Das Gebetbuch Christi - „Meditationen eines Christen“

Das Buch der Psalmen vertieft für den Glaubenden die Einsicht in die „Mechanismen“ der Welt, die Spaemann die „wahre Welt“ nennt, im Gegensatz zur objektivistischen „falschen Welt“, die nichts als existent anerkennt, was sich nicht den Gesetzen der Naturwissenschaft unterwirft.

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Wer das biblische Buch der Psalmen unbedarft liest, der kommt bei seinen Betrachtungen nicht selten an eine Grenze. Da ist oft von Verzweiflungen, von Krankheit, auch von Krieg, vom Flehen um Hilfe an Gott die Rede … alles Themen, die uns auch heute nicht unbekannt sind, aber in einer Sprache, die uns – wenigstens mir – wenig sagt und die es schwer fallen lässt, diese Gebete für mich nutzbar zu machen.

Umso besser, wenn sich jemand jahrelang damit beschäftigt hat, und das genau so aus seiner Position des betrachtenden Glaubens heraus wie auch aus der Position des Theologen und Philosophen. Wobei der Schwerpunkt bei Robert Spaemanns Buch „Meditationen eines Christen: Über die Psalmen 1-51“ eindeutig auf dem ersten Blickwinkel liegt. Die vorgelegten Betrachtungen, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat, aber erst nach Abschluss seiner Lehrtätigkeit veröffentlich wollte, versetzen einen in der Tat in die Situation eines Beters. Dieses Selbstverständnis macht sich Spaemann zu Eigen und das hilft auch dem Leser, dieses Gebetbuch Jesu für sich zu erschließen.

Durchgängig werden bei den Psalmbetrachtungen auch die historischen Zusammenhänge analysiert: In welcher historischen Situation befindet sich der Schreiber, welche persönliche Situation und Beziehung zu Gott beschreibt er. Diese Sichtweise entstammt notwendiger Weise einer vorchristlichen Prägung, was die Bildsprache mitunter schwer verständlich macht. Spaemann versteht es aber, Licht in dieses „Dunkel“ zu bringen, sodass man sich selbst in die Position des Psalmisten hineinversetzen kann.

Der Schwerpunkt der jeweiligen Betrachtungen bildet aber die Christuszentrierung. Hierin findet auch der Name des Buches „Meditationen eines Christen“ seine innere Logik. Der Beter, Spaemann selbst, betrachtet die Psalmen eben nicht mit der Brille eines jüdischen Gelehrten sondern als Christ, der diese Schriften eben auch als das Gebetbuch Christi begreift, der selbst oft – besonders in den Situationen seines Leidens – auf Zitate aus dem Psalmenbuch zurück gegriffen hat. Spannend dabei ist aber auch die Unterscheidung, in welchen Situationen man sich selbst als Beter der Psalmen begreifen kann – besonders in der Situation der Not, des Dankes oder des Gotteslobs – und in welchen Psalmen man eher Jesus selbst beten hören kann – so immer dann, wenn es um das Gebet des „Gerechten“ geht.

Es ist – ich selber habe eine Weile dafür gebraucht – kein Buch zum „Durchlesen“ sondern zum „Durchbeten“. Man lernt nicht nur – wie in den meisten Büchern üblich – den Autor kennen, man liest nicht nur Psalmen, die man bislang noch nicht so oft gehört oder gelesen hat, sondern man lernt einiges über Christus, sein Verhältnis zu Gott, unsere und meine Rolle als Mensch und eben meine Beziehung zu Christus.

Insofern eignet es sich – so meine ich – umgekehrt nicht, einen Menschen vom Glauben an Christus zu überzeugen, es ist kein dogmatisches oder apologetisches Werk, es liefert keine Belege des Glaubens. Es vertieft aber für den Glaubenden die Einsicht in die – ich will es mal so nennen – „Mechanismen“ der Welt, die Spaemann die „wahre Welt“ nennt, im Gegensatz zur objektivistischen „falschen Welt“, die nichts als existent anerkennt, was sich nicht den Gesetzen der Naturwissenschaft unterwirft.

Es ist also, und das ist es, was mich so besonders begeistert hat, und weswegen ich geneigt bin, hier von einem Lesebefehl zu sprechen, ein Buch des Glaubens, ein Glaubenszeugnis des Autors, nur zu verstehen und zu durchbeten im eigenen Glauben und geeignet, den eigenen Glauben im Licht der Psalmen neu zu vertiefen.

Robert Spaemanns „Meditationen eines Christen - Über die Psalmen 1 – 51“ ist im Februar 2014 im Verlag Klett-Cotta erschienen und zwischenzeitlich auch als E-Book erhältlich:

Meditationen eines Christen

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Tim Bieritz

Nun gibt es aber Philosphen, die Descartes Versuch, mittels des Satzes "cogito ergo sum" so etwas wie Gewissheit zu erringen, gekonnt hinterfragen: Sie denken also sind Sie? Sind Sie sich da sicher?

