Das überfüllte Parlament

Die Listen der neugewählten Bundestagsabgeordneten wollen nicht enden, selbst bei den Fraktionen der kleinen Parteien. 93 sind es bei der FDP, 76 bei der Linken, 68 bei den Grünen. Der Bundestag spart nicht mit Stühlen.

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622 Abgeordnete insgesamt einschließlich Überhangmandaten. Dazu kommen Mitarbeiterstäbe von etwa vier Personen pro MdB. Außerdem Fraktionsgeschäftsstellen mit wissenschaftlichen Mitarbeiterstäben. Die gewachsenen kleinen Fraktionen können ihre Parteigänger jetzt kräftig mit BAT-Stellen bedienen, bei der SPD fliegen einige raus.
Wozu braucht man so viele Abgeordnete in einem Parlament, das in den letzten Jahrzehnten schrittweise Kompetenzen an die EU abgetreten hat und sich mit der Zustimmung zum Lissabon-Vertrag sogar fast gänzlich überflüssig machen will? Soll Kompetenz durch Masse ersetzt werden?
Jeder weiß, dass die Politik ohnehin in den Führungszirkeln der Parteien und Fraktionen ausgehandelt wird. Die Masse der Hinterbänkler darf am Politikbetrieb ein wenig teilhaben, Augenzeuge sein und ansonsten den Claqueur machen. In ihren Wahlkreisen halten die Bundestagsabgeordneten „Berichte aus Berlin“ und geben ihr Bestes, um möglichst viele finanziellen Mittel aus der Bundeshauptstadt in ihren Wahlkreis zu lenken. So wird der Bundeshaushalt zweimal geschröpft. Durch die Abgeordnetenschwemme und ihre Klientelpolitik. Der englische konservative Abgeordnete Edmund Burke (1729-1797) ließ sich nach seiner Wahl in seinem Wahlkreis kein einziges Mal mehr blicken. Er wollte Politik für das ganze Volk machen, keine Wahlkreisbetreuung.

300 Abgeordnete würden reichen

Ein Parlament mit 300 Volksvertretern würden völlig ausreichen, zudem den einzelnen Abgeordneten der Bedeutungslosigkeit entreißen und den Ameisenhaufen im Reichstag entwirren. Welchen parlamentarischen Gewinn bringt eigentlich jedes weitere Dutzend Hinterbänkler, wenn schon alle Ausschüsse mehrfach besetzt sind? Der heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hatte 1995 vorgeschlagen, den Bundestag immerhin auf 500 Sitze zu verkleinern. Doch er hat seitdem nicht mehr die Kraft aufgebracht, dieses Ziel zu verfolgen. Stattdessen wurde der viel zu große Bundestag 2002 von 672 nur auf 598 Sitze verringert, um doch wieder bis auf 622 anzuschwellen.
Je größer und wichtiger das EU-Parlament wird, desto kleiner müssten eigentlich die nationalen Parlamente, Bundestag und Landtage, werden. Doch nichts passiert. Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte im Wahlkampf kein Verständnis für Kritik am Lissabon-Vertrag. Warum bringt er dann nicht die Konsequenz auf, den Bundestag zu entrümpeln?

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