Bojanowski und die Klimafanatiker

Da mediale Aufmerksamkeitszyklen wesentlich hochfrequenter verlaufen als etwa der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt oder gar klimatische Veränderungen unserer Umwelt, sind besondere Maßnahmen erforderlich, um ein Thema dauerhaft in den Schlagzeilen zu verankern.

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Spätestens seit 2001 verfolgt das IPCC eine entsprechende Taktik. Jeder Bericht wird in drei Teilen angeboten, die mit mehrmonatigem Abstand unter entsprechendem Tamtam der Öffentlichkeit einzeln präsentiert werden. Zu jedem der Teile gibt es zudem eine Zusammenfassung (Summary), die schon Wochen vorher durch gezielte PR-Aktivitäten Debatten schürt und Erwartungen weckt. Und wenn sich dann die Journalisten wieder anderen Themen zuwenden, erfolgt mit mehr als einem Jahr Verzögerung die Veröffentlichung einer Synthese aus allen drei Teilwerken, die natürlich auch noch von einer eigenen Summary begleitet wird.

Spiegel-Redakteur Axel Bojanowski ist schließlich aufgefallen, wie willig man als Journalist diesen hingeworfenen Stöckchen hinterherspringt. Reflexhaft immer wieder aufs Neue, auch wenn es gar nichts Neues zu berichten gibt. Er beginnt seinenvieldiskutierten Artikel jedenfalls mit den Worten (Hervorhebung durch mich):

Unter weltweitem Mediengetöse hat der Klimarat IPCC in den letzten 13 Monaten drei umfassende Berichte herausgebracht, die den Stand des Wissens darlegen. Jetzt das Finale. In Kopenhagen hat die Uno den IPCC-Synthesereport veröffentlicht, er soll das Wichtigste aus den drei Klimaberichten sammeln, neue Kenntnisse enthält er keine. Mit knapp 120 Seiten ist er etwa so lang wie die Zusammenfassungen der drei bereits publizierten Klimaberichte zusammen, allesamt als “Zusammenfassungen für Entscheidungsträger” betitelt.

Neue Erkenntnisse, jedenfalls für den journalistischen Mittler zwischen IPCC und Publikum stellen sich aber doch ein. Wenn man das System einmal hinterfragt. Denn faktisch sind die Summaries nicht einfach nur Inhaltsangaben. Sie sind – höflich ausgedrückt – Interpretationshilfen. Die vielen tausend zusammengetragenen Seiten der Hauptberichte kann das IPCC wunderbar als Beleg dafür anführen, die Öffentlichkeit doch umfassend über den Stand der Erkenntnis informiert zu haben. Politisch neutral und vollkommen sachorientiert. Man möchte aber eigentlich nicht, daß Menschen diese ausführlichen Darstellungen als Grundlage zur eigenen Meinungsbildung nutzen. Man möchte mit den Berichten eine Meinung machen. Und dies gelingt durch die Summaries. Denn wer nur die Zusammenfassungen liest, erfährt kaum noch etwas über Unsicherheiten und Wissenslücken. In den Zusammenfassungen ist die Klimakatastrophe mit allen ihren Folgen eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache – und die umfassende Transformation der Gesellschaft daher eine zwingende Notwendigkeit.

Auch das hat Bojanwoski mittlerweile bemerkt. Besser spät als nie, möchte man sagen. Lange genug gedauert hat es jedenfalls:

Doch während die vorigen Klimaberichte über weite Strecken streng den Sachstand mit all seinen Widersprüchen darstellen, unterschlägt der neue Synthesereport wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse. Das Vorgehen fällt besonders auf bei Prognosen zu den komplexesten Umweltbereichen, etwa zum Getreidewachstum, der Energieversorgung oder zu Konflikten.

Um diesen Umstand zu belegen, greift er sich das Thema Artensterben heraus.

Besonders deutlich wird die Verzerrung bei den Aussagen zum vorhergesagten Artensterben:

Krass zeigt sie sich in der 40-seitigen Zusammenfassung des Reports für Entscheidungsträger. An zwei Stellen wird das Artensterben darin besprochen (Seite 10 und 13). Die Rede ist dort ausschließlich von hohen Risiken; die erheblichen Unsicherheiten der Prognosen und gravierenden Wissenslücken zum Thema werden nicht erwähnt – sind sie nicht relevant für Entscheidungsträger?

Eine geschickte Wahl, denn gerade die Vorstellung einer aktuell stattfindenden Aussterbewelle im Tier- und Pflanzenreich ist nahezu nicht belegt. Nur ein paar zehntausend Arten von möglicherweise mehreren Millionen sind ausreichend untersucht. Das Artensterben ist eine spekulative Hochrechnung, beruhend auf Plausibilitätsbetrachtungen, die mal mehr und mal weniger valide erscheinen. Zählbare Leichenberge in Fauna und Flora sind jedenfalls nicht aufzufinden. Und eine Nettobetrachtung hätte die Arten auf der Habenseite zu berücksichtigen, die es nur (noch) gibt, weil der Mensch sich um sie kümmert. Der Panda jedenfalls wird erfolgreich am Aussterben gehindert, obwohl er vielleicht einfach die Schnauze voll hat. Mit zusätzlichen Annahmen über den Verlauf eines Klimawandels wird die Angelegenheit dann noch spekulativer als ohnehin schon.

