Bundeswehr - wofür?

Nach dem Tod der drei deutschen Soldaten in Afghanistan kurz vor der Bundestagswahl war die Diskussion über den Sinn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan einmal wieder kurz aufgeflammt, wurde dann jäh in der öffentlichen Wahrnehmung durch den Tod des “King of Pop” verdrängt.

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Nun ist wieder Ruhe an der “Heimatfront”! Doch diese Ruhe ist trügerisch: Beinahe täglich werden deutsche Soldaten im Norden Afghanistans angegriffen, von der Öffentlichkeit entweder gar nicht oder nur “mit freundlichem Desinteresse” wahrgenommen. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Flaggen in Deutschland wieder auf Halbmast wehen, die TV-Anstalten sich – zumindestens für einen Abend – mit Sondersendungen gegenseitig überbieten, um einen Tag später wieder zur Tagesordnung überzugehen. Die Sinnfrage nach dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan bleibt weiter unbeantwortet.

Wir erinnern uns: Ende 2001, unter dem Eindruck des 11. September, stolperte die Regierung Schröder in einen Einsatz, wie ihn die Bundeswehr bis dato nicht erlebt hatte – aus Gründen “der uneingeschränkten Solidarität mit den USA”. Sätze wie “Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt” klingen uns noch im Ohr. Ein Satz, der Jahre zuvor einen Sturm der Entrüstung im bundesdeutschen Blätterwald hervorgerufen hätte!

Zugegeben: Ende 2001 sah die Welt in Afghanistan noch anders aus. Nachdem die USA die Taliban weistestgehend vertrieben hatten war es einfach, der Öffentlichkeit diesen Einsatz als “Stabilisierungsoperation” schmackhaft zu machen. Die Bundeswehr sollte zunächst in Kabul, ab 2004 auch im Norden Afghanistans, humanitär tätig werden, den zivilen Aufbau voran treiben. Einzelne Anschläge auf die Bundeswehr wurden kurzzeitig zur Kenntnis genommen, ja manchmal als schreckliche Unfälle wahrgenommen. Der Norden Afghanistans war “ruhig, aber nicht stabil”. 2004 sprachen die Solaten noch von einem Einsatz in “Bad Kunduz”.

Das ist nun anders! Von Stabilität kann keine Rede mehr sein. Während der Verteidigungsminister a.D. sich noch standhaft weigerte, von “Krieg” zu reden, spricht zu Guttenberg nun von “kriegsähnlichen Zuständen”. Doch die politische Begründung für den Einsatz bleibt gleich: Der Einsatz in Afghanistan – und damit der Kampf gegen den Terrorismus – ist wichtig für die Sicherheit Deutschlands. Es bleibt zu hoffen, dass die Anerkennung dieser “kriegsähnlichen Zustände” dazu führt, die Soldaten bei ihrem Einsatz so auszurüsten, dass sie auch kämpfen können. Dazu gehört die Ausstattung mit geschützten (besser: gepanzerten) Fahrzeugen ebenso wie mit schweren Waffen. Die Kanadier zum Beispiel setzen in Afghanistan mit Erfolg den deutschen Leopard-Kampfpanzer ein, die Bundeswehr lediglich den fast 30 Jahre alten Schützenpanzer Marder (auch wenn der in den letzten Jahre einige Kampfwertsteigerungen erfahren hat). Die in Afghanistan stationierten deutschen Tornado-Flugzeuge dürfen nur aufklären – aber bloss nicht schiessen! Luftunterstützung muss für die deutschen Soldaten über die US-Amerikaner angefordert und genehmigt werden. Dies alles ist den Soldaten vor Ort nicht zu vermitteln und stösst zu Recht auf Unverständnis! Wer einen Auftrag erteilt muss auch dafür sorgen, dass dieser ausgeführt werden kann. Das gilt nicht nur für die Gruppen- und Zugführer der Bundeswehr, sondern auch für die politische Leitungsebene!

Auch die personelle Situation der Bundeswehr für die Einsätze ist nicht gut. Gerade Truppengattungen und Aufgabenbereiche mit spezialisierten Aufträgen wie Operative Information, CIMIC oder Feldjäger (um nur einige zu nennen) können den Einsatzverpflichtungen kaum noch nachkommen. Bei einer Gesamtstärke von ca. 240000 Soldaten ist die Bundeswehr mit derzeit ca. 8000 Soldaten im Einsatz überfordert. Auch das ist niemandem zu vermitteln! Die Bundeswehr muss schnellstens strukturell neu aufgestellt werden, ausgerichtet auf die Einsätze. Dazu gehört unter anderem eine Verschlankung der Führungs- und Ämterstrukturen, um die Kopflastigkeit der Bundeswehr abzubauen und mehr Soldaten für Einsätze stellen zu können.

Dass dies alles nicht von heute auf morgen machbar ist, dürfte jedem klar sein. Eine breite politische und gesellschaftliche Diskussion über die Aufgaben der Bundeswehr wäre schon einmal ein Anfang. Erst wenn Einigkeit darüber besteht, wofür sich die Bundesrepublik Deutschland die Bundeswehr hält, sicherheitspolitische Interessen formuliert sind, kann die Bundeswehr auf diese Interessen und die daraus abzuleitenden Aufgaben hin konsequent ausgerichtet werden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Warner

Sehr geehrter Herr Rissmann,

was Sie ansprechen, zieht sich wie ein roter Faden durch diesen "kriegsähnlichen" Einsatz. Dass die politische Kaste auf dem Rücken der Soldaten Wahlkampf und Ränkespiele betreibt, ist an menschenverachtendem Zynismus nicht mehr zu überbieten. Zu allererst sind hierbei die grünen Gutmenschen zu nennen, die trotz Mitverantwortung so tun, als wären sie schon immer nur in der Opposition gewesen. Die Soldaten haben inzwischen die Wahl, entweder in Handschellen oder im Zinksarg nach Hause zu kommen. Die selbe Ignoranz und Verachtung durch die politische und mediale Kaste, die die Soldaten im Einsatz erleben, erfahren gleichermaßen Polizisten und Lehrer, auch hier keinerlei Rückhalt, immer den Staatsanwalt im Nacken. Wie dieser Staat mit seinen Staatsdienern umgeht, kann nur als deutliches Zeichen des Zerfalls unserer Ordnung gesehen werden. Die Folge für die Staatsdiender ist Dienst nach Vorschrift, Polizisten überlassen die Strasse dem Mob, Lehrer suchen die innere Emigration und die Frühpension.

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