Das katholische Spannungsfeld

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Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat sich zum Schutz des Kindeswohles gegen jede Form der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren und der von ihnen adoptierten Kinder in der katholischen Kirche ausgesprochen. […] Overbeck [machte] deutlich, dass weder die Erwachsenen noch die Kinder in solchen Lebensgemeinschaften unter den oft subtilen Formen von Diskriminierung leiden und möglicherweise Schaden nehmen dürfen.

Es sei nicht in Ordnung, wenn gleichgeschlechtliche Paare bei kirchlichen Feiern wie Taufe oder Erstkommunion der Kinder nicht gemeinsam in Erscheinung treten dürfen und damit einzelne von der Teilnahme ausgeschlossen werden. […] „Das Wohl des Kindes hat stets Vorrang“, so der Bischof weiter. Er warb nachdrücklich für eine „Willkommenskultur“ für alle Menschen, die am kirchlichen Leben teilnehmen wollen. Dabei verwies er auf das Zukunftsbild im Bistum Essen, das für eine vielfältige Kirche wirbt, in der Offenheit und Weite eingeübt und Gastfreundschaft gelebt wird.

Im – scheinbaren – Kontrast dazu, hier ein Dialog zwischen Overbeck und dem homosexuellen Regisseur Rosa von Praunheim aus der Sendung Anne Will vom 11.04.2010, wie ihn Wikipedia wiedergibt:

Dann wissen wir auch, und das gehört zur Bußfertigkeit der Kirche, dass es unter diesen Leuten solche Sünder gibt, wie [es] sie woanders auch gibt. Dafür gibt es Buße.

[Praunheim: Homosexuell zu sein ist doch keine Sünde.]

Das ist eine Sünde, [das] wissen wir ganz klar und eindeutig, dass es das ist.

[Praunheim: … natürlich …]

Das widerspricht der Natur. Die Natur des Menschen ist angelegt auf das Miteinander von Mann und Frau.

Später hat Overbeck nach Kritik an seinen Aussagen noch mal in der Süddeutschen Zeitung präzisiert:

Ich habe gesagt, was die Überzeugung der katholischen Kirche ist: Praktizierte Homosexualität ist objektiv sündhaft, auch wenn homosexuellen Menschen mit Achtung zu begegnen ist. […] Deshalb tut mir meine Position nicht leid, ich erwarte allerdings auch kein Mitleid mit mir, wenn ich kritisiert werde.

Nun ist das Thema Homosexualität nur ein Beispiel, in der die Lehre der katholischen Kirche, die wie wir glauben die Lehre Jesu ist, dem Zeitgeist entgegengesetzt ist und bei dem man mit einfachen Aussagen nicht die ganze Wahrheit wiedergeben kann, komplexe Zusammenhänge aber oft kein Gehör finden.

Denn was Overbeck sagt, damals wie heute, ist für einen Katholiken zweifellos richtig, wenn ich auch sowohl auf der liberalen wie auf der konservativen Seite Anfeindungen sehe. Auf der einen Seite widerspricht man der Aussage, gelebte Homosexualität sei Sünde, auf der anderen Seite widersprechen einige, dass man auch für Homosexuelle (und in dem Spezialfall homosexuellen Paaren mit Kindern) eine Willkommenskultur bräuchte. Da hinein mischt sich natürlich auch die Frage, was der Bischof denn nun damit meint – ob er etwa von seinen früheren Positionen, die weiterhin katholisch sind, abrücken wolle.

Ich nehme erst mal an, dass das nicht seine Aussage gewesen sein soll, sondern beide Positionen für ihn gültig bleiben. Und dann kann ich ihm nur gratulieren für den Mut, sich notfalls auch zwischen alle Stühle zu setzen und so weder dem liberalen noch dem konservativen Zeitgeist zu folgen.

In den vergangenen Wochen wurde viel über die Unterscheidung von Toleranz und Akzeptanz gesprochen, wobei mit ersterem ein passives „Geschehenlassen“ gemeint ist, mit zweiterem ein aktives „Für gut befinden“. Und aus katholischen Kreisen heißt es dann – wie ich finde ganz richtig – man müsse Toleranz für eine andere Lebensauffassungen haben, sie aber nicht im Sinne des Gutheißens akzeptieren. Das ist leicht gesagt, aber der Spagat, der sich dadurch ergibt, zeigt sich in den obigen Zitaten. Was heißt denn das, tolerieren, was heißt es, wenn der katholische Katechismus (Nr. 2358) fordert, dass Homosexuelle nicht ungerecht zurückgesetzt werden dürfen?

Die Kirche befindet gelebte Homosexualität als Sünde, das heißt aber nicht, dass man das den Betroffenen immer und überall unter die Nase reiben muss. Wer der Lehre der katholischen Kirche widerspricht, der muss seinerseits mit Widerspruch aus katholischen Reihen rechnen. Es ist aber andererseits auch nicht notwendig, den jeweiligen Menschen nur auf seine Sexualität zu reduzieren. In den gängigen Talkshowdiskussionen tun sich damit übrigens weder christliche noch homosexuelle Vertreter einen Gefallen, wenn sie dieses Thema unabrückbar in den Fokus stellen.

Ich kenne auch die Einsprüche gegen meine Argumentation, ich habe sie selber alle schon vorgebracht: Wer bereue und beichte, den könne man ja wieder aktiv aufnehmen, wer aber auf seine Sünde beharre, sei es die Homosexualität oder – ein anderer Dauerbrenner – der zivil wiederverheiratete Geschiedene oder ein sonst wie in schwerer Sünde Lebender, der lebe eben in Sünde und man habe die Verpflichtung, ihn zurecht zu weisen. „Den Sünder zurecht weisen“, das ist in der Tat nach christlicher Auffassung ein Werk der Barmherzigkeit. Wenn aber der Punkt gemacht ist, ist es dann notwendig, darauf zu beharren, diese Zurechtweisung immer wieder zu wiederholen? Und um es konkret zu fassen: Wann wird diese Wiederholung, dieses Fokussieren auf die Sünde, zur Diskriminierung?

Bischof Overbeck hat auf eine spezielle Situation geantwortet, und es erscheint einsichtig, dass man Kinder, die sich in der Obhut eines homosexuellen Paares befinden, nicht durch diese Fokussierung schaden, sie nicht deswegen diskriminieren darf. So schwer, wie die Unterscheidung „Hasse die Sünde aber liebe den Sünder“, so schwer, wie die Unterscheidung zwischen „als Sünde befinden“ und „nicht diskriminieren“ manchmal fällt, umso wichtiger wird unser Zeugnis:

Wie gehe ich, wie geht die Kirche mit den Sündern um? Nicht nur mit denen, die umkehren wollen und gerade in der Fastenzeit das Sakrament der Vergebung suchen, sondern auch mit denen, die ihr Leben, ihr Handeln nicht als Sünde sehen können? Der Vorschlag von Overbeck liegt auf dem Tisch, und man kann ihn vom konkreten Thema der Homosexualität lösen und wie er allgemein formulieren als „Willkommenskultur für alle Menschen, die am kirchlichen Leben teilnehmen wollen“ oder noch besser als „Willkommenskultur für alle Menschen, die nach Christus suchen“.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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