Competition Compliance: Regeln zur Einhaltung von Regeln

Competition Compliance-Systeme sind zu einem großen und kostspieligen Thema für Unternehmen geworden. Dennoch tun sie gut daran, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.

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Die Einführung von Compliance-Programmen ist zu einem großen und kostspieligen Thema für Unternehmen geworden. Sie zählen zu den unternehmerischen Governanceregeln. Konkret stehen Compliance-Systeme für die Vermeidung von Korruption sowie von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Regeln im Mittelpunkt. Hinzu kommt die Competition Compliance, um die es in diesem Beitrag gehen soll. Was ist der Hintergrund? Was ist davon zu halten?

Corporate Compliance

Man fühlt sich an die Zeit der ursprünglichen Corporate Governance-Bestrebungen erinnert. Kein Unternehmen konnte sich diesen entziehen, musste sich damit auseinandersetzen, Ressourcen aufwenden, fundierte Erklärungen abgeben, falls eine entsprechende Betätigung nicht stattfand und resultierende Dokumente nicht vorgewiesen werden konnten. Dies galt unabhängig von der Unternehmensverfassung. Die Entwicklungen sind fortgeschritten und heute sind es Compliance-Systeme, die als sichtbarer Teil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung im Vordergrund stehen. Es geht um Regelungen, welche die Einhaltung der für das Unternehmen relevanten Gesetze sicherstellen sollen. Compliance kann also auch als ein Element des unternehmerischen Risikomanagements verstanden werden. Denn die Einhaltung von Gesetzen verringert Rechtsrisiken und damit Unternehmensrisiken. Die Entwicklung hat also zur Institutionalisierung einer Corporate Compliance, meist personifiziert mit einem Compliance Officer – einer Art Regel-Wächter – geführt. Dies gilt längst nicht mehr nur für große und international tätige Konzerne, sondern auch für mittelständische Unternehmen. Die Competition Compliance ist eines der Elemente einer umfassenden Corporate Compliance.

Kartellrechtliche Regeln

Die Competition Compliance hat in jüngerer Vergangenheit mit der Aufdeckung umfangreicher Kartelle mit bekannten Unternehmen und der Verhängung sehr hoher Bußgelder zu größerer Aufmerksamkeit geführt (Vgl. für in den vergangenen Jahren vom Bundeskartellamt verhängte Bußgelder größeren Ausmaßes: Dies hat auch eine Diskussion darüber hervorgerufen, ob Kartelle vorwiegend persönlichem Fehlverhalten zuzuschreiben sind oder auf  Defizite in den institutionellen Strukturen der beteiligten Unternehmen zurückzuführen sind, die ein entsprechendes Verhalten fördern würden.

Das Verbot von Kartellen und kollusiven Verhaltensweisen zählt zu den wesentlichen Elementen von marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen. Die kartellrechtliche Einschränkung von unternehmerischen Optionen und Freiräumen ist erforderlich und akzeptiert, um einzelwirtschaftliche Vorteile zulasten von Konkurrenten, Lieferanten und Kunden sowie der Gesellschaft zu verhindern. Verstöße gegen das Kartellverbot werden nicht nur mit stark angestiegenen Bußgeldern geahndet, sondern die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung des rechtswidrigen Verhaltens ist ebenso gestiegen. Nicht zuletzt hat die Einführung der Kronzeugenregelung dazu beigetragen. Kartelle sind mit Nachteilen für die Volkswirtschaft verbunden, die Aufdeckung des Engagements von Unternehmen in Kartellen mit hohen einzelwirtschaftlichen Kosten. Damit verbundene Unternehmensrisiken sind tatsächlich hoch und steigend.

Kartellrechtliche Verstöße

Zuerst sind die Bußgelder zu nennen, die nach EU-Recht sowie nach deutschem Recht für jedes der kartellierenden Unternehmen bis zu 10% seines weltweiten Gesamtumsatzes erreichen können.  Auch individuelle Sanktionen für involvierte Personen und Organe sind in den meisten EU-Mitgliedsländern möglich. Dazu kommen Schadensersatzansprüche von Geschädigten, auch sie gewinnen an Bedeutung. Kartellrechtliche Verstöße enthalten zudem strafrechtliche Risiken. Verträge, die gegen das Kartellrecht verstoßen, sind zusätzlich unwirksam und können gerichtlich nicht durchgesetzt werden. Schließlich ist von langwierigen Verfahren auszugehen, die in den Unternehmen personelle und finanzielle Ressourcen in Form von Verfahrenskosten binden. Zusätzlich sind die Kosten einer meist langfristig beschädigten Reputation der kartellierenden Unternehmen zu berücksichtigen. Der Anstieg aufgedeckter Kartelle und die Intensivierung der genannten Sanktionen haben dazu beigetragen, das Thema der Competition Compliance auf der Tagesordnung von Unternehmen und ihrer Berater zu halten.

