Das Glück liegt im guten Gewissen

Wer Krimis ausschließlich zur Entspannung und Unterhaltung liest, sei gewarnt.

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Für diesen Leserkreis ist „Untat“ www.conte-verlag.de/conte-krimi/rohm-untat von Guido Rohm nicht die richtige Lektüre. Der nur knapp 130 Seiten lange Roman lässt einen verstört zurück. Auch am Ende bleiben noch einige Fragen offen, nicht jedes Rätsel wird gelöst.

Versuchen Sie mal in einer x-beliebigen Buchhandlung, einen Krimi mit nur so wenigen Seiten zu finden. Früher war dies leicht möglich. Doch heute tuns die Stars und die Sternchen der Zunft nicht unter 500 Seiten. Kein Wunder, dass die Prosa dann oft eine Menge Fett auf den Hüften hat. Bei Rohm ist dies nicht der Fall. Die Sätze sind kurz, das Geschehen übersichtlich, sechs Tage geben als Kapitel den äußeren Rahmen, es wimmelt nicht von zig Nebenfiguren und –geschichten.

Warum auch? Ein David Goodis oder ein Jim Thompson haben schließlich auch keine dicken Schinken abgeliefert. Trotzdem hat es das neue Buch aus der Feder Rohms guidorohm.wordpress.com, der nach eigener Aussage in Fulda raucht und schreibt, in sich. Worum geht es? Zwei Journalisten, aus deren Perspektive der Roman erzählt ist und die wie siamesische Zwillinge auftreten, bezahlen den schon äußerlich ziemlich widerlichen Berufsverbrecher Oscar dafür, dass sie „live“ bei einer Kindesentführung dabei sein dürfen.

Zunächst sind die Rollen noch klar verteilt. Hier der schmierige Oscar, „eine Mischung aus Peter Lorre und Edward G. Robinson“. Dort die beiden Presseleute, natürlich der Wahrheit verpflichtet und distinguiert. Doch ganz schnell verwischen sich die Konturen. Oscar, der in einer Junggesellenbude voller Bier, Porno- und Gewaltfilme haust, ist der Boss. Die beiden Journalisten folgen ihm leichtgläubig und verlieren sich in seiner Welt. Anfangs stellen sie nur ihre Ernährung auf Oscars Rezeptur (Bier und Chips) um, doch schon bald übernehmen sie auch andere unangenehme Charakterzüge. Sie verwahrlosen körperlich und geistig, dröhnen sich mit Pornos, Alkohol und Zigaretten zu.

An einer Stelle heißt es: „Wir erspielen ein Unentschieden. Wie so oft schon. Wir gleichen uns einfach zu sehr. Unsere Ähnlichkeit in Aussehen und Charakter macht uns zu austauschbaren Personen“. Gemeint sind die beiden Schreiberlinge, doch am Ende ist nicht mehr klar, wer Beobachter und wer Verbrecher ist.

Gibt es den Verbrecher Oscar wirklich? Welche Schuld tragen die beiden Journalisten an der brutalen Entführung des Kindes? Was passiert mit dem Opfer im Keller des Hauses?

Den beiden Medienmännern gelingt die Abgrenzung zum vermeintlichen Täter Oscar immer weniger, fadenscheinig berufen sie sich darauf, bei dessen Verbrechen nur stillschweigende Beobachter zu sein.

An dieser Stelle soll nicht zu viel verraten sein. Doch Sie ahnen wahrscheinlich schon: Diese Geschichte geht nicht gut aus. Auch nicht für den Leser, den bei zunehmender Lektüre, quasi Seite für Seite, ein Gefühl der Beklommenheit und des Unwohlseins beschleicht. Das Glück liegt im guten Gewissen. Hier werden weder handelnde Personen noch Leser glücklich, denn jeder Mensch ertappt sich dabei, schlimme Dinge nur „stillschweigend zu beobachten“, aber mit Sicherheit nicht zu goutieren. Der Schritt zum Voyeurismus ist dann oft nicht weit.

Rohm hat einen sehr guten Krimi geschrieben, der verwirrt und verstört und aus dem sonstigen Einerlei herausragt. Zugreifen, lesen!

Guido Rohm: Untat. Conte Verlag: St. Ingbert 2013. 134 Seiten. ISBN 978-3-941657-78-6. 10,90 Euro.  

 

 

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