Bundesparteitag: FDP bekennt sich zur Planwirtschaft

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Der Schlüsselmoment des FDP-Bundesparteitags am 7. und 8. Dezember in Berlin war eine Frage an den für das Präsidium kandidierenden Europaabgeordneten Michael Theurer. Warum er denn im europäischen Parlament nicht gegen das Verbot von Mentholzigaretten für mündige Bürger gestimmt hätte, erkundigte sich ein Delegierter sinngemäß. Selbstverständlich sei er gegen das Verbot, antwortete Theurer und selbstverständlich hätten die Liberalen im europäischen Parlament sich entsprechend geäußert. Aber am Tag der Abstimmung selbst sei er nun mal verhindert gewesen. Da er an dieser Stelle nicht einen Todesfall, seine eigene Hochzeit oder ein vergleichbar wichtiges Ereignis zur Entschuldigung anführte, wird wohl auch kein solches vorgelegen haben. Und von solchen Verpflichtungen abgesehen sollte nichts einem Abgeordneten wichtiger sein, als bei Abstimmungen über Gesetze im Parlament teilzunehmen. Denn das ist sein Job, dafür wird er bezahlt und dafür wird er vor allem stellvertretend für die Bürger gewählt. Die legislative Gewalt darzustellen ist Auftrag, Pflicht und das höchste aller Abgeordnetenrechte zugleich. Wer dem ohne guten Grund nicht nachkommt, hat sein Mandat nicht verdient. Denn er schätzt seine eigenen Interessen offensichtlich höher ein, als die seiner Wähler. Diese Haltung prägte leider die Arbeit der FDP in der vergangenen Legislaturperiode und ist ursächlich für ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl. Der Bundesparteitag stellte in dieser Hinsicht, wie nicht nur am Beispiel Michael Theurer deutlich wurde, leider keinen Fortschritt dar.

Viele der noch immer 57.000 Mitglieder werden der FDP aus Überzeugung beigetreten sein. Aber zwischen dem Bekenntnis zu einer politischen Haltung und deren Unterstützung durch die regelmäßige Zahlung von Mitgliedsbeiträgen auf der einen und der aktiven Mitarbeit auf der anderen Seite besteht noch ein Unterschied. Warum eigentlich opfern Menschen ihre Freizeit für abendliche Sitzungen und Versammlungen, für Ehrenämter, für das Kleben von Plakaten und das Verteilen von Flugblättern, obwohl sie ganz genau wissen, letztlich doch keinen Einfluß auf die Programmatik der Partei nehmen zu können? Weil viele dieses Engagement auch als Investition ansehen, die sich irgendwann durch bezahlte Posten und Ämter wieder rechnet. Gerade kleine Parteien wie die Grünen, die Linken und eben auch die FDP haben im Verhältnis zur Mitgliederzahl dort mehr zu bieten, als die großen. Es sind ja nicht nur Regierungsämter und Abgeordnetenmandate auf Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene. Es sind nicht nur Tätigkeiten in der Geschäftsführung und Organisation der Parteigliederung auf allen Ebenen, eingeschlossen die Fraktionen und die Abgeordnetenbüros. Eine jede Regierungsbildung in Deutschland ist mit Umstrukturierungen auf der Ebene der Verwaltung verbunden, durch die viele Positionen im öffentlichen Dienst für verdiente Parteisoldaten freiwerden. Da den kleinen Parteien oft eine politische Schlüsselfunktion zukommt, durch die sie mehr Gewicht erhalten, als ihnen eigentlich zusteht, können sie in diesem Segment besonders erfolgreich wildern. Ein typisches Bundesministerium hat tausend oder mehr Mitarbeiter, ein solches auf Landesebene immer noch hunderte. Hier findet sich das Kapital, aus dem Aktivisten entlohnt werden und auf das diese daher spekulieren. Diese Aussicht hat eine von der Spitze her geführte Partei wie die FDP bislang zusammengehalten und ihren Charakter geprägt.

Einer außerparlamentarischen Opposition aber, einer APO, fehlt diese Perspektive. Sie hat sich anders aufzustellen und neu zu positionieren. Vor diesem Hintergrund war der Bundesparteitag der FDP eine einzige Unterlassungserklärung.

Für eine Partei mit der Aussicht auf Regierungsverantwortung wären allzu radikale Positionen, wäre eine konsequente Opposition natürlich hinderlich. Denn Regierungsfähigkeit bedeutet, Kompromisse in allen tagespolitischen und in vielen grundsätzlichen Fragen eingehen zu können. Hinter aller Parteitagsrhetorik steht daher immer auch die Botschaft an den Gegner und die Wahlbürger, in welchen Feldern wie und mit wem eine Zusammenarbeit möglich oder vorstellbar sein könnte. Man nimmt in gewisser Weise denkbare inhaltliche Schnittmengen in seinen Beschlüssen schon vorweg.

