Das Interview

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Eines der schönsten Gebäude Unter den Linden ist das Zeughaus. Man sieht ihm heute nicht mehr an, dass es eine ähnliche Baugeschichte hat, wie der Berliner Flughafen. Der Bau verschliss so viele Baumeister, dass der Einsturz einer Säule im Ostteil nicht dem Versagen eines Bestimmten zugeordnet werden konnte.

Selbst Andreas Schlüter legte Hand an, hinterließ als Architekt aber kaum Spuren, da er hauptsächlich die Entwürfe von Johann Arnold Nehring ausführte.

Dafür sind seine Skulpturen sterbender Krieger, die den Zeiten Weltkrieg fast unbeschadet überstanden haben, die bedeutensten künstlerischen Elemente am Bau.

Im Zeughauskino, ein Treffpunkt für die Liebhaber historischer Filme, gab es Anfang der Woche eine ungewöhnliche Premiere. Gezeigt wurde „Helmut Kohl- das Interview“, ein Film von Stephan Lamby und Michael Rust.

Das Werk entstand an vier Tagen im Frühjahr und Herbst 2003 im Privathaus von Kohl in Oggersheim. Kohl äußert sich offen zu allen ihm gestellten Fragen, über seine politische Laufbahn, seine Machtkämpfe, seine politischen Freunde und Gegner, seine politischen Triumphe, aber auch seine Fehler.

Insgesamt sind es sechs Stunden Film, von denen 90 Minuten gezeigt wurden.

Kohl kommt unkommentiert zu Wort. Neunzig Minuten ist nur sein Gesicht zu sehen. Es ist keine Maske, wie man sie von Politikern gewohnt ist, sondern der Mensch Kohl, dessen größte politische Leistung darin bestand, weltpolitische Entscheidungen auf einer menschlichen Ebene zu verhandeln.

Es gelang ihm, den Vereinigungsgegnern, allen voran Mitterand und Thatcher, auf sehr persönliche Art, die Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland zu nehmen.

Zu den dramatischsten Momenten des Interviews gehört seine Schilderung des Mauerfalls. Kohl war auf Staatsbesuch in Warschau, als er die Nachricht erhielt.

Er musste seinen polnischen Gastgebern klar machen, dass sein Platz in Berlin sei.

Am Abend stand Kohl mit Willy Brandt und anderen Politikern auf dem Balkon des Schöneberger Rathauses, vor dem sich    hauptsächlich die linken Vereinigungsgegner versammelt hatten. Während sich der Rest der Stadt in einem Freudentaumel befand, herrschte hier der blanke Hass, der durch Pfeifkonzerte, Johlen und Parolen den Fernsehteams der Welt ein Zerrbild der Stimmung in Berlin vermittelte.

Unterdessen versuchten die Noch- Machthaber in der DDR, Gorbatschow zu überzeugen, mittels sowjetischer Panzer die Grenzöffnung rückgängig zu machen.

Die Welt stand einen Tag am Abgrund und niemand hat es bemerkt.

(Sendetermine ab 25. 3. in ARD, Phönix, Tagesschau24 und online auf dbate)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.Roth

Ein Politiker wie Herr Kohl hätte nicht viel zur Wiedervereinigung beitragen können, hätte nicht Gorbatschow den Weg dafür geebnet. Auf den Film bin ich gespannt, aber wir sollten darauf achten, Herrn Kohl in dieser Sache nicht mehr Ehrung zukommen zu lassen, als er sich wirklich verdient hat. Gerade im Hinblick auf unsere aktuelle Russlandpolitik tut es einem schon weh, wie schnell wir Deutschen unsere Dankbarkeit gegenüber Russland vergessen haben.

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