Den Laden zusammen halten

Es wird ernst für die Union und für Kanzlerin Angela Merkel. Mit ihrem heute beginnenden letzten Parteitag vor der Bundestagswahl muss sich die CDU endlich als zukunftsfähig präsentieren.

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Bundesfinanzminister Schäuble tritt als politischer Marathonmann mit in 2013 dann schon 71 Jahren noch einmal an, um nicht jetzt schon eine „Lame Duck“ zu sein. Wie sehr die Griechenland-Rettung am Ende den deutschen Steuerzahler belasten wird, weiß Schäuble aber nicht zu sagen. 240 Milliarden Euro sind dem Land insgesamt schon zugesagt und von der EU-Troika in Aussicht gestellt worden; nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler belaufen sich die Risiken aus den Rettungsfonds EFSF und ESM aber bereits jetzt auf rund 509 Milliarden Euro beziehungsweise 6200 Euro je Bürger (FAS2.12.2012). Auch Kanzlerin Merkel weiß, dass ein Schuldenschnitt unausweichlich ist. Sie hofft aber, dass sich das vielleicht noch bis über den Bundestagswahltermin hinauszögern lässt. Doch das Publikum lässt sich immer weniger beschwichtigen. Die Sehnsucht nach Wahrheit und Klarheit wächst und erzeugt Druck.

Dem niedersächsischen Landtagswahlkampf geschuldete Symbolpolitik

Auch bei der Energiewende gelingt kein Befreiungsschlag. Die Vernetzung der himmelwärts sprießenden Windräder zu Wasser und zu Lande verläuft schleppend. Auf absehbare Zeit gelingt es ohne den Neubau von Gas- und Kohlekraftwerken auch nicht, die Grundlast zu sichern. Energiepolitisch ist Deutschland ein absolutes Teuerland. Dass die deutschen Kernkraftwerke, die zu den sichersten in Europa und in der Welt zählen, zu schnell abgeschaltet worden sind und weiter werden, weiß wohl jeder in der Regierung; doch kaum einer traut sich, das auch zu sagen. So bleibt allein die Hoffnung, dass sich das deutsche Know how bei der Entwicklung regenerativer Energiequellen und deren Speicherung zu einem Exportschlager entwickelt und von Ingenieurgetriebenen Ländern wie China nicht allzu rasch kopiert wird. Die nun erfolgte vorläufige Aufgabe der weiteren Erkundung von Gorleben als nationalem Endlager für nukleares Material ist als Symbolpolitik dem niedersächsischen Landtagswahlkampf geschuldet und bewirkt allenfalls eine vorübergehende Befriedung. Für David McAllister geht es im Januar um die Mehrheit seiner CDU/FDP-Koalition und damit um Kopf und Kragen als niedersächsischer Ministerpräsident. Sollte die CDU im Landtag in Hannover ihre Regierungsmehrheit verlieren, gibt es im ganzen Norden der Republik keine unionsgeführte Landesregierung mehr.

Die Jeanne d’Arc der Sozialpolitik, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, reizt derweil den Koalitionspartner FDP mit ihren Vorstößen für eine Zusatzrente und dem Leitantrag des Parteitags zur Einführung einer „allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze“ in den Bereichen, in denen „ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert“. Damit schwenkt die CDU sozialdemokratisch ein und tritt mit ihrer Formulierung eines „Mindestlohns“ die Flucht nach vorn an, um SPD und Grüne nicht ein Monopol beim Wahlkampfthema „Gerechtigkeit und Solidarität“ auf dem Silbertablett zu servieren. Um offenen Streit zu vermeiden, kommt die „Zusatzrente“ sicherheitshalber in dem 91 Kapitel umfassenden Leitantrag erst gar nicht vor.

Umgekehrt haben die Liberalen der Sozialministerin in deren Armuts- und Reichtumsbericht hinein redigiert. FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler wollte auf jeden Fall verhindern, dass von der Leyen auch noch in puncto Einführung einer Vermögenssteuer auf die SPD zugeht.