Competition Compliance-Regeln

Competition Compliance-Regeln sollen wettbewerbsrechtliche Delikte – vor allem kartellrechtlicher Natur – mit ihren Risiken und Kosten vermeiden. Sie fußen auf der Vermutung, dass die schiere Existenz kartellrechtlichen Regeln mit ihren Sanktionen für ihre Einhaltung nicht ausreicht. In den Unternehmen lauern vielmehr kartellrechtliche Informationsasymmetrien sowie Anreizstrukturen, die ein Fehlverhalten von Mitarbeitern und des Managements erleichtern. Es geht also darum, ein organisationsbedingtes Fehlverhalten zu erschweren oder zu verhindern. In den Worten der EU-Kommission: “Compliance means respecting the law. In the competition field, it means business proactively respecting competition rules.” Dies soll durch Compliance-Regeln ermöglicht werden, die langfristig zu einer wettbewerbsorientierten Unternehmenskultur und Respekt vor dem Kartellrecht beitragen sollen, unmittelbar jedoch die Prävention fördern und ein pro-aktives Verhalten der Unternehmen ermöglichen sollen. Sie behalten das Heft in der Hand und erhalten Informationen über Regelverstöße noch bevor die Wettbewerbsbehörden sie haben. Sie sind im Idealfall also in der Lage, das Fehlverhalten abzustellen, Korrekturen oder eine Selbstanzeige in die Wege zu leiten.

Competition Compliance-Programme

Unternehmen sind also, unabhängig von ihrer Größenordnung gedrängt, eine klare Competition Compliance-Strategie zu entwickeln und tun dies im eigenen Interesse auch. Die Betonung liegt dabei zunehmend auf Systemen, also dem Aufbau von institutionellen Strukturen und nicht der Durchführung von punktuellen Maßnahmen. Im Vordergrund steht eine strukturierte, meist IT-gestützte Herangehensweise, die die Competition Compliance in die Gesamtorganisation des Unternehmens einbetten soll und die effektive Kontrollmechanismen enthält. Eine fortlaufende Überprüfung und Anpassung ist notwendig. Sowohl auf EU-Ebene als auch in einer OECD-Arbeitsgruppe und im Rahmen der International Chamber of Commerce wurden Hinweise und Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung und Einbettung von Competition Compliance-Programmen entwickelt. Auf diesen Grundlagen wurden inzwischen von Beratungsunternehmen zahlreiche Toolkits mit Compliance-Guidelines und Mitarbeiter-Handbüchern entwickelt, die den Unternehmen angeboten werden und mit einem praktisch handhabbaren Instrumentenkasten beworben werden.

Elemente von Compliance-Systemen

Ein solcher Instrumentenkasten enthält hauptsächlich Präventionsmaßnahmen, die eine Sensibilisierung für kartellrechtliche Tatbestände beinhalten und meist den Aufbau einer Compliance-Organisation mit Budget, Personal und einem Compliance Officer vorschlagen, die Compliance-fördernde Prozesse umsetzen sollen. Dazu kommt die Installierung von Warn- und Kontrollprozessen mit Stichproben, Audits und Sanktionen gegenüber Kartelltätern. Nicht überraschend haben sich auch Compliance-Zertifizierungen herausgebildet, also diverse Siegel für das Competition Compliance-System auf der Grundlage des Nachweises bestimmter Compliance-Elemente.

Die Elemente der Prävention sind vor allem in den kartellrechtlich sensiblen Unternehmensbereichen zu verankern. Im Mittelpunkt stehen eine Risikoanalyse mit der Identifikation von unternehmensbezogenen Risiken, in kartellrechtliche Probleme zu geraten sowie deren bewusste Eingrenzung und Steuerung mittels Schulungen und Dokumentationen. Solche enthalten etwa konkrete Hinweise für eine zulässige Informationsweitergabe oder das Informationsverhalten im Rahmen von Branchentreffs und ähnlichen Veranstaltungen. Ein umfassendes Compliance-System enthält jedoch auch Elemente der internen Kontrolle und Aufdeckung sowie mögliche Maßnahmen der Reaktion. Erstere sollen es ermöglichen ein risikoreiches Verhalten aufzudecken und letztere, sie abzustellen bzw. Sanktionen zu ergreifen und die Kommunikation mit den Wettbewerbsbehörden zu suchen, falls bereits kartellrechtliche Delikte aufgetreten sind.

 Schutz und Anerkennung  

Das Kartellrecht verlangt die Einhaltung der kartellrechtlichen Regeln und mehr nicht. Dennoch ist eine kontroverse Diskussion darum entstanden, wer Competition Compliance-Systeme heute fordert und ob bereits ihre Einrichtung belohnt werden soll oder ob die Vermeidung von kartellrechtlichen Verstößen nicht Belohnung genug sei. Wettbewerbsbehörden wie die EU Kommission und das Bundeskartellamt begrüßen Compliance-Systeme. In der Formulierung der Kommission: „An effective compliance strategy enables a company to minimize the risk of involvement in competition law infringements, and the costs resulting from anti-competitive behaviour.” Auch das Bundeskartellamt äußert sich entsprechend: „Effektive ‚Compliance‘-Maßnahmen helfen den Unternehmen dabei, Kartellverstöße zu verhindern. Falls es dennoch zu einem Verstoß gekommen ist, sind sie die Grundlage dafür, diesen schneller aufklären und abstellen zu können. Sie können damit entscheidend zur Bußgeldvermeidung oder -minderung beitragen, u.a. auch weil das Unternehmen dadurch einen großen Vorteil im Wettlauf um einen Spitzenplatz beim Bonusantrag hat.“