Ja, da denkt etwas in ihrem Kopf, da sind Gedanken, richtig. Aber sind Sie mit diesen Gedanken identisch? Haben Sie eimal versucht nicht zu denken? Was ist dann? Wenn Sie sich diese Fragen ernsthaft stellen, werden Sie, wenn Sie ehrlich sind, vielleicht ins Grübeln kommen ob die kleine Wunderkiste, die wir "Ich" nennen, wirklich so gewiss ist, wie Descartes annahm. Denn irgedentwas ist da. Aber was das ist, was da ist und ob es gewiss ist, dass es da ist, das können wir nicht wirklich wissen? ;-D

P.S. Gehen Sie doch einmal außerhalb der Gottesdienstzeiten in eine (alte) katholische Kirche. Ganz in Ruhe. Setzen sich in eine Bank, oder besser knien Sie und horchen Sie einmal. Vielleicht eine halbe Stunde lang. Nur so als Selbstversuch. Manchen beinharten Atheisten hat dieses Erlebnis schon zur Umkehr bewogen.

Gravatar: Klemens

Dazu müssen sie aber erstmal annehmen, dass wir physikalische Beobachtungen machen können. Das wiederum (obwohl ich das ja glaube) ist natürlich nicht durch Messungen zu beweisen, weil sie ja noch nicht bewiesen haben, dass Messungen gemacht werden können. Ich bitte um einen Beweis.
Die Vorstellung zu verbluten, weil man auf Eis auf die Schnauze fällt ist physikalisch natürlich sehr interessant :D.

Gravatar: Klemens

Was ich ja nur sagen will, ist dass wir im allgemeinen so viele aussagen treffen, die nicht zu beweisen sind - wie es eben Skeptizismus auf die Spitze treibt. Allein bei theologischen Fragen wird man immerzu darauf hingewiesen, wobei das kein Unterschied zu anderen Themen ist. Mit derselben Logik müssten man mich dauernd darauf hinweisen, dass ich nicht sagen darf, dass Bier schmeckt, sondern immer sagen müsste, dass es mir persönlich schmeckt. Das macht Sprache unnötig kompliziert, obwohl die Aussage an sich völlig trivial ist. Wenn man in einem theologischen Kontext redet, ist es trivial, dass man die Existenz Gottes annimmt.

Gravatar: Danton

Das was uns hier verkauft wird ist nicht Meditation sondern allenfalls Kontemplation.

Natürlich gibt es eine transzendente Welt "neben" der "Realität". Oder sollte ausgerechnet hier der in allen Details dieser Welt vorzufindende Dualismus seine Grenze haben - eher unwahrscheinlich...
Und was uns die gelehrten Meditationsmeister aus verschiedenen Richtungen in den letzten Jahrhunderten gelehrt haben ist genauso wissenschaftlich, wie ein mathematischer Beweis. Den versteht man auch erst, wenn man Mathematik studiert. Also fangt an nach authentischen Belehrungen zu meditieren und bildet Euch dann ein Urteil - alles andere ist Gelaber über etwas was man nicht verstehen kann, weil man es nicht gelernt hat.

Gravatar: Freigeist

Werter Herr Klemens,
wenn Sie auf Eis rutschen und auf die Schnauze fallen, dass Sie stark bluten, ist einfach zu beweisen, dass sie das nicht träumen. Wenn Sie meinen würden Sie träumen nur das starke Bluten, würden Sie verbluten, dann wäre schnell auch das Träumen vorbei. Bleiben Sie bei der Physik und lassen Sie Ihre Traumwelten im Roman leben.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Ja, Klemens, die einzige Gewißheit, die ich habe, ist, daß ich existiere. Descartes sagte es so: Cogito, ergo sum. Ich könnte nun in den Solipsismus verfallen, mir einbilden, ich allein existiere, und was ich wahrnehme und erlebe, sei alles nur ein Traum. Das Problem ist nur, daß dieser Traum, wenn es einer ist, davon nicht besser wird und dadurch auch nicht beeinflußt werden kann. Ich ziehe es also vor, das , was ich wahrnehme und erlebe, als Realität zu betrachten, z.B. auch Ihre Existenz. Und wem sollte ich sagen: "ich glaube, es gibt die physikalische Welt"? Wenn es sie nicht gibt, dann existiert auch der so Angeredete nicht, oder nur in meinem Traum. Wenn es sie gibt, und auch der Angeredete von seiner Existenz überzeugt ist, dann lebt er in der gleichen physikalischen Welt wie ich, und er ist ebenso überzeugt von ihrer Existenz wie ich. Ich muß ihm also ihre Existenz gar nicht beweisen. Es ist aber ein Unterschied, ob jemand sagt: es gibt Gott, und damit eigentlich sagt, daß er an Gott glaubt, oder ob ein Spaemann die physikalische Welt die "Falsche" Welt nennt und eine nicht beobachtbare, möglicherweise gar nicht existierende transcendente Welt die "Wahre". Würde er sagen, er glaube an diese transcendente Welt, so wäre das in Ordnung. Behauptet er aber ihre Existenz, so behauptet er gleichzeitig unausgesprochen, daß jeder, der nicht an seine transcendentale Welt glaubt, im Irrtum sei. Daher muß er seine Behauptung beweisen, wenn er ernstgenommen werden will.

