Christdemokratisches Selbstgespräch

Wo ist bloß der Markenkern der Union geblieben?

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Für ihre Tagung über die „Zukunft der christlich-demokratischen Volksparteien“ hatte sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) das „Haus Erholung“ in Mönchengladbach ausgesucht. Spötter könnten einwenden, dass angesichts der Abgesänge von Medien und Politikwissenschaft auf die „großen“ Volksparteien auch ein „Haus Abendfrieden“ angemessen gewesen wäre. Fünf Stunden lang versuchten Politiker und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland den Beweis anzutreten, dass mit dem baldigen Ende der Volksparteien nicht zu rechnen sei. Was der Tagung ganz erheblich die Würze nahm war der Umstand, dass hier Gleichgesinnte unter sich diskutierten. Wenn überzeugte katholische Priester über die Notwendigkeit des Zölibats sprechen, ist dies ja auch nicht so interessant, als wenn man ein paar Sünderlein auch zu Wort kommen lässt, die am Sinn der zölibatären Lebensweise Zweifel anmelden. Demokratischer Diskurs lebt vom Widerspruch.

 

Es liegt an der Betulichkeit, die die KAS – wie andere politische Stiftungen auch – so häufig an den Tag legt, dass nicht mehr aus dem spannenden Thema gemacht wurde. Warum hatte man nicht den Mut, mal einen leibhaftigen „Piraten“ oder – horribile dictu – „Rechtspopulisten“ zu Rede und Gegenrede einzuladen? So war man nach den ersten zweieinhalb Stunden froh, bei Kaffee und Gebäck erst mal die Lebensgeister wieder ein wenig in Schwung zu bringen.

 

In seiner thematischen Einführung gab Peter Altmaier den etwas gravitätisch auftretenden rheinisch-katholischen Politiker der alten Bundesrepublik. Die Europabegeisterung quoll ihm aus allen Poren, und neben dem häufigen Verweis auf die „Säulenheiligen“ Adenauer und Kohl durfte auch der Hinweis auf die gute Europäerin Angela Merkel nicht fehlen. Die CDU, so der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, müsse sich drei Aufgaben stellen: Sie müsse offensiv für den Euro werben und nationale Egoismen hintanstellen. Sie müsse die Soziale Marktwirtschaft im globalen Maßstab durchsetzen. Und sie müsse sich dem internationalen Umweltschutz widmen.

 

Altmaier betonte, dass die Geburt der deutschen Christdemokratie im Rheinland den Blick nach Europa geöffnet habe. Diesen rheinischen Geist habe man auch in Umzugskisten nach Berlin getragen. Dass die einladende Konrad-Adenauer-Stiftung zur Zeit mit dem geplanten Verkauf ihres traditionsreichen Bildungszentrums Schloss Eichholz in der Nähe von Köln und der großen Stiftungsimmobilie in Sankt Augustin diese rheinischen Wurzeln ziemlich brutal abschlägt, vergaß er – vielleicht aus Takt vor den Einladenden – zu erwähnen. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Basis weiterhin so beharrlich wie die Parteiführung unverdrossen von den „Vereinigten Staaten von Europa“ sozusagen als „Endlösung“ der europäischen Frage träumt.

 

Msgr. Peter Schallenberg von der Katholischen-Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach – eigentlich ein glänzender Redner – musste wegen der etwas langatmigen Einlassungen seiner Vorredner und des wartenden Fliegers nach Rom in nur zehn Minuten beschreiben, was das C in der Christlichen Demokratie bedeute. Die Frage, wie christlicher Glaube in Parteipolitik umzumünzen sei, wollte er erst gar nicht beantworten. Doch sein Hinweis, dass der Lackmustest darin bestehe, wie man sich als Partei zur Frage des wehrlosen menschlichen Lebens am Beginn (Schwangerschaft, Geburt) und Ende (Sterben und Tod) verhalte, zeigt, dass hier in der CDU mittlerweile die Maßstäbe stark aufgeweicht wurden. PID lässt grüßen.

 

Der Klubobmann der ÖVP, Karlheinz Kopf, sorgte für klare Kante in der Debatte. In Österreich nenne man die Fraktion Klub, weil man freundschaftlich miteinander umgehe. Ob dies wohl eine kleine Anspielung auf die Ausfälle des Herrn Pofalla war?  Momentan liege seine Partei in Umfragen wieder hinter der FPÖ, die bei rund 25 oder 26 Prozent in der Wählergunst liege. Wenn man zu sehr nach links rutsche und rot-grüne Leib-und-Magen-Themen kopiere, dann habe eine christdemokratische Partei davon gar keinen Vorteil. Das Schleifen konservativer Positionen führe nur dazu, dass sich die Stammwähler abwenden, während keine neuen „linken“ Wähler hinzukommen.

 

Armin Laschet, Fraktions-Vize der CDU in NRW, gab derweil ohne Schamesröte zum Besten, dass seine Partei in der großen Koalition mit der SPD nicht an Profil verloren habe. Mit der FDP zusammen gehe es sogar schlechter als mit den Sozialdemokraten. Sein Reden über Menschen mit „Zuwanderungsgeschichte“, die Forderung nach mehr Europa und die Verteidigung der Gemeinschaftsschule in NRW, die seine Partei zuvor leidenschaftlich bekämpft hatte, machten es dem Zuhörer schwer, bei Laschet den christdemokratischen Markenkern herauszuhören. Zudem offenbarte er mit seiner scharfen Kritik gegenüber der slowakischen Haltung zum EU-Rettungsschirm ein zweifelhaftes Verständnis von Demokratie. Hier wäre ein Verweis auf den Altkanzler Kohl angebracht gewesen, dem eine so arrogante Haltung gegenüber den „Kleinen“ in der EU sicher nicht unterlaufen wäre. Befriedigt stellte Laschet fest, dass anders als in den Niederlanden oder in Österreich Populismus gegen den Euro oder Europa in Deutschland keine Chance habe. Dass allerdings die rund 80 Prozent der Deutschen, die gegen weitere Rettungsschirmorgien sind, momentan von keiner Partei im deutschen Bundestag in dieser Frage mehr vertreten werden, vergaß er zu erwähnen. Und so wurde der Markenkern der Union auch in Mönchengladbach nicht gefunden.

 

 

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gast

Linker als die SPD, Anti-C, gegen das biblische Familienmodell, welches seit Jahrtausenden sehr gut funktioniert. Gegen die Betreuung der Kinder in den eigenen Familien. Es ist eine Katastrophe. Dabei leben wir in Zeiten, in denen es noch nie so leicht war, christlich-erfolgreiche Lebensmodelle gegen das allgemeine Chaos und die allgemeine Ratlosigkeit in der Familienpolitik einzusetzten.
"Du denkst, die bist reich. In Wirklichkeit bist du arm und nackt", sagt der Herr und könnte gut die CDU gemeint haben.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Die CDU hat damit ein weiteres Mal gezeigt, daß sie unwählbar ist. In Sachen Euro und EU ist sie völlig losgelöst von dem Willen, der Stimmung und den Interessen der Mehrheit des Volkes, und das C in ihrem Namen hat jegliche Bedeutung verloren.

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