Burka-Verbot ist ein doppeltes Gefängnis

Ein Burka-Verbot, wie jetzt in Frankreich beschlossen, kann ich nicht gutheißen. Bringt es doch den Frauen, die in den westlichen, säkularen Gesellschaften leben und gezwungen werden, die Burka zu tragen, rein gar nichts. Ganz im Gegenteil.

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Glaubt denn wirklich irgendjemand, dass all diese Frauen jetzt plötzlich OHNE Burka auf der Straße spazieren? Nein. Sie gehen jetzt gar nicht mehr raus. Sie dürfen jetzt vielleicht gar nicht mehr raus. Die gutgemeinte Hilfestellung, um ihnen zu mehr Rechten zu verhelfen, kehrt sich somit ins Gegenteil. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Männer aus diesen muslimischen Gesellschaften, die ihre Frauen nur in Ganzkörperverschleierung bislang aus dem Haus ließen, sich jetzt plötzlich den Gesetzen der westlich säkularen Staaten beugen. Sie haben es doch auch bisher nicht getan und die Rechte ihrer Frauen mit Füßen getreten. Ein Gesetz dagegen zu machen ist nahezu lächerlich, denn es wird diese Frauen nicht erreichen. Jetzt wird sie vielleicht niemand mehr erreichen. Ja sicher, sie werden aus dem Straßenbild verschwinden. Das mag dem ein oder anderen gefallen. Aber es bedeutet für diese Frauen, dass sie jetzt in einem doppelten Gefängnis leben. Unter der Burka und hinter den Mauern ihrer Wohnung.

Vor drei Jahren bin ich einer Gruppe komplett verschleierter Frauen begegnet. In einem Freizeitpark. 32 Grad im Schatten, mit Horden von Kindern. Ich habe sie angestarrt, sie hatten Spaß. In der Damentoilette hatte ich die Gelegenheit, sie ohne Burka zu betrachten. Es waren junge Frauen, sie waren geschminkt, sie waren bildschön und sie hatten einen guten Tag, auch wenn sie mir bei der Hitze unter den bodenlangen schwarzen Gewändern leid taten.

Was man nicht vergessen darf: Bislang konnten sie noch das Haus verlassen und sich in die Gesellschaft begeben. Sie konnten Kontakt zu anderen Frauen suchen, sie konnten sich Hilfe holen. Es ist doch alt bekannt, dass schon früher die angeblichen Nähkurse, die für türkische Frauen angeboten wurden, oftmals getarnte Deutschkurse waren. Denn zum Nähen durften sie raus. Zum Deutschlernen nicht. Wenn man also nicht auf die Einsicht ihrer Männer hoffen kann, dann muß man doch andere Brücken bauen, als Kleiderordnungen. Anstatt die Brücken alle einzureißen, auf denen diese Frauen bislang Hilfe bekommen konnten. Jetzt dürfen sie vielleicht nicht einmal mehr zum Bäcker nach nebenan.

Und es gibt noch einen Grund, warum ein Burka-Verbot ein falsches Signal ist, das auch Christen, Juden, Hindus und sonstige Religionsgemeinschaften aufhorchen lassen sollte. Es ist ein Gesetz, dass ein religiöses Symbol aus der Öffentlichkeit verbannt. Wir öffnen gerade die Büchse der Pandora und applaudieren uns selber zu ob unserer fortschrittlichen Denkweise.  Was wird denn als nächstes verboten? In Großbritannien gibt es eine Fluggesellschaft, die ihren Stewardessen verbietet, Kreuze um den Hals zu tragen, um keinen Fluggast unnötig mit einem religiösen Symbol zu belästigen. Was ist mit einer Soutane? Was ist mit Ordensschwestern? Dürfen die dann auch nicht mehr in der Ordenstracht in die Öffentlichkeit? Wie sieht es mit einer Kippa aus? Ein Affront? Muß sich der Dalai Lama demnächst bei Frankreich-Besuchen warm anziehen? Wo ist die Grenze? Ich finde, es gibt ganz andere Kleider, die in meinen Augen wirklich verboten aussehen, darf ich aber tragen, ist nur Mode und nicht religiös. Das kann nicht unser Weg sein.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Adorján F. Kovács

