Der Atheist und die Krippe

Es weihnachtet. Und die Kirchen werden Heiligabend aus allen Nähten platzen. Wie immer. Die Christmette gehört „dazu“ – wie der Puter und der Baum. Das alles ist wohlig fürs Gefühl, kuschelig, gemütlich.

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 Vor allem auch für die Kinder. Dann das Credo in der Mette: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche, …, Vergebung der Sünden…, geboren durch die Jungfrau Maria…“ Wer glaubt das wirklich? Viele ja. Viele nicht. Auch wenn manche mit beten.

Zu Weihnachten lassen sich „schmusigere“ und positivere Themen behandeln. Doch auch er gehört zu Weihnachten: der Unglaube. Der große Feind der Krippe. Viele Menschen glauben nicht an Gott, doch suchen aufrichtig nach ihm. Man darf gewiß sein, daß sie ihn irgendwann finden werden. Es gibt aber auch jene, häufig wertvolle Mitmenschen, denen der Gedanke nicht „paßt“, daß es da jemanden gibt, der auf ihr Leben schaut, der sagt, was Gut und Böse ist, wahr und unwahr. Und die deshalb Gott aus ihrem Leben möglichst entfernen möchten. Dann gibt es andere, die die Wahrheit ablehnen, ja sie hassen. Sie wollen sie nicht „wahr“-nehmen. Der Grund ist häufig, daß sie ihren Lebensstil nicht ändern wollen. Oder Desinteresse, Gleichgültigkeit.

Manch einer erlebt bisweilen bei Diskussionen über religiöse Themen, daß jemand stolz betont, er glaube nicht an Gott. So, als wolle er sagen: „Leute, ich glaube nicht an den Osterhasen, aber ich respektiere, daß ihr noch so unaufgeklärt seid und daran glaubt.“ Es kann einen der Eindruck befallen, als ob der nichtgläubige Mensch oder der Agnostiker, der sich religiös nicht festlegen will, „irgendwie“ der aufgeklärte, autonome, emanzipierte, vernünftige Mensch sein möchte, und so der Gläubige als recht naiv erscheint oder als Schwächling, der sich an irgend etwas klammern muß, um in dieser Welt zurechtzukommen.

Der ungläubige Mensch verkörpert neben seiner heroischen Einsamkeit zudem häufig noch den guten Menschen, da er alles akzeptiert, für jedes Verständnis hat, und niemanden wegen seiner Ansichten in irgendeiner Form „diskriminiert“. Der gläubige Mensch hingegen grenzt doch andere aus, bezichtigt sie gar des Irrtums – was eines modernen Menschen nicht angemessen ist. Und so muß gegen die „Verengungsmechanismen der Religion“ gekämpft werden.

Oftmals wird als einzig gültiges Erklärungsmodell das der Naturwissenschaft herangezogen: Was man auf diesem Wege nicht „beweisen“ könne, dürfe man nicht guten Gewissens akzeptieren. So als ob ein Widerspruch zwischen Glauben an Gott und Naturwissenschaft bestünde. Das ist zwar ein beliebtes Argument, gilt aber eben nur für Phänomene materieller Natur. Nicht aber für Wirklichkeiten, die über das Meßbare hinausgehen, doch die jedermann zugleich als gegeben betrachtet. Nehmen wir einmal – die Liebe. Läßt sie sich naturwissenschaftlich messen oder wiegen?

Selbst renommierte Naturwissenschaftler haben immer wieder eingeräumt, daß es nicht möglich ist, über ihre Beweisverfahren die Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu beweisen. „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“, bekannte der bedeutende Physiker Werner Heisenberg. Albert Einstein räumte ein: „Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlos überlegene Vernunft.“ Und schließlich Max Planck: „Zwischen Religion und Naturwissenschaft finden wir nirgends einen Widerspruch.“

Was aber kann die Vernünftigkeit des Glaubens ausmachen? Wohl zunächst die Verläßlichkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen, der ihn uns vermittelt – denn glauben heißt ja nicht wissen. Glauben heißt, sich dem Zeugnis eines anderen anvertrauen und dessen Wissen über eine Materie zu übernehmen. Es geht also eine Kombination aus Willens- und Verstandesleistung. Man kennt den Zeugen, deshalb stimmt man willentlich seinen Aussagen zu. Wie auch dem Steuerberater, Arzt oder Anwalt, dem man vertraut. Christen glauben an Christus, der nicht von sich sagte, er „habe“ die Wahrheit, sondern er „sei“ die Wahrheit.