Wenn also im deutschen Bundestag nur Parteien vertreten sind, die in der Europapolitik auf einer Linie liegen, darf man diese nicht verlassen – oder jedenfalls nicht allzu sehr. Die insbesondere durch Christian Lindner erfolgte scharfe Abgrenzung zur AfD, die er als “Bauernfängertruppe” ohne Vernunft bezeichnete, fällt unter diesen strategischen Ansatz.

Nur: Die FDP ist eben keine potentielle Regierungspartei mehr, sie ist APO. Sie kann nichts erreichen, wenn sie weiter dem Establishment hinterherhinkt. Wo genau sich die FDP in der Europapolitik von der vereinigten Sozialdemokratie unterscheidet, weiß man nach dem Parteitag immer noch nicht. Warum sollten Wähler ihre Stimmen daher Lindner und seinen Kohorten geben, immer mit dem Risiko, an irgendeiner Prozenthürde zu scheitern, warum nicht gleich der CDUCSUSPD? Sicher weist die europäische Einigung und weisen auch ein gemeinsamer Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung Vorteile auf. Aber aus der Sicht der APO darf man nicht das verteidigen, auf das man ohnehin keinen Einfluß mehr hat. Man sollte vielmehr zur Kenntnis nehmen, wie Europa letztlich vielen Bürgern tatsächlich erscheint. Nämlich als eine Oligarchie der Bürokraten, die ihren Frust über das Scheitern an der Finanzwirtschaft durch Regulierungswut und Verbotswahn bis hin auf die Ebene der individuellen Lebensgestaltung ausleben. Es kann für eine APO genau nicht um Eurobonds und Maastricht-Verträge gehen, sondern um Glühbirnen, Zigaretten und Staubsauger.

Reden und Handeln passen bei der FDP schon lange nicht mehr zusammen. Der Bundesparteitag änderte daran nichts. Die Vorstellung, man gehöre ja noch irgendwie dazu, zu den staatstragenden Parteien, man wäre ja nicht wirklich weg, durchzog die meisten Redebeiträge auf dem Bundesparteitag. Sowohl in der Aussprache, als auch in den Vorstellungen der diversen Kandidaten. Man will für die “Freiheit” kämpfen. Dann darf man gegenwärtig aber nicht gleichzeitig für dieses Europa sein, dann hat man es zu bekämpfen und zu verändern, statt es zu stützen.

Frank Schäffler hat es mit seiner Kandidatur zum stellvertretenden Vorsitzenden versucht, das stimmt. Aber er ist krachend gescheitert. Man redete über Freiheit, aber der, der für diese streitet wie kein zweiter, war nicht in führender Rolle gewollt. Statt ihn zu integrieren, zwang man ihn in ein aussichtsloses Gefecht gegen die einzige weibliche Kandidatin auf den Spitzenpositionen, die noch dazu Lindners eigenem Landesverband, dem delegiertenstarken NRW entstammt. Seine wenig kämpferische und allzu konsensorientierte Vorstellung war auch nicht geeignet, schwankende Delegierte zu überzeugen. Holger Zastrow hat es kommen sehen und gleich ganz auf eine Kandidatur verzichtet. Ihm ist wichtig, bei der kommenden Landtagswahl in Sachsen unabhängig von der FDP-Spitze agieren zu können. Frei von den inneren Widersprüchen der Partei nicht nur in Sachen Europa, sondern auch und gerade in Sachen Energiewende.

In seiner ersten Rede als neuer Parteivorsitzender führte Christian Lindner aus:

Schwarz und Rot wollen immer schneller die Energiewende bewältigen. Wir haben inzwischen ein aberwitziges Tempo. Wir sollten in Erinnerung rufen: Der Plan ist, daß wir im Jahr 2050 80% der Energie aus Enerneurbaren beziehen und nicht bereits im Jahr 2020, 30, 40. Das überfordert nicht nur unseren Wirtschaftsstandort, es ist auch teilweise schlicht physikalisch nicht möglich, deshalb brauchen wir ein angemessenes Tempo der Energiewende, das sich nach Wirtschaftlichkeit und den physikalischen Möglichkeiten in den Netzen richtet und nicht nach dem Wunschdenken, das am grünen Tisch entsteht – im wahrsten Sinne des Wortes.