@Sandra
Wenn die Burka für alle rechtlich okay ist, warum sollte die Frau dann ins Frauenhaus gehen? Und wenn sie wirklich nicht mehr "rausdarf", wie Sie so schön sagen, ist das Freiheitsberaubung (siehe Frau Kampusch). Doch wohl ein Delikt. Und schließlich freut es mich, wenn deutsche Frauen Verständnis für Schleier, Burkas und Kopftücher haben, mit welchen Zeichen alle Frauen, die sie nicht tragen, als Schlampen bloßgestellt werden sollen. Ich hoffe, Ihnen ist diese (durchaus beleidigende) Bedeutung dieser Zeichen bewusst.

Gravatar: Sandra

Verehrter Herr Kovacs, stell ich mir aufregend vor. Wenn die Muslima in die Polizeistation kommt (falls sie dafür aus dem Haus darf, denn ohne Burka kommt sie ja nicht mehr raus "Du Schatz, ich muß mal rüber zu den Bullen, denn ich will dich anzeigen") um ihren eigenen Mann anzuzeigen. Dann wird die Polizei das sicher durchsetzen, dass sie ab sofort ohne Burka rausdarf. Und anschließend gibts gemütliches Abendbrot. Das ist weltfremd. Tatsächlich muss die Polizei gar nichts durchsetzen. Rein rechtlich. Dafür kann sie die Frau aber bestrafen, wenn sie trotz Verbot das Haus mit Burka verlässt. Die Polizei kann den Ehemann nicht bestrafen. Diesen Kampf - ob nun mit oder ohne Burka - den muss die Frau zu Hause schon selbst ausfechten. Das kann ihr keiner abnehmen. Aber auch für den Gang zum Frauenhaus muß sie irgendetwas anziehen. Und im Zweifel ist es mir lieber, dass sie in der Burka dorthin geht, als gar nicht.

Gravatar: Adorján F. Kovács

Es tut mir leid, einen solchen Unsinn zu lesen. Wie kann man nur eine Ordenstracht mit der Burka vergleichen? Eine Tracht, für die sich ein Teil einer Glaubensgemeinschaft freiwillig entscheidet, weil sie oder er ein Gott gewidmetes Leben führen will, mit einer Verhüllung, die qua Religionsgesetz ALLEN weiblichen Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft (in islamischen Staaten de facto der Hälfte der Gesellschaft) zwangsweise verordnet wird. Ich beziehe hier auch ausdrücklich das Kopftuch o. Ä. mit ein, das ich in öffentlichen Räumen ebenso verboten sehen will. Niemals haben in christlichen Ländern Bekleidungsvorschriften für die Normalbevölkerung gegolten - leider für die Juden, woran die islamischen Bekleidungsvorschriften sehr unangenehm erinnern. Dass nicht alle muslimischen Frauen sich daran halten müssen, ist schon einem gewissen Gegendruck zu verdanken. Diesen Druck soll nun vollkommen zurecht ein Burkaverbot erhöhen. Wenn die Frauen so hübsch und modern und überhaupt toll sind, warum haben sie so bescheuerte Männer geheiratet, die sie in die Burka zwingen? Wenn das Gesetz da ist, können sie, wenn sie das wollen, ja Anzeige erstatten. Dann kann ja dafür gesorgt werden, dass diese Frauen ohne Burka auf die Strasse gehen können.

Gravatar: R.D.Lenkewitz

Die Radikalisierung der Maßnahmen in Frankreich, also Burkaverbot und Roma Ausweisung zeigen die gescheiterte Integration von Minderheiten, die Nerven scheinen blank zu liegen, keiner differenziert mehr. Ihr Beitrag ist in jeder Hinsicht eine positive Differenzierung, der Blick auf die Menschen hinter ihren Schleiern wird geschärft.

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