Buback: Der zweite Tod meines Vaters

7. April 1977 Zermatt. Gründonnerstag - ein herrlicher Frühlingstag. Erschöpft und glücklich kommt Michael Buback vom Skilaufen zurück zum Hotel. Seine Frau empfängt ihn auf der Treppe und führt ihn zum leeren Frühstücksraum. Dort eröffnet sie ihm bleich und entsetzt: „Die haben deinen Vater erschossen.“ Seine erste Reaktion: „Was?“ Und dann: „Diese Schweine!“

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Der Vater, Generalbundesanwalt Siegfried Buback, war von einem RAF-Kommando erschossen worden. Auf offener Straße. Die Mörder saßen auf einem Motorrad. Zusammen mit seinem Vater wurden auch dessen Begleiter Georg Wurster und sein Fahrer Wolfgang Göbel getötet. Bei der Rückfahrt an der Schweizer Grenze fragt ihn der Beamte, ob er von der Ermordung seines Namensvetters gehört habe. Nach der ersten Schockstarre erklärt Michael Buback dem Grenzer: „Es ist mein Vater.“ Im Rückblick war dies für den Sohn der Zeitpunkt, an dem er „die neue Situation angenommen hatte“. Für Michael Buback war dies der erste Tod seines Vaters.

Wer ist dieser Michael Buback? Seit 1981 ist er Professor fuer Angewandte Physikalische Chemie an der Universität Göttingen. 1995 übernahm er die C4-Professor für Technische und Makromolekulare Chemie. Der international geschätzte Wissenschaftler ist Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1989 wurde er mit dem Carl-Duisberg-Gedächtnispreis der Gesellschaft Deutscher Chemiker geehrt. 2007 erhielt er die Bunsen-Denkmünze sowie die H. F. Mark-Medaille des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik. Ebenfalls 2007 wurde er mit der Erskine Fellowship geehrt, verbunden mit einer Gastprofessur an der Universität in Christchurch, Neuseeland (s. wikipedia).

Vor der Niedersachsenwahl 2003 gehörte er dem Schattenkabinett von Christian Wulff an. Als parteiloser Kandidat für das Amt des Wissenschaftsministers. Nach der Wahl musste er aus Gründen des Regionalproporzes dem CDU-Politiker Lutz Stratmann aus Oldenburg weichen.

Michael Buback sieht nicht nur aus wie sein Vater - er handelt auch wie er. Korrekt und beeindruckend konsequent. Ein Bürger, der Fragen stellt, sich nicht mit Lügen und ersichtlichen Falschinformationen abspeisen läßt. Selbst, wenn diese von „ganz oben“ kommen.

7. April 2007 Karlsruhe. Michael Buback spricht am Gedenkstein für die Opfer des Verbrechens. Es sei aus Sicht der Hinterbliebenen nicht hinnehmbar, die Tat lediglich einer Gruppe zuzuordnen. Pauschal. „Zu wissen, wer geschossen hat, spielt für die Angehörigen eine große Rolle.“

Kurz zuvor hatte ihm das Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock mitgeteilt, die als Buback-Mörder verurteilten Folkerts und Klar seien am Attentat auf seinen Vater nicht beteiligt gewesen. Das hatte ihn aufgeschreckt. Auf Falschinformationen zum offiziellen Tathergang war er bereits 1977 gestoßen. So verlautbarte das Innenministerium in Stuttgart nach dem Mord (Pressemitteilung 79/1977):

„Der Generalbundesanwalt hat jedoch einen ständigen Begleitschutz abgelehnt und sich nur in einzelnen Fällen von einem Polizeibeamten begleiten lassen.“ Michael Buback fand heraus, dass dies eine Lüge war. Das Gegenteil war der Fall. Sein Vater hatte vielmehr ausdrücklich auf die Verschärfung der Sicherheitslage - seine Person betreffend - hingewiesen. Gleichwohl zog der Sohn die offizielle Darstellung der Abläufe im Grundsatz nie ernsthaft in Zweifel.

Was Michael Buback indes seit April 2007 über die Tat in akribischster Recherche herausfand, ist so ungeheuerlich, „dass man so etwas nicht glauben kann, vielleicht auch nicht will,“ wie er es formuliert.

Tatzeugen wurden vorsätzlich ausgeblendet. Danach war eine Frau die Todesschützin. Dies, obwohl RAF-Mitglied Verena Becker mit der Tatwaffe und Werkzeug des Tatmotorrades vier Wochen später festgenommen wurde. Ihr Haar fand sich im Helm des Todesschützen.

Zur Täterschaft wurden in den Medien eindeutige Falschinformationen verbreitet. Die Spitzen von Bundesanwaltschaft, BND und BKA kollaborierten offensichtlich mit Tätern aus der RAF-Szene. Inzwischen ist die Angelegenheit so heiß, dass Innenminister Schäuble die Akte Buback sperren liess. „Zum Wohl des Bundes!?“

Ist nicht das höchste Gut jedes wahren Rechtsstaates die Wahrheit? Warum wird sie im Fall Buback derart dreist vergewaltigt? Warum werden die Mörder des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof vom Staat gedeckt? Wer wird hier geschützt?

Für den Sohn ist dies „Der zweite Tod meines Vaters.“ Sein Buch stellt unseren „Rechtsstaat“ auf den Kopf. Einziger Trost: Michael Buback lebt - noch...

 

Michael Buback – „Der zweite Tod meines Vaters“Droemer Verlag Muenchen 2008 ISBN 978-3-426-27489-7

www.hans-joachim-selenz.de

 

 

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