Bei allzu viel Liberalität aber zieht Kanzlerin Merkel die Reißleine

Auch die Forderung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um „die Finanzmärkte stärker an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen“, stößt bei den Liberalen auf erhebliche Bedenken. Ohne eine einheitliche Lösung in Europa ruiniere dies nur den Finanzplatz Frankfurt. Doch die britische Regierung weiß nur zu gut, dass Britanniens Wirtschaftskraft zu einem großen Teil von den Finanzgeschäften in der Londoner City abhängig ist. Zudem ist noch nicht geklärt, ob und wie sehr jeder Bürger als Auszubildender, Student, abhängig Beschäftigter oder Rentner, Hausmann oder Hausfrau dann ebenfalls bei jeder Überweisung und jedem Geldtransfer steuerlich belastet wird.

Richtig ans Eingemachte geht es bei der Union, wenn die Themen Frauenquote und steuerliche Gleichstellung der Homo- mit der Originalehe von einem Mann und einer Frau aufgerufen werden. In der Frauen- und Familienpolitik will auch die CDU weiter unter der Flagge des christlichen Menschenbildes segeln, obgleich sie sich mit der voraussichtlichen Wahl der türkischstämmigen niedersächsischen Sozialministerin Aygül Ozkan in ihren Bundesvorstand für Migranten weiter öffnen will. Man müsse als CDU-Mitglied nicht Christ sein, meint die Volljuristin, die ebenso wie Kopftücher auch christliche Symbole in deutschen Schulen kritisiert. Bei allzu viel Liberalität aber zieht Kanzlerin Merkel die Reißleine und schreitet dann Seit an Seit mit CSU-Chef Horst Seehofer. Via „Bild am Sonntag“ (2.12.2012) empfiehlt die CDU-Vorsitzende ihrer Partei, die „steuerliche Privilegierung der Ehe“ zu erhalten, „weil unser Grundgesetz die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Familie sieht und beide unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt“. In Richtung CSU geht auch die Forderung der Frauen-Union nach einer stufenweisen Angleichung der Renten für Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben. Eine volle Angleichung würde nach Expertenberechnungen 13 Milliarden Euro kosten und wird selbst von dem familienfreundlichen JU-Vorsitzenden Philipp Mißfelder „in Zeiten klammer Kassen“ als unfinanzierbar angesehen. Das aber wollen sich die Frauen so einfach nicht gefallen lassen und wollen aufbegehren.

Sonst pulverisiert sich die CDU

Der Vorstoß von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt (BDA); die Elternzeit kräftig zu kürzen und vor allem Mütter schon nach 12 Monaten wieder zur Arbeitsaufnahme zu bewegen, ist besonders in den Unionsparteien auf scharfe Kritik gestoßen. Dabei hatte Hundt sich mit seiner Einlassung reflexartig gegen die zunehmende Inanspruchnahme der Wirtschaft in puncto Frauenförderung zur Wehr setzen wollen. Dass seine sogar in den Wirtschaftsverbänden als ungeschickt wahrgenommene Äußerung darüber hinaus auch noch die bei den Gewerkschaften immer heftig kritisierte Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats beinhaltete, ist in der aufgeregten Diskussion allerdings noch gar nicht thematisiert worden.

So kann Familienministerin Kristina Schröder mit der von ihr entwickelten maßvollen und juristisch abgesicherten Flexi-Quote mit einer verbindlichen Selbstverpflichtung von Großunternehmen zur verstärkten Berufung von Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte auf dem Parteitag zu einer Matchwinnerin avancieren. Für Kanzlerin Merkel aber wird es entscheidend darauf ankommen, die Fliehkräfte in ihrer Partei um den Markenkern der CDU herum zu bündeln und zugleich der wichtigen Auseinandersetzung um das Profil und den künftig geltenden Wertekanon der Partei genug Raum zu geben. Sonst pulverisiert sich die CDU in einem modernistischen Bemühen, auch sehr heterogene Zielgruppen gleichermaßen anzusprechen.

 

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