Forderungen

Anders aber sieht es aus, wenn die immer lauter erhobene Forderung der Unternehmen ertönt, die pure Existenz von Compliance-Systemen zu honorieren und zwar in Form einer Bußgeldminderung, wenn ein kartellierendes Unternehmen aufgedeckt wurde. „If an infringement is found, however, the mere existence of a compliance strategy will not be taken into consideration when setting the fine: the best reward for a good compliance strategy is not to infringe the law.” (ec.europa.eu/competition/antitrust/compliance/index_en.html). Eine breitere Diskussion einer “Compliance Defense”, also der bußgeldmindernden Wirkung der Existenz eines Competition Compliance-Systems, fand im Zuge der Vorbereitung einer Reform des Schweizer Kartellgesetztes statt, zu der es jedoch nicht kam.  Eine Belohnung für die Einrichtung eines Competition Compliance-Systems findet also bislang nicht statt. Ein verbreitetes Gegenargument besteht vielmehr darin, dass gerade die Sensibilisierung für ein kartellrechtliches Fehlverhalten, die mit der Competition Compliance u.a. geschaffen werden soll, eine Schonung im Falle der Aufdeckung eines Kartells nicht zulassen würde. Kritiker einer solchen Position befürchten daher eine Unterinvestition in wohlfahrtsfördernde Competition Compliance-Systeme.

Wettbewerbsbehörden belohnen im Problemfall das Vorliegen entsprechender Systeme nicht explizit, sie begrüßen es jedoch. Es hat sich hingegen herausgestellt, dass Unternehmensanalysten, Ratingagenturen, aber auch Geschäftspartner, vor allem bei internationalen Transaktionen, nach Competition Compliance-Systemen fragen, diese einsprechend bewerten und ihr Fehlen bestrafen. Zusätzlich finden sie Eingang in die Liste der Standortfaktoren, wenn Volkswirtschaften hinsichtlich ihrer wettbewerbsfördernden Rahmenbedingungen bewertet werden.

Compliance und Unternehmenskultur

Competition Compliance-Systeme sind also einflussreich geworden und Unternehmen tun gut daran, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dennoch stellen sich abschließend die beiden Fragen, ob sie zur Vermeidung eines kartellrechtlichen Fehlverhaltens notwendig oder gar hinreichend sind? Beide Fragen müssen auf einer grundlegenden Ebene mit Nein beantwortet werden, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass die Tendenz in die Richtung standardisierter und bürokratischer Informations- und Kontrollsysteme geht, die selbst als „Starter Kit für KMU“ recht umfangreich und ressourcenfressend sind. Eine Sensibilisierung für die unzweideutigen Regeln des Kartellrechts sollte in einer marktwirtschaftlichen Ordnung auf allen Hierarchieebenen in Unternehmen vorhanden sein. Dies ist eine Frage der Unternehmenskultur, letztlich auch eine der Unternehmensethik. Wenn der Respekt für den Wettbewerb nicht Teil der Unternehmenskultur ist, wird ihn ein aufgesetztes Compliance-System nicht schaffen, sondern es entsteht die Gefahr, Anreize für seine Umgehung zu nutzen, es als ein Feigenblatt zu missbrauchen. Wenn die formellen Regeln des Kartellrechts mit der Unternehmenskultur konsistent sind, enthält diese die Anreize für ihre Einhaltung, zusätzliche Competition Compliance-Regeln erübrigen sich, wenn von einem Signal an die Unternehmensumwelt einmal abgesehen wird.

Investitionskalkül

Wenn jedoch davon ausgegangen werden müsste, dass die konstituierenden Prinzipien einer Wettbewerbsordnung in den Unternehmen ebenso in Vergessenheit geraten sind wie die Überzeugung, dass Gesetze einzuhalten sind, kann die Effektivität eines formellen Compliance-Systems mittel- bis langfristig über die indirekten Wirkungskanäle der Information, der Einsicht und einer pro-kompetitiven Sensibilisierung gefördert werden. Es käme dann zu einer zu begrüßenden Veränderung der Unternehmenskultur. Man sollte sich davon allerdings auch nicht zu viel versprechen, die Zusammenhänge sind sehr indirekter und allgemeiner Natur. Geradezu schädlich wären Systeme der Competition Compliance hingegen dann, wenn sie zu einem Kalkül einladen würden, das die Investitionskosten entsprechender Systeme mit einem Bonus bei der Aufdeckung eines kartellrechtlichen Vergehens abwägen würden.

Zuerst erschienen auf wirtschaftlichefreiheit.de

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