Das Verfassungsgericht als grundrechtsschaffende Gewalt?

Verfassungsgerichte in Demokratien haben die Aufgabe, darüber zu wachen, dass staatliche Gewalt die Grundrechte der Menschen nicht verletzt. Es zeichnet sich aber weltweit eine Tendenz ab, dass Verfassungsgerichte als letzte richterliche Instanz selbst mit ihren Entscheidungen und Urteilen stark in eben diese Grundrechte eingreifen und zum Teil sogar neue Grundrechtsgehalte schaffen.

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Diese Tendenz ist auch in Deutschland zu beobachten. Sie hat sich in den letzten Jahren enorm verstärkt. Die Frage, die sich besonders am Tag des Grundgesetzes stellen sollte, ist, ob das noch mit den demokratischen Grundsätzen vereinbar ist. Die Gesetze sollten in den Parlamenten gemacht werden. Nur die sollten neue Grundrechte schaffen dürfen und die Hürden sind mit Recht sehr hoch.

Verfassungsgerichte der Welt, auch das deutsche, reagieren immer häufiger auf die gesellschaftlichen Veränderungen und die schnell voranschreitenden Entwicklungen in Wissenschaft und Technik, speziell die der Informationsvermittlung.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe traf zum Beispiel Entscheidungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zum Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum oder dem Recht auf Vergessen.

Das Gericht ging bei seinen Entscheidungen offensichtlich davon aus, dass im Grundgesetz die einzelnen Rechte nicht abschließend geregelt sind.

In jüngster Zeit werden aber auch Entscheidungen getroffen, die weit über das Grundgesetz hinaus gehen, bzw. die Grundrechte einschränken. Die gravierendsten Beispiele sind die Entscheidung zum Klimaschutzgesetz und zur Einrichtungsbezogenen Impfpflicht, beide gefällt vom Ersten Senat unter dem Vorsitz von Merkel-Protegé Harbarth.

Mit dem am 29. April 2021 veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, weil hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen.

Mit dem Urteil, dass die Einrichtungsbezogene Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, weil der Schutz vulnerabler Gruppen als höherwertigeres Rechtsgut anzusehen sei, als die körperliche Unversehrtheit des Menschen, wurde das im Grundgesetz garantierte Recht ausgehebelt. Beide Urteile öffnen politischer Willkür Tür und Tor.

Das Verfassungsgericht hat damit seine eigentliche Funktion aufgegeben und sich zum Erfüllungsgehilfen von Lobbygruppen und Politik gemacht.

Jetzt aber dazu aufzurufen, das Verfassungsgericht zu meiden, weil es das Vertrauen der Bürger nicht mehr verdiene, wie der Cicero es tat, ist fatal. Wenn eine demokratische Instanz ihre Funktion nicht mehr erfüllt, muss sie erneuert werden, damit Demokratie und Rechtsstaat nicht nachhaltig beschädigt und damit außer Kraft gesetzt werden.

Richterliche Grundrechtskreationen werfen einige sehr grundsätzliche Fragen auf:

  1. Welche Art von Macht und Funktion üben Verfassungsgerichte aus, wenn sie neue Grundrechte schaffen oder alte einschränken? Haben sie damit verfassungsgebende oder maßstabsetzende Gewalt und wie ist die legitimiert?
  2. Welche methodischen Ansätze gibt es, die das Verfassungsgericht dabei zu beachten hätte?

Die Antwort auf diese Fragen ist entscheidend für die Legitimität der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung.

Soweit ich sehen kann, sind diese Fragen am heutigen Tag des Grundgesetzes nicht gestellt worden. Zwar wird festgestellt, dass im Laufe der Zeit ungefähr jeder zweite Artikel des Grundgesetzes verändert worden sei, einige davon auch mehrmals, außerdem gäbe es “wegweisende Urteile” die sich in den Jahrzehnten mal als Motor, mal als Bremser gesellschaftlicher Entwicklungen erwiesen hätten. Problematisiert wird das aber nicht.

Unter dem Radar der Öffentlichkeit bleibt, dass in Deutschland in der Rechtsprechung eine neue Art von Macht erprobt wurde, die das Bundesverfassungsgericht in der Realität ausübt. Es ist höchste Zeit, das Problem zu thematisieren.

Wenn nicht geklärt wird, ob und wie die grundrechtsschaffende Gewalt, die das Bundesverfassungsgericht schon mehrmals ausgeübt hat, gerechtfertigt werden kann, besteht die Gefahr der Erosion der Grundprinzipien der Demokratie.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Franz Altermann

Deutschland schafft sich ab, meinte Sarazin als erster öffentlich. Heute ist es offensichtlich, wer noch normal denkt, merkt es längst, was sich da zusammenbraut. Warum läßt unsere Justiz den chaotischen (vielleicht fremdgesteuerten?) Staatsverfall zu, ja unterstützt ihn anscheinend noch? Wer vertritt in Deutschland eigentlich noch die berechtigten nationalen Interessen, die im Grundgesetz aufgelistet sind? Warum wehrt sich der Deutsche nicht gegen seine Entmündigung und rasant fortschreitende Enteignung? Wo bleibt der massive Protest? Gibt es nur noch Duckmäuser, Mitläufer und Denunzianten?
Bin ich vielleicht schon verrückt, wenn ich nur noch schwarz sehe?

Gravatar: B3

"Wenn eine demokratische Instanz ihre Funktion nicht mehr erfüllt, muss sie erneuert werden, damit Demokratie und Rechtsstaat nicht nachhaltig beschädigt und damit außer Kraft gesetzt werden."

