Das kurze Gedächtnis der EU

Veröffentlicht:
von

Es war am 20. Juli 1974, also vor ziemlich genau 40 Jahren: Türkische Truppen landeten im Norden der Republik Zypern. Ziel war der Schutz der türkisch-zypriotischen Minderheitsbevölkerung vor einer befürchteten Benachteiligung im Falle eines eventuellen Anschlusses an Griechenland, wo damals noch eine Militärjunta herrschte.

Während die Junta wegen des drohenden Krieges mit der Türkei stürzte und Zypern eine neue Regierung erhielt, weigerte die Türkei sich nicht nur, ihre Truppen abzuziehen, sondern weitete die Eroberung aus, bis 37% der Insel unter türkischer Herrschaft standen. Wegen 1500 "verschwundener" griechischer Zyprioten wurde die Türkei erst kürzlich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Andere Untaten wie die zwangsweise Umsiedelung von Menschen, Enteignungen, Schikanierungen und die Entweihung von Kirchen sind ungesühnt.

Die 1983 ausgerufene Türkisch Republik Nordzypern wird zwar international nicht anerkannt und Verhandlungen sind nach wie vor bi- und multilateral im Gang, doch wäre es ein Wunder, hätte die Türkei ihr Ziel nicht erreicht: Die Zementierung der Teilung Zyperns durch einen Akt militärischer Gewalt.

Wie wir wissen, hat dieser Gewaltakt nicht verhindert, dass die Türkei seitdem und immer noch als potentieller EU-Beitrittskandidat behandelt wird. Man darf sich fragen, wie kurz das Gedächtnis der europäischen Politiker ist. Wenn der deutsche Aussenminister Steinmeier heute im Hinblick auf die Ukraine-Krise sagt: "Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet", dann scheint er unter einer schweren Amnesie zu leiden.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang