Das Unrecht der „gerechten“ Sprache

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Harald Martenstein hat einen deftigen Beitrag über die Ungerechtigkeit von Schimpfwörtern verfasst, der mich bereichert hat. Einige der Kraftausdrücke kannte ich noch nicht. Ich muss aber auch meinerseits über Martenstein schimpfen, vielleicht muss ich ihn sogar einen „Arschkriecher“ nennen, ich bin nicht sicher. Solche Ausdrücke sind nicht meine Spezialität. Ich bin auch nicht sicher, wie er das Folgende meint. Es liest sich so, als würde er sich dem anschließen. Da gibt es keinen Konjunktiv und auch kein einschränkendes „vermeintlich“ oder „angeblich“. Er wird doch nicht ... Er schreibt:

„Die Universität Leipzig verwendet in ihrer Grundordnung die Bezeichnung ‚Professorin’ in Zukunft für Männer und Frauen. Die Universität Potsdam hat nachgezogen. Auf diese Weise wird ein jahrzehntealtes sprachliches Unrecht ausgeglichen. In vergangenen Epochen sollten sich beim Wort ‚Professor’ die Professorinnen mitgemeint fühlen, das war ungerecht, zur Strafe macht man es jetzt umgekehrt.“

Nein. Es gibt kein „sprachliches“ Unrecht. Sprache bezeichnet eine Sache entweder zutreffend oder nicht, richtig oder falsch. Wenn eine Bezeichnung falsch ist, dann ist sie deswegen noch nicht „ungerecht“, sondern einfach nur falsch. Dann wird sie verbessert. Dieses angebliche „Unrecht“ ist auch nicht „jahrzehntealt“. Wie viele Jahre stellt er sich denn vor? Dreißig? Vierzig? Ist dieses „Unrecht“ etwa schon zu seinen Lebzeiten aufgetreten und er selber, der doch so ein gutes Gespür für Sprache hat, hatte es bisher nicht bemerkt? Warum muss auch auf ein so lange verschlepptes „Unrecht“ gleich mit einer „Strafe“ reagiert werden? Ist dieses rätselhafte Vergehen aus alten Tagen, auf das nun erst reagiert wird, etwa schlimmer als ein Kapitalverbrechen, das nach zwanzig Jahren verjähren würde? Trifft es jetzt nicht die Falschen? Es ist doch ein Unrecht, Unschuldige zu strafen - oder?

Man macht es auch nicht „umgekehrt“. Die Formulierung „Professoren“ hatte Frauen weder sprachlich noch real ausgeschlossen, „Professorinnen“ dagegen schließt Herren pauschal aus, nicht nur sprachlich, sondern auch real. Männliche Bewerber dürfen nicht vom Professorinnen-Programm profitieren, das ausschließlich für Frauen gedacht ist, für „Habilitandinnen“. Eine Vergeltung „Unrecht gegen Unrecht“, die so alttestamentarisch anmutet, ist schon hässlich genug. Es kommt aber noch schlimmer. Hier wird ein vermeintliches Unrecht mit einem tatsächlichen vergolten. Hier soll kein Unrecht bekämpft werden, hier will jemand strafen.

Der gute Harald Martenstein ist schon ein Sprachkünstler der besonderen Art, ich lese ihn immer wieder gerne, aber wenn es um Feminismus geht, dann traut er sich nicht so recht und rettet sich in Ironie. Das ist so mein Eindruck.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

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