Bei welcher Institution wollen Sie denn anfangen???

Wir leben in einer Scheindemokratie, die nie eine war!

Das ganze System muss weg, all seine Vertreter gehören in den Knast, manche in die Psychiatrie.

Und wir brauchen eine vom Volk legitimierte, ohne Volksentscheid unveränderbare Verfassung, nach der unabhängige Richter zu urteilen haben.

Es verändert nichts, wenn wir die Justiz wieder ein Bisschen scheindemokratischer und scheinrechtstaatlicher machen.

Aber wenn Sie das schreiben würden, hätten Sie bestimmt eine Anzeige wg. "Verächtlichmachung eines sog. Staates" am Hals...

Gravatar: statist

Die Organe in Deutschland sind total verfault von den politischen Lügen und der Korruption.

"Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat." - Das ist der allgemein und juristisch akzeptierte Grundsatz.
Ein wichtiger Aufgabenbereich des Bundesverfassungsgerichts besteht im Schutz von Demokratie, Rechtsstaat und Verfassung.
Der Erste Senat (der so genannte „Grundrechtesenat“) behandelt Normenkontroll- und Verfassungsbeschwerdeverfahren, die vor allem Art. 1-17 GG betreffen. Es kann Rechtsnormen für nichtig erklären, die Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz feststellen und zur verfassungskonformen Änderung von Gesetzen mahnen.

Ob der Impfstoff Nebenwirkungen hat, wirksam schützt oder Quaksalberei ist, fällt gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Richter.

Bundesverfassungsrichter dürfen weder Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung noch entsprechenden Landesorganen angehören. Stephan Habarth ist Parteimitglied der CDU. Die Täter wählen sich ihre Richter selber.

Die Fäulnis begann sichtbar zu werden mit der Grundgesetzänderung 1990 des Art. 23. Nur auf Grund dieses Artikels konnte 1991 der Maastricht Vertrag ratifiziert werden. Der Maastricht Vertrag ist de facto "illegal". Denn der Artikel selber schafft einen Ausgang aus Grundgesetz und Rechtsstaat.

Das Problem hätte auf Basis des Rechtsstaats nicht gelöst werden können. Einzig eine politische Lösung konnte wirksam sein, auch unter Zuhilfenahme des Widerstandsrechts, welches im GG verankert ist.

Ich will den Ossis keine Vorhaltungen machen, denn die kannten das GG nicht. Aber der Westen hat vor sich hingeträumt. Und daß Träume schäume sind, fällt nun auf zu uns zurück.

Gravatar: asisi1

Verfassungsgerichte haben sicher eine Aufgabe. Allerdings in Deutschland ist es nur eine Attrappe! Das GG gilt auch nicht, weil wir unter militärischer Verwaltung der Amis, Engländer und Franzosen stehen. Alles was uns hier von angeblichen Behörden vorgeschrieben wird ist illegal! Sie haben dazu keine "Genehmigungen" der militärischen Besatzer!

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Verfassungsgerichte in Demokratien haben die Aufgabe, darüber zu wachen, dass staatliche Gewalt die Grundrechte der Menschen nicht verletzt. Es zeichnet sich aber weltweit eine Tendenz ab, dass Verfassungsgerichte als letzte richterliche Instanz selbst mit ihren Entscheidungen und Urteilen stark in eben diese Grundrechte eingreifen und zum Teil sogar neue Grundrechtsgehalte schaffen.“ ...

Deshalb ist ´wahrscheinlich` zu erwarten, dass auch eine dies bzgl. „Verfassungsbeschwerde“ aussichtslos bleiben würde!!!
https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Wichtige-Verfahrensarten/Verfassungsbeschwerde/verfassungsbeschwerde_node.html

Gravatar: Werner Hill

Wenn wir die Erosion der Grundprinzipien der Demokratie nicht längst hätten, müßte dieser Beitrag in allen Medien diskutiert werden.

Was wir seit Corona, seit Beginn der Klimarettungshysterie oder auch seit der Euro-Schuldenvergemeinschaftung zulasten Deutschlands immer deutlicher erleben, ist ein Verfassungsgericht, welches schamlos im Auftrag der Regierung und ihrer Strippenzieher Unrecht spricht oder Rechtsprechung verhindert.

Da sollte man richtiger von der "Nacht des Grundgesetzes" reden ...

Gravatar: Hajo

Blind sein ist nicht gesetzeswidrig, aber Klageschriften nicht anzunehmen oder auf den St. Nimmerleinstag hinaus zu ziehen ist schon eine recht merkwürdige Verhaltensweise und läßt den Verdacht der Parteinahme aufkommen, unabhängig von unterschiedlichen Entscheidungen.

Wer so agiert, dem könnte man schon Absicht unterstellen und was das noch mit Berufsethos zu tun hat entzieht sich jeder Vorstellung, das könnte man auch als rechtloses Verhalten kritisieren, für das sie eigentlich da wären und es in vielen wichtigen Angelegenheiten zur Provinzposse verkommen lassen.

Gottseidank sind sich diese Rechtsverwalter in vielen Sachen auch nicht grün, was man ja an der Urteilen untergeordneter Instanzen erkennen kann, aber wenn es am Ende an höchster Stelle landet kann es bedenklich werden, wenn das Recht dabei an den Nagel gehängt wird und die Menükarte anderweitig interessanter erscheint, wenn man dort geladen wurde.

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