Doch dann diese Weihnachtsgeschichte rund um Jungfrauengeburt und Krippe, eine Dreifaltigkeit, Wandlung oder Himmelfahrt – alles zu abstrus, um es erfinden zu können. Und doch: Glauben ist vernünftig. Denn woran muß man alles glauben, wenn man „den Glauben“ ablehnt? An die Selbstentstehung des Lebens, an den puren Zufall, vielleicht jenen obskuren Urknall oder unbewegten Beweger, an die Sinnlosigkeit vieler Facetten des Lebens, die erst im Licht des Glaubens ihren Sinn erlangen.

Es gibt wohl kaum eine kompaktere Darstellung über „Formen und Wurzeln des Atheismus“ als in der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“, ein Dokument des II. Vatikanum. Dort heißt es:

„19.(...) Manche leugnen Gott ausdrücklich; andere meinen, der Mensch könne überhaupt nichts über ihn aussagen; wieder andere stellen die Frage nach Gott unter solche methodischen Voraussetzungen, daß sie von vornherein sinnlos zu sein scheint. Viele überschreiten den Zuständigkeitsbereich der Erfahrungswissenschaften und erklären, alles sei nur Gegenstand solcher naturwissenschaftlicher Forschung, oder sie verwerfen umgekehrt jede Möglichkeit einer absoluten Wahrheit. (…) Andere machen sich ein solches Bild von Gott, daß jenes Gebilde, das sie ablehnen, keineswegs der Gott des Evangeliums ist. Andere nehmen die Fragen nach Gott nicht einmal in Angriff, da sie keine Erfahrung der religiösen Unruhe zu machen scheinen und keinen Anlaß sehen, warum sie sich um Religion kümmern sollten..“

Und dann heißt es in „Gaudium et Spes“ über den „systematischen Atheismus“: „20. Der moderne Atheismus stellt sich oft auch in systematischer Form dar, die, außer anderen Ursachen, das Streben nach menschlicher Autonomie so weit treibt, daß er Widerstände gegen jedwede Abhängigkeit von Gott schafft. Die Bekenner dieses Atheismus behaupten, die Freiheit bestehe darin, daß der Mensch sich selbst Ziel und einziger Gestalter und Schöpfer seiner eigenen Geschichte sei. Das aber, so behaupten sie, sei unvereinbar mit der Anerkennung des Herrn, des Urhebers und Ziels aller Wirklichkeit, oder mache wenigstens eine solche Bejahung völlig überflüssig.

Diese Lehre kann begünstigt werden durch das Erlebnis der Macht, das der heutige technische Fortschritt dem Menschen gibt. Unter den Formen des heutigen Atheismus darf jene nicht übergangen werden, die die Befreiung des Menschen vor allem von seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Befreiung erwartet. Er behauptet, daß dieser Befreiung die Religion ihrer Natur nach im Wege stehe, insofern sie die Hoffnung des Menschen auf ein künftiges und trügerisches Leben richte und ihn dadurch vom Aufbau der irdischen Gesellschaft abschrecke. Daher bekämpfen die Anhänger dieser Lehre, wo sie zur staatlichen Macht kommen, die Religion heftig und breiten den Atheismus aus, auch unter Verwendung, vor allem in der Erziehung der Jugend, jener Mittel der Pression, die der öffentlichen Gewalt zur Verfügung stehen.“ Das erleben wir täglich.

Ob Glauben oder nicht, ob Kunstliebhaber oder nicht, ob Jogger oder nicht. All dies liegt leider nicht auf derselben Ebene. Denn das menschliche Leben ist ein Drama, das sich als Komödie oder Tragödie entpuppen kann. In diesem Drama spielt der Glaube die Hauptrolle, nicht Kunst oder Sport. Es geht um eine Lebensentscheidung mit fatalen Konsequenzen für jeden einzelnen persönlich, nicht für die abstrakte „Menschheit“. Wer sich die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht stellt, lebt in den Tag hinein, ist ein moderner „Banause“.

Augustinus hat einmal gesagt: „Niemand leugnet Gott, wenn er kein Interesse daran hat, daß es ihn nicht geben möge.“ Mal ehrlich, sollten wir denn wirklich nicht mehr sein als ein Tropfen Schleim im unendlichen Universums, wie es Jean-Paul Sartre verheißt? Sind die Welt, der Mensch, Familien und Freunde wirklich so kalt und bedeutungslos? Oder ist nicht der Glaube an einen liebenden, aber auch richtenden Schöpfer nicht „sympathischer“ – und auch logischer?