Gravatar: Klemens

Wenn Sie schon mit Skeptizismus anfangen, sollten Sie auch konsequent sein. Sie dürften dann auch nur sagen "Ich glaube es gibt die physikalische Welt", weil Sie nicht beweisen können, dass Sie nicht nur träumen.
Es ist trivial, dass jemand glaubt, wenn er sagt "es gibt Gott." Ebenso würde sich keiner aufregen, wenn jemand sagt "meine Frau liebt mich". Kann er das beweisen?
Es ist eine Vereinfachung der Sprache und nicht mehr, wenn man seine Überzeugung als Wahrheit darstellt, weil eben jeder seinen Glauben für wahr hält. Jeder Mensch tut das.
Wenn skeptisch, dann bitte richtig.

Gravatar: Klemens

Ich bin zwar nicht der Herr Honekamp, kenn aber dennoch die Antwort auf die Frage: es gibt nicht einen Autoren, sondern viele. In vielen Psalmen steht dieser am Anfang (Z.b Psalm 3: "Ein Psalm Davids," "als er vor seinem Sohn Absalom floh.")
So weit ich weiß ist nicht die Autorenschaft aller Psalmen bekannt. Die Psalmen waren auch mehr eine Gebetssammlung, die sich so halt durchgesetzt hat und wohl nicht von einer Einzelperson gesammelt wurde.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

"Das Buch der Psalmen vertieft für den Glaubenden die Einsicht in die „Mechanismen“ der Welt, die Spaemann die „wahre Welt“ nennt, im Gegensatz zur objektivistischen „falschen Welt“, die nichts als existent anerkennt, was sich nicht den Gesetzen der Naturwissenschaft unterwirft. "
Die von Spaemann so genannte "objektivistische falsche Welt" ist die Welt, die wir beobachten, erfahren, in der wir leben. Was an dieser Welt "falsch" sein soll, müßte Herr Spaemann mir mal erklären. Es ist unsere reale Welt, wir haben keine andere. Wir nehmen sie mit unseren Sinnen wahr, wir beobachten und messen die Vorgänge in ihr und leiten aus diesen Beobachtungen und Messungen die "Naturgesetze" ab. Dies sind keine "Gesetze" im üblichen Sinne, sondern mathematische Beschreibungen der beobachteten und gemessenen Vorgänge, die es uns erlauben, die zukünftige Entwicklung ausgewählter Vorgänge, ausgehend von bekannten Anfangs- und Randbedingungen, zu berechnen. Diesen "Naturgesetzen" muß sich nichts "unterwerfen", sondern die Dinge geschehen einfach so.
Eine darüber hinausgehende Welt oder Wirklichkeit ist mit unseren Sinnen und auch mit den höchstentwickelten Meßinstrumenten nicht beobachtbar. Es bleibt jedem Menschen unbenommen, an eine solche transcendente Welt zu glauben. Er darf auch sagen: "Ich halte diese Welt für wahr". Wenn er aber sagt: "Diese Welt ist die wahre Welt", so hat er diese Behauptung zu beweisen, auch wenn er Spaemann heißt. Und ein solcher Beweis ist nicht möglich.
Es gibt 5 große Weltreligionen, die alle ihre eigene transcendente Welt errichtet haben. Alle 5 beanspruchen, daß jeweils ihre Welt die Wahre ist. Da diese 5 Weltbilder jedoch miteinander unvereinbar sind, kann höchstens eines wahr sein. Welches? Daraus folgt: Jeder darf sagen:
"Ich halte meinen Glauben für wahr." Niemand darf sagen: "Mein Glaube ist wahr", nicht mal der Papst.

Gravatar: Alexander Scheiner, Israel

Herr Felix Honekamp, warum fehlt in Ihrem sonst interessanten Artikel, wer der Verfasser des "biblischen Buchs der Psalmen" war? Ist das ein Staatsgeheimnis vom Vatikan?

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