Der Verfasser dieser Tagebuchnotiz heißt Michael Klonovsky. Er weist die Vermutung, „dass hier ein erzkonservativer Autor coram publico Frust schiebt“, energisch zurück. Er sei keineswegs ein Konservativer. „Sondern ein Reaktionär, das heißt: ein Konservativer, der keinen Wert mehr darauf legt, von irgendwem eingeladen zu werden.“ Klingt etwas kokett, aber mindestens so hübsch wie das amerikanische Bonmot, ein Demokrat sei ein Republikaner, der noch nicht überfallen wurde.
Für den 4. Juli 2012 findet sich ein knapper Eintrag: „Auch die diesjährige documenta steht wieder unter dem bewährten Motto: Bastelanleitung im Irrenhaus.“ Für einen anderen Tag die lakonische Schnurre: „Im Klassik-CD-Geschäft sah ich ein Schild ‚Alte Musik: Neuheiten’.“
Ähnlich die Notiz vom 27. November: „Auf der Website einer Künstlerin gelange ich unter ‚News’ auf die einerseits fidel-dämliche, andererseits aber eines Philosophen würdige Unterabteilung ‚Aktuelle News’. Ohne die Holde jetzt da oder dort rubrizieren zu wollen: Meine Neugier gilt schon seit geraumer Zeit den inaktuellen ‚News’, ja, ich stoße zuweilen sogar mit kindlicher Begeisterung auf ‚News’, die schon mehr als 2000 Jahre alt sind.“
Klonovsky, geboren 1962 im Erzgebirge, aufgewachsen in Ost-Berlin, gelernter Maurer, seit 1992 in wechselnden Funktionen beim „Focus“, Autor u.a. einer Chronik der Wiedervereinigung, einer Philippika gegen das Verdunsten der Männlichkeit und einer Aphorismensammlung, hält auch das Copyright auf den entzückenden Begriff „Ewigmorgiger“. Dafür bekam er anno 2000 den Medienpreis für kreative Wortschöpfungen der Wörterbuch-Redaktion „Pons“. Die Wortklauber wussten damals noch nicht, wes Geistes Kind sie da auszeichneten.
15 Jahre später darf man annehmen, dass dieser für Genderforschung, Korankulturbereicherung und Regenbogenfamilienglück wohl weitgehend verlorene weiße Mann nicht nochmals ein Stück Lametta aus irgendeiner Mainstream-Schatulle erhält. Seine Wikipedia-Biografie ist von fleißigen Antifa-Kräften gründlich kontaminiert worden. Was einen Menschen nicht wundern darf, der Sentenzen wie diese verfasst: „Ein besonders krasser Fall ‚gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit’ ist der ‚Kampf gegen rechts’“.
„Bitte nach Ihnen – Reaktionäres vom Tage“ heißt die gedruckte Sammlung von Klonovskys Einträgen ins Internet-Tagebuch „Acta diurna“ der Jahre 2012 bis 2014. Vorbild sind unverkennbar jene Notate, die der von Klonovsky geschätzte, 1999 verstorbene Journalist, Publizist und Aphoristiker Johannes Gross im „FAZ-Magazin“ veröffentlichte. Aber keine Bange. Wem das Gross’sche „Pathos des Unzeitgemäßen“ (Joachim Fest) als manchmal arg blasiert aufstieß – der ehemalige Gabelstaplerfahrer, Sportplatzwart und Korrekturleser Klonovsky ist ein weitaus geerdeterer Flaneur auf dem Boulevard des Zeitgeistes.
