Das Elend der Kunstfreiheit

Wer auf einem politischen Flugblatt gegen Moslems, Juden, Christen, Neger oder Homos hetzt, wird juristisch belangt. Wer aus der Hetze ein Theaterstück, ein Gedicht oder ein Gemälde macht, erfreut sich staatlichen Schutzes.

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Die Religionsfreiheit wurde in Deutschland klammheimlich abgeschafft, ohne daß ein Bischof danach gekräht hätte. Sie steht nur noch auf dem Papier. Die Kunstfreiheit als Freiheit anderen Leuten ans Bein zu pinkeln hat bisher vor Gericht immer noch standgehalten. Aber ist sie so wie sie gehandhabt wird sinnvoll und vertretbar?

Richtig geknallt hat es in Paris. Fromme Eiferer haben ein kommunistisches sogenanntes „Satiremagazin“ überfallen und einige Verantwortliche für geschmacklose antireligiöse Karikaturen getötet. Solche nicht nur für Moslems beleidigenden Zeichnungen, wie sie in Paris immer noch regelrecht vom  Fließband als Massenware produziert werden, fallen in vielen Ländern Europas unter die „Kunstfreiheit“.

Wer auf einem politischen Flugblatt gegen Moslems, Juden, Neger oder Homos hetzt, wird auf die eine oder andere Art kaltgestellt. Zuweilen auch juristisch belangt. Wer aus der Hetze ein Theaterstück, ein Gedicht oder ein Gemälde macht, erfreut sich staatlichen Schutzes. Nur ein Beispiel: der beliebte Liedermacher Bushido hatte der grünen Fanatikerin Fräulein Roth in Aussicht gestellt, sie wie einen Golfplatz zu durchlöchern. Auch der in das BER-Bauvorhaben unglücklich verstrickte ehemalige Berliner Bürgermeister fühlte sich durch das homofeindliche Lied „Stress ohne Grund“ beleidigt und klagte. Bushido triumphierte vor Gericht über das linksgrüne Establishment, da er seine Kritik geschickt in Kunst verpackt hatte. Die Homos hatten vor Gericht Stress ohne Grund gemacht. Nichts zu machen!

Bei aller Sympathie für junge arabische Talente und einer Bereicherung der deutschen Kultur durch Ausländer im Allgemeinen habe ich doch Zweifel, ob dahinter eine Logik steckt. Als die Verfassungsväter die Kunstfreiheit beschlossen, war die Kunst noch nicht ganz so verhunzt. Sie hatten wahrscheinlich eher Goethe, Beethoven und Rembrandt im geistigen Auge, als Joseph Beuys, Lady Bitch Ray, die Pussy Riots, Charlotte Roche und Frank Castorf.

Dabei hätten die Väter des Grundgesetzes mißtrauisch sein sollen: Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war durch Provokationskünstler herbeigedichtet, herbeigemalt und herbeigeschrieben worden. In der NSDAP-Führung hatte es geradezu von Künstlern gewimmelt. Die Weimarer Republik war nicht frei von ästhetischer und unästhetischer (liegt im Auge des Betrachters) Provokation. Kunst als Grenzüberschreitung hatte immer schon die Schneise für übergriffige Politiker geschlagen.

Die historische Erfahrung legt die Abschaffung der Kunstfreiheit als Beleidigungsfreiheit nahe. Kunst sollte sich in den selben Grenzen und gesetzlichen Bahnen bewegen, wie das normale bürgerliche Leben auch. Kunstfreiheit ist eine Privilegierung eines Standes, nämlich der Künstler, vor der übrigen Gesellschaft. Solche Privilegien stammen historisch aus der vorbürgerlichen Epoche, wo Serenissimus an Günstlinge und Speichellecker kraft seiner Wassersuppe Privilegien vergab.

Diese Ausnahmenwirtschaft sollte einer Gesellschaft, in welcher die Bürger vor dem Gesetz gleich sind, fremd sein. Weg mit diesen feudalistischen und sozialistischen Denkweisen!

Die wirklich dunkle Seite der sogenannten Kunstfreiheit ist die Kunstfinanzierung. Erhebliche Segmente der Kunst sind steuerfinanzierte Staatskunst und damit definitiv unfrei. Besonders schlimm ist der Film betroffen, nur Klaus Lemke (siehe oben) produziert noch frei ohne Staatsknete. „Ich bin der Einzige, der unabhängige Filme macht, der Rest ist bezahlt von diesen ganzen Fördersystemen“.

1967 wurde die Filmförderung in Deutschland etabliert. Ziel war es, Einfluß auf Themen und Inhalte zu nehmen. Lemke erzählt das so: „Und die Jungs (er meint die Oberhausener um Alexander Kluge) hatten die Idee, dass Film ein Intelligenzbeschleuniger sein könnte, das haben die in ihren Seminaren und bei der Frankfurter Schule gelernt. Und aus dieser Mentalität heraus haben die Filme gemacht, die kein Mensch sehen wollte, die Filme wollte niemand sehen – die Filme der Oberhausener. Und da kommt dieser kluge Doktor Kluge auf die geniale Idee, das Publikum dafür zu bestrafen, dass sie nicht in die Filme der Oberhausener gehen, und geht zum Innenminister und bittet um Förderung für das Kulturgut deutscher Film. Und seitdem ist der deutsche Film nicht existent.“

In der Filmförderrichtlinie des Bundes heißt es: „Der Hersteller des neuen Films hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über Inhalt und Gestaltung des Filmvorhabens, für das die Prämie verwendet werden soll, eingehend zu informieren; er hat insbesondere Drehbuch, Stab- und Besetzungsliste, Kosten- und Finanzierungsplan sowie einen Verleihvertrag oder eine konkrete Darlegung der Verleih- und Vertriebspläne einzureichen.“

Die Auswahl der zu fördernden Vorhaben obliegt bei Anträgen der Jury Produktionsförderung A. Zu diesem illustren Gremium gehören acht Insider, die ihr Geld mit Filmen verdienen.

Lemke sagt dazu: „…das, was die Deutschen initiiert haben in Europa ….nämlich staatliche Förderung, eine unvorstellbare Sache (…), dass der Staat seine schmutzigen Finger im Film drin hat. Vollkommen unmögliche Vorstellung weltweit, nur bei uns ist so was möglich und wird seit 40 Jahren akzeptiert.“

Der Film ist nur ein Beispiel. Genauso sind die Theater betroffen, bildende Künstler betteln um Staatsaufträge, einige Maler malen was die Förderer unbedingt sehen wollen. Stararchitekten leben zu 80 % von Aufträgen der Staatsbauämter. Eine Befreiung der Kunst ist die Befreiung vom Staatseinfluß. Als die Verfassungsväter die Kunstfreiheit ins Grundgesetz gedichtet haben, waren sie froh, daß es Adolfs Reichskulturkammer nicht mehr gab. Diese nationalsozialistische Institution ist seit 1967 über die Förderinstrumente wieder auferstanden: Als straffes Nudging, das Künstler zu willigen Huren des Zeitgeistes macht.

Eine Anekdote aus der Stalinzeit bringt es auf den Punkt: Die Impressionisten malten was sie sahen; die Expressionisten malten was sie fühlten; die sozialistischen Realisten malen was sie hören.

Man kann ergänzen: Die Künstler der Bundesrepublik schaffen, was sie gefördert bekommen.

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