Im Synthesereport selbst steht dann zur Prognose:

Eine globale Erwärmung von vier Grad oder mehr seit Beginn der Industrialisierung (ein Grad ist bereits erreicht) bedeute ein hohes bis sehr hohes Risiko eines beträchtlichen Artensterbens, sie würde die Rate des Artensterbens erhöhen. In die Prognose der Modellierungen bestehe “hohes Vertrauen” (Seite 25, 34).

Ich habe keine Ahnung, welche Ausgabe der Synthese Bojanowski vorliegt. Auf den Seiten 25 und 34 der Download-Fassungfindet sich jedenfalls nichts zum Artensterben. Die düsteren Aussichten werden auf den Seiten 71 (Text), 72 und 73 (Grafiken) geschildert. Ich vermute, Bojanowskis Zusammenfassung basiert auf folgender Passage:

A large fraction of terrestrial, freshwater and marine species faces increased extinction risk due to climate change during and beyond the 21st century, especially as climate change interacts with other stressors (high confidence). Extinction risk is increased relative to pre-industrial and present periods, under all RCP scenarios, as a result of both the magnitude and rate of climate change (high confidence). Extinctions will be driven by several climate-associated drivers (warming, sea-ice loss, variations in precipitation, reduced river flows, ocean acidification and lowered ocean oxygen levels) and the interactions among these drivers and their interaction with simultaneous habitat modification, over-exploitation of stocks, pollution, eutrophication and invasive species (high confidence). {WGII SPM B-2, 4.3-4, 6.1, 6.3, 6.5, 25.6, 26.4, Box CC-RF, Box CC-MB}

Eine eindeutige Warnung ohne Konjunktive, die auch im weiteren Verlauf der Synthese in keiner Weise relativiert wird. Bojanowski hat dazu herausgearbeitet:

Das hingegen schreiben die Experten im jeweiligen Fachkapitel des Uno-Klimareports dazu:

Klimamodelle können diverse Schlüsselprozesse hinsichtlich der Artenentwicklung nicht darstellen, die Anfälligkeiten von Arten gegenüber dem Klimawandel wesentlich beeinflussen – beispielsweise: Die Fähigkeit der Anpassung von Erbgut und äußeren Merkmalen an neue Umweltbedingungen, die Fähigkeit zur Ausbreitung, die Dynamik von Populationen, die Effekte der Fragmentierung von Lebensräumen, die Wechselwirkung von Lebensgemeinschaften, Mikro-Rückzugsgebiete, den Effekt steigender CO2-Konzentrationen auf Vegetation (Seite 299/300).

In der Tat finden sich im Bericht der Arbeitsgruppe 2 (Teil A) auf den Seiten 299 und 300 lange Ausführungen zu den Unsicherheiten. Dieser Absatz mag Bojanowski motiviert haben:

Many papers published since AR4 argue that the uncertainty may be even higher than indicated in syntheses of model projections, due to limitations in the ability of current models to evaluate extinction risk (e.g., Kuussaari et al., 2009; Pereira et al., 2010; Dawson et al., 2011; McMahon et al., 2011; Pearson, 2011; Araujo and Peterson, 2012; Bellard et al., 2012; Fordham et al., 2012; Hannah, 2012; Kramer et al., 2012; Zurell et al., 2012; Halley et al., 2013; Moritz and Agudo, 2013). Models frequently do not account for genetic and phenotypic adaptive capacity, dispersal capacity, population dynamics, the effects of habitat fragmentation and loss, community interactions, micro-refugia, and the effects of rising CO2 concentrations, all of which could play a major role in determining species vulnerability to climate change, causing models to either overor underestimate risk. In addition, difficulties in model validation, large variation in the climate sensitivity of species groups, and uncertainties about time scales linking extinction risks to range reductions also lead to large uncertainty in model-based estimates of extinction risk.

Fazit: Bojanowski weist zurecht auf die lückenhafte Darstellung in der Synthese hin.

Ein weiterer Punkt:

Im Synthesereport steht zu Beweisen aus der Vergangenheit:

Die derzeitige und vorhergesagte Geschwindigkeit des Klimawandels verläuft viel schneller als natürliche Klimawandel-Ereignisse während der vergangenen Millionen Jahre, die bereits deutliche Artensterben ausgelöst haben. Deshalb gibt es eine starke Basis für die Annahme, dass der Klimawandel ein Risiko für Lebewesen darstellt (Seite 14, 25).

Ich finde das auf Seite 13:

Future risk is indicated to be high by the observation that natural global climate change at rates lower than current anthropogenic climate change caused significant ecosystem shifts and species extinctions during the past millions of years.

Bojanowskis Zusammenfassung der diesbezüglichen Passagen im Hauptbericht lautet:

Paläontologische Daten der vergangenen Jahrhunderttausende zeigen sehr geringe Aussterberaten während größerer Klimaschwankungen. Diese Belege könnten darauf hindeuten, dass die Vorhersagen sehr hoher Aussterberaten übertrieben sein könnten (Seite 301). Während der Eiszeit gab es, wie auch der erste Teil des Uno-Klