen Gender, Homo-Ehe, falsche Flüchtlingspolitik usw zu demonstrieren, in der Hoffnung die Wut der Antifa-Gegenseite ins Leere laufen zu lassen.

mfG
HP

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