Warum Gott nicht eine Chance geben? Was haben wir zu verlieren? Warum sich nicht einmal auf das Thema „Glaube, Vernunft und Wahrheit“ einlassen? Stellen wir doch einfach einmal Themen wie Zölibat, Frauenpriestertum, Hierarchie oder Sexualmoral zurück – sie sind wichtig, aber so alt wie die Kirche. Später – ja, gerne. Doch jetzt erst mal nur das Herz öffnen, es zulassen wollen (!) und Gott eine kleine Chance geben. Wer das wirklich wagen möchte, der weiß, welcher Freund ihm hierbei helfen könnte.

Nein, es ist keine Drohung, es ist mehr als wahrscheinlich: Irgendwann wird jeder von uns vor seinem Schöpfer und Richter stehen, um sich zu verantworten. Für das Leben und die Zeit, die nicht ihm gehörten, sondern die ihm geliehen waren. Das ist nicht sentimental, schmeckt nicht nach Glühwein und klingt auch nicht „süß“. Doch gerade das gehört auch zu Weihnachten. Denn dieser Wille, dieses Ringen und vielleicht dann das Finden – das alleine schon kann der Schritt sein zur Erlösung des Weihnachtsfestes.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Supernova

Menschenskind schrieb
>Nur unreife Menschen können negieren, daß die Schöpfung stärker ist als der Mensch. Glaube beginnt dort, wo wir das akzeptieren. Glaube an Gott ist Erlösung. Erst wenn man reifer wird, versteht man diesen Satz. Einem Kind muß er in der Tat mehr als verstiegen vorkommen.

Das ist doch vollkommener Quatsch. Annahmen werden nicht dadurch glaubhafter, Zweifler als "kindlich" und "unreif" darzustellen.

Ich selbst habe als unreifes Kind an Gott geglaubt, weil ich so erzogen wurde.
Als ich weniger kindlich und reifer wurde, habe ich aufgehört zu glauben. Nach Ihrer Logik müsste ich aus meiner erfahrung darauf schließen, dass Sie auf dem geistigen Niveau eines 11-jährigen sind?

Gravatar: Ice66

@Gedankenreisender
"Christ und Buddhist eint die demütige und ehrfürchtige Haltung, das Wissen um die Existenz einer anderen Wirklichkeitsebene und die Überzeugung, dass nicht der vom gebrochenen Menschen geschaffene Materialismus Maß aller Dinge ist."
Der Materialismus in seiner erkenntnisphilosophischen Bedeutung ist nicht von Menschen geschaffen. Die elementare Aussage des Materialismus ist, das die Materie die Grundlage alles Seins ist, und der Geist, insbesondere der menschliche Geist eine Eigenschaft ist, die auf einer organischen und damit materiellen Grundlage basiert. Durch eine negative Moralisierung des Begriffs Materialismus, findet eine sachliche Auseinandersetzung mit dieser philosophischen Position nur selten statt, wobei sehr viele wissenschaftliche Indizien dafür sprechen, dass an ihr was dran ist, wenn man einmal von gewissen Schwierigkeiten absieht, Materie überhaupt ordentlich zu definieren.

Diese Moralisierung ist übrigens bereits ein Verlassen der sachlichen Ebene und die Äußerung eines Vorurteils.

Liebe oder auch die Fähigkeit Göttliches zu empfinden, sind ebenso individuelle Eigenschaften dieser menschlichen Organismen und sollten daher pluralistisch interpretiert werden. Anders ist das bei der Menschenwürde. Die Beachtung dieser einzufordern ist eine soziale Notwendigkeit.

Was die Christen und die Buddhisten eint, ist, dass sie diese Erfahrung um eine andere Wirklichkeitsebene in eine Religion eingesperrt haben und nicht als ein individuelles Gefühl und damit pluralistisch interpretieren.

Diese Gefühle dürften bei den meisten Menschen recht ähnlich sein. Nur bin ich der Ansicht, dass man aus Gefühlen, so relevant sie auch für die soziale Wirklichkeit sein mögen, keine rationalen Schlußfolgerungen auf die Existenz von Etwas ziehen kann, das unabhängig vom Menschen existieren soll und zudem noch unsichtbar ist.

Wenn es dann auch noch unsichtbar dreifaltig ist, ist irgendwas schiefgegangen.

