Das Deutschland von 1914. Von der europäischen Konföderation zum Weltreich

Ob Deutschland aus Furcht und Verzweiflung oder infolge eines Plans in den Ersten Weltkrieg geriet, ist noch umstritten. Ob Wirtschaft, Rüstung oder Polykratie und innerer sozialer Konflikt dafür dann verantwortlich zeichneten, ebenfalls.

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Heute, 100 Jahre danach, ähneln die Problemlagen unserer Zeit denen von 1914. Ein großer Wurf, ein übergreifendes Bild von Rang und Bedeutung des Deutschen Reichs in der Zukunft, scheinen, nach den Ausführungen des engen Beraters Bethmann Hollwegs, des Universalhistorikers Karl Lamprecht (Leipzig); existiert zu haben. Damit ist den politisch Verantwortlichen zumindest nicht vorzuwerfen, sie wären orientierungslos auf dem Felde der internationalen Politik jener Zeit herumgetaumelt.

Es schält sich heraus, dass der eigentliche Gegner des Reichs England war. Dessen war sich der Kanzler von Anfang an bewusst. Es bleibt dennoch die Grundlinie deutscher Politik - Weltmachstreben plus kontinentale Hegemonie - bis 1914 unverändert. Ebenfalls die Hoffnung auf eine Neutralität des Inselreichs - im Falle des zentraleuropäischen, militärischen Clashs - eine optimistische Variation, die aber der Kanzler, schon im April 1913 (Geh. Reichshaushaltskommission) als für wenig wahrscheinlich erklärte.

Auch zeigt sich am Beispiel Belgien, das Lamprecht für Bethmann Hollweg (vor dem Hintergrund der Kriegszielentwürfe) explorierte, dass die europäischen Staaten, seien es Verbündete oder aber Kriegsgegner, erst nach einer entscheidenden Niederlange Großbritanniens bereit waren, sich einem neuen Deutschen Reich der Zukunft anzuschließen, sei es assoziiert oder im Rahmen einer wirtschaftlichen und (oder) politischen Konföderation. 1914 war sicherlich nicht dass Wunschdatum Berlins für eine derartig tiefgreifende Entscheidung. Aber der fortschreitende Verfall Österreich-Ungarns, der zunehmende finanzielle Belastungen der Reichsfinanzen, verbunden mit einer heraufziehenden Rezession, mit sich brachte, ließ das Schreckbild eines ohne Bündnispartner zum Rückzug gezwungenen Reichs entstehen.

 

Große Fragen, die letztendlich mit dem Entschluß zum Schlachflottenbau von 1891 im Kieler Schloß, zwischen Kaiser Wilhelm II., Bülow und Tirpitz, entstanden. Heute steht Europa in der Opposition zu den USA, die ein vereintes Europa als Weltmachtaspirant fürchten. Finanzkrise und Euroschwäche rütteln an der einzigen, wirtschaftlichen Basis dieser Europäischen Union. Ein Zweibund mit den USA bildete in dieser Hinsicht sicherlich eine Lösung auf Jahrzehnte. Notfalls zunächst unter Verzicht auf eine politische Führungsrolle Europas in der Welt von Morgen. Also wieder eine Parallele zu den Entscheidungen Bethmann Hollwegs gegen Ende des Monats Juni 1914.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Beachten Sie bitte, dass das Proletariat plus Intellektuelle und Künstler - jubilatorisch - in den Krieg zogen. Jubilatorisch in die eigene Vernichtung.
Welch seltsames Wesen sind wir Trockennasenaffen?

Gravatar: fritz

Grossbritannien gibt es nicht mehr. London ist schon zur Hälfte Immigrandisiert. Englisch spricht dort keiner mehr.

Und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Flagge verboten wird weil dort ein Kreuz vorkommt.

fritz

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