Eben, Herr Lindner, der Plan… Wie kann man sich als Hüterin der Marktwirtschaft aufspielen, gleichzeitig aber “den Plan” in einem zentralen Wirtschaftsbereich gutheißen? In Wahrheit zeigt eine physikalische Betrachtung die nicht vorhandene Wettbewerbsfähigkeit der NIE. Eine auf volatilen Quellen beruhende Stromversorgung ist immer teurer, als eine auf konventioneller Basis. Gleichzeitig vermindert sich die Versorgungssicherheit und besonders umweltfreundlich sind NIE aufgrund ihres hohen Flächen- und Materialverbrauches auch nicht. Die Energiewende an sich ist Planwirtschaft, ganz gleich, wie sie nun letztendlich gestaltet wird. NIE weisen gegenüber den etablierten Technologien keinerlei Anfangsvorteil auf. Deswegen können sie am Markt nur bestehen, wenn die Politik regulierend in den Wettbewerb eingreift. Da ist es egal, ob man über Quoten agiert, über Ausbauziele, über EEG-Umlagen oder Marktprämien.

Als Koalitionspartner der Union konnte die FDP die Energiewende nicht verhindern. Sie hätte die Regierung verlassen müssen. Nun aber hat der Wähler gesprochen und der FDP ermöglicht, wozu sie selbst in den letzten Jahren nicht mehr in der Lage war. Nämlich der Rhetorik über Markt und Wettbewerb auch die dazu passende Programmatik hinzuzufügen.  Stattdessen beschließt man einen Leitantrag mit dem Wortlaut:

Die FDP schlägt vor, auf dem Energiemarkt wieder marktwirtschaftliche Strukturen zu etablieren und Subvention sowie Regulierung abzubauen. Dazu haben wir in unserem Wahlprogramm 2013 ein umfassendes Konzept vorgelegt. Das EEG sollte als Sofortmaßnahme für Neuanlagen komplett ausgesetzt werden, stattdessen sollte ein Energiemarkt geschaffen werden, auf dem sich die erneuerbaren Energien integrieren und eigenständig durchsetzen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass bei umweltbelastender Energieerzeugung die externen Kosten angemessen angelastet werden müssen. So kann erreicht werden, dass die Energiewende effizienter und kostengünstiger vollzogen wird. Denn die Strompreisfrage ist für Haushalte wichtig und für Unternehmen zunehmend existentiell geworden.

Grundsätzlich also hält die FDP weiterhin an der Energiewende fest. Man will sie nur anders konzipieren. Es gibt aber kein richtiges Leben im falschen. Wer Marktwirtschaft will, der kann nicht Planwirtschaft gestalten, der muß Planwirtschaft ablehnen und bekämpfen. Der Begriff “Energiewende” ist ein Euphemismus für Planwirtschaft. Konsistent mit ihrem eigenen Anspruch kann eine liberale Partei daher nur sein, wenn sie die Energiewende insgesamt ablehnt. Ohne jede Einschränkung. Ob bestimmte Technologien sinnvoll sind oder nicht, entscheidet der Wettbewerb. Die Überzeugung, dieser könne es besser als Regierungen und Bürokratien, gebietet Konsequenz, zu der die FDP nicht in der Lage ist.

Es ist diese Konsequenz, mit der allein man als APO seine Existenz überhaupt rechtfertigen kann. Indirekt geführte Koalitionsverhandlungen sind für eine Partei in der Lage der FDP kein Gewinn. Auf dem Bundesparteitag hat sie ihre neue Rolle nicht angenommen. Sie hat weder die Gründe ihres Scheiterns verstanden, noch den Grundstein für die Wiederbelebung der liberalen Idee in Deutschland gelegt. Die FDP bekennt sich zur Verschiebung von Gestaltungsmacht auf demokratisch nicht legitimierte europäische Gremien einer- und zur Planwirtschaft im Energiesektor andererseits.  Sie öffnet den Raum für Alternativen. Es bleibt abzuwarten, ob eine Alternative für Deutschland dies auch erkennt und nutzt.

Beitrag erschien zuerst auf: science-skeptikal.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gero Pischke

Dem ist nichts hinzuzufügen,

sehr geehrter Herr Dr. Keller!

Jedenfalls nicht bei diesem Thema.

Eine marktwirtschaftliche Partei müsste sich aber in anderen Themenbereichen für Marktwirtscaft einsetzen: Abschaffung des Kammerzwangs, Abschaffung AGG, Abschaffung Sozialversicherungszwang, Ablehnung Euro-Rettung, Abschaffung Scheinselbstständigengesetz, und und und ...

Die Marktwirtschaft hat schon lange keine Stimme mehr in Deutschland. Ich denke mittlerweile ernsthaft darüber nach aus der FDP auszutreten. Aber wohin ...? PdV? AfD? Freiheit? Alle diese Parteien werden von den linken Demokratiefeinden sofort niedergegrölt und diffamiert ohne Ende. Wirklich schlimm! Ich befürchte, wir gehen bösen Zeiten entgegen.

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