Herr K. ist gebildet (was er manchmal zu sehr raushängen lässt) und schreibt belesen (gelegentlich, wie Gross, mit etwas zu weit abgespreiztem kleinen Finger). Vor allem aber ist er ein Breitbandempfänger. Eine Napoleon-Biografie, die Karriere eines Porno-Darstellers oder eine politische Quasselshow – etwas springt für ihn immer heraus. Im letzteren Fall ein Eintrag wie dieser:
„Wie ich dem gestrigen Talkshow-Auftritt einer Schauspielerin namens Demirkan entnehme (ihre Paraderolle wäre, glaube ich, die Zeit-Abonnentin), ist die Weltsicht des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky ‚rassististisch’.(...) Es ist erstaunlich, mit welcher Regelmäßigkeit die aggressiv wohlmeinenden Problemzukleisterer und Wunschweltenbesiedler in hiesigen TV-Runden ideale Sprechsituationen und gesicherte Mehrheitsverhältnisse vorfinden, wobei im Fall Demirkan/Buschkowsky besonders abgeschmackt war, dass die Wolkenkuckucksheimbewohnerin den Praktiker und Zustandskenner Buschkowsky belehren zu dürfen meinte, wie er die Sozialisierung seiner in die Tausende gehenden Integrationsphobiker zu bewerkstelligen habe.“
Das Wutgeschnaube, welches Klonovskys Prosa bei den Ewigmorgigen zuverlässig auslöst („Die Zeit“: „Sinnsprüche als Feinderklärung“), hat mehrere Ursachen. Zum einen ist die Figur Klonovsky eine stete Kränkung für das Heer der anständigen, zivilgesellschaftlich wertvollen, d.h. im Zweifel linksdrehenden Feuilletonisten. Zu dumm aber auch: Da schreibt einer, der grundfalsche Ansichten hegt, so florettierend und pointensicher wie wir! Manchmal sogar besser! Diese Kränkung ist eine narzisstische; sie kann unmöglich verziehen werden.
Zweitens, der Mann reanimiert ein Genre, das längst marginalisiert, niedergebrüllt, in Grund und Boden denunziert zu sein schien: konservative Kulturkritik. Johannes Gross (ein Konservativer, der immer eingeladen werden wollte und wurde), war einer der letzten prominenten Vertreter dieser Gattung. Für welche in der frühen Bundesrepublik die Namen Caspar von Schrenk-Notzing, Matthias Walden, William S. Schlamm oder, später, Joachim Fest standen.
Ab 1972 wurde der Verdacht, jemand sei konservativ (womöglich gar streng- oder erzkonservativ) im bundesdeutschen Blätterwald zum Karrieregift. „Welt“ und „FAZ“ hielten noch eine Zeit lang die Stellung, wurden aber ab den späten 1980ern ebenfalls vom Morbus Prantl befallen. In der Welt, erzählte mir kürzlich mal einer ihrer Redakteure, wünsche sich die Hälfte der Redakteure nichts sehnlicher, als bei der „SZ“ anheuern zu dürfen. So lesen sich manche Stücke auf Springers schlingerndem Flaggschiff denn auch. Wie Bewerbungsunterlagen im Transit nach München.
Und bei der Lektüre der FAZ, wo das Feuilleton noch immer schirrmacherisch keck das zweite Buch okkupiert hält, glaubt man manchmal, sich in die „Jungle World“ verirrt zu haben.
Die Staatsfunkanstalten? Dort sind bekennende Konservative so zahlreich unterwegs wie Klimawandelskeptiker bei Greenpeace.
Heute beschäftigt das eine oder andere Periodikum noch den einen oder anderen Alibi-Konservativen wie Fleischhauer, Matussek oder Martenstein, und sei es bloß als Clickbait für die Internet-Tochter. Wer aber frisch von der Uni anträte, um mit konservativem Gedankengut seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, könnte auch gleich Hartz IV beantragen.
Zurück zum Buch. Klonovskys Tagebucheintrag vom 16. August 2014:
„Die Streichung sämtlicher Subventionen für die Bühnen dieser Republik würde zwar die Kultur des Landes nicht fördern, aber ihre weitere Demolierung stoppen. (...) Vor allem die jungen Menschen, die ganz unbefangen und vor allem ungeschützt auf einer Gegenwartsbühne zum ersten Mal eine Wagner-Oper oder ihr erstes Schiller-Drama erleben, also von diesen bösartigen Regieclowns gewissermaßen ästhetisch entjungfert werden, können einem leid tun, weil ihnen solche Zauber-, Flucht- und Gegenwelten auf die obszönste Weise versperrt werden.“
Tja. Wer so etwas in diesem Land zu Papier bringt, der benötigt einen einträglichen Brotberuf und ein liebendes Weib. Klonovsky hat beides. Ich wünsche ihm, dass es so bleibt.
Michael Klonovsky: Bitte nach Ihnen. Lichtschlag in der Edition Sonderwege, 22,80 €
http://www.amazon.de/Bitte-nach-Ihnen-Reaktionäres-2012-2014/dp/3944872134
http://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna
Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Keine Kommentare