Gravatar: Menschenskind

@Gedankenreisender

Ihnen wünsche ich eine gesegnete Weihnacht. Sie haben mir aus der Seele gesprochen.
Wer den Glauben bekämpft, hat wohl immer noch ein kindlich naives Bild des Herrgotts auf der Wolke vor Augen. Nur unreife Menschen können negieren, daß die Schöpfung stärker ist als der Mensch. Glaube beginnt dort, wo wir das akzeptieren. Glaube an Gott ist Erlösung. Erst wenn man reifer wird, versteht man diesen Satz. Einem Kind muß er in der Tat mehr als verstiegen vorkommen.

Gravatar: JS

"Der Kampf der gläubigen Christen wird immer verkrampfter."

Hier im Forum scheint der Kampf gegen gläubige Christen immer verkrampfter zu werden.

"Wir haben doch alle eine Meinung zu Göttern wie zb. Anubis oder Shiva: Nette Folklore. "

Woher wissen Sie, dass das die Meinung aller ist? Oder gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass Ihre Meinung die Meinung aller ist?

"Wenn es aber um den Gott JHWE geht, der übrigens nur ein 3000 Jahre alter Stadtgott aus dem Mittleren Osten, und damit auch nur einer aus Hunderten war, wird die Sache ernst."

Mir scheint auch so, dass die Christen ernster genommen werden als alle anderen Religionsanhänger, z.B. Anhänger des Islam.

"Sofort ist es angebracht, diejenigen, die solches Zeug mit dem Osterhasen gleichsetzen, zu verunglimpfen."

Nein, diejenigen, die alles, was ihnen nicht in den Kram passt, mit dem Osterhasen gleichsetzen, sind in erster Linie die Verunglimpfer, so wie Sie etwa.

"Um es deutlich zu sagen: glaubt was ihr wollt, aber lasst die anderen in Ruhe! "

Wie zu Beginn: Alle sind ja Ihrer Meinung. Sie fühlen sich also belästigt, weil auf einem christlichen Blog (siehe Impressum) christliches Gedankengut verbreitet wird. Ich kann Ihnen versichern: Es war noch nie so einfach, in Ruhe gelassen zu werden.

Gravatar: Insider

Stimmt, zu Weihnachten bersten die Kirchen förmlich, alle sind sie da, auch die, die eigentlich mit der Kirche nichts mehr am Hut haben, nicht mehr finanzierendes Gemeindeglied sind.

In den Kirchen ist das hinreichend bekannt, man diskutiert auch mindestens hinter vorgehaltener Hand intern darüber. Man könnte ja sogar eine Einlasskontrolle organisieren, wird auch immer wieder diskutiert, nur traut man sich nicht, es wirklich zutun. Haben doch viele Kirchoberen die Hoffnung, es könnten die einmal gegangenen und / oder die noch nie ansonsten dargewesenen eintreten in die Gemeinde, Mitglied werden, natürlich dann auch Kirchsteuer entrichtend zukünftig. Also sind die großen Kirchfeste auch sogenannte Werbeveranstaltung für das Kirchleben und daher heißt es alle Jahre wieder macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr, der Herrlichkeit...

Gravatar: Freigeist

@Rene Göckel
Hallo,
Sie hätten noch dazufügen sollen: Und belästigt andere nicht mit euren Symbolen.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Rene Göckel

Der Kampf der gläubigen Christen wird immer verkrampfter. Wir haben doch alle eine Meinung zu Göttern wie zb. Anubis oder Shiva: Nette Folklore. Wenn es aber um den Gott JHWE geht, der übrigens nur ein 3000 Jahre alter Stadtgott aus dem Mittleren Osten, und damit auch nur einer aus Hunderten war, wird die Sache ernst. Sofort ist es angebracht, diejenigen, die solches Zeug mit dem Osterhasen gleichsetzen, zu verunglimpfen. Um es deutlich zu sagen: glaubt was ihr wollt, aber lasst die anderen in Ruhe!

Gravatar: Freigeist

Hallo,
Vernunft und Religion passen überhaupt nicht zusammen.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Nicole

Danke für die Chance, die sie Gott geben! Ich bin mir sicher, er freut sich über Menschen wie sie! Frohe Weihnachten!

Gravatar: Pauline

Vielen Dank Herr Müller für Ihren hervorragenden Beitrag. Es ist erfreulich und gut, immer wieder Menschen zu finden, die sich klar zu Gott bekennen.

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