In Österreich sind die Gewerkschaften stark – und waren bis vor rund einem Jahrzehnt auch recht verantwortungsbewusst.
Das sind sie seither nicht mehr, wie die deutlich steilere Steigerung der Lohnkosten im Vergleich zu Deutschland zeigt, das früher immer Richtschnur für die Lohnpolitik des ÖGB gewesen ist. Dass die griechischen, italienischen und französischen Syndikate seit jeher noch viel verantwortungsloser agieren, ist da nur ein geringer Trost.
Umso spannender ist ein neues industriepolitisches Konzept, das die Gewerkschaften nun vorgelegt haben. Und umso enttäuschender ist es: realitätsfern, widersprüchlich und für potenzielle Investoren wie Steuerzahler fruchteinflößend.
Dennoch sollte man auch die positiven Punkte nicht ignorieren. So sehen ÖGB und Arbeiterkammer das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA recht konstruktiv (und lange nicht so populistisch-destruktiv wie die schwarzroten Landeshauptleute); sie lehnen vor allem die wichtigen Schiedsgerichte nicht ab. Erfreulich ist auch, dass im Bildungskapitel nicht mehr die ja völlig bildungsfeindliche Gesamtschule gefordert wird. Und dass die raschere Erteilung von Baugenehmigungen und Abwicklung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verlangt wird.
Aber ansonsten kann man das Paper nur mit entsetztem Kopfschütteln lesen. Denn:
- Da wird gegen „Deregulierung und Flexibilisierung“ polemisiert (als ob nicht die gesamte Industrie unter der Last der Regulierung stöhnen würde).
- Da wird jeder „Kostenwettbewerb“ abgelehnt (als ob auf den Weltmärkten die Kosten und damit Preise irrelevant wären).
- Da wird eine „Erweiterung der Mitbestimmungsrechte“ gefordert (als ob nicht genau diese viele Investoren abschrecken).
- Da wird dem „Steuerwettbewerb“ der Kampf angesagt (was auf Deutsch heißt: noch mehr Steuern).
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Kommentare zum Artikel
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Hier in Deutschland hat die Streik versessene Gewerkschaft Ver.di am Wochenende eine schwere Niederlage hinnehmen müssen und das ausgerechnet von einem ehemaligen Staatsbetrieb, der Deutschen Post. Herr Bsirske hat wohl den Widerstand des Unternehmens völlig unterschätzt und die Kosten drohten Ver.di zu ruinieren. So blieb de facto nur noch die Kapitulation und Ver.di konnte nicht einmal richtig das Gesicht wahren. Der Abschluß liegt deutlich unter dem des öffentlichen Dienstes und Ver.di konnte ebenfalls nicht verhindern, daß die Post die Zustellung künftig über Billigarbeitskräfte abwickelt. Ohne Streik wäre ein besseres Verhandlungsergebnis möglich gewesen. Dem Management der Post muß man danken, daß es kurz- und mittelfristige Verluste in Kauf genommen hat, um langfristig die Profitabilität abzusichern. Streiks dürfte es bei der Post in absehbarer Zeit nicht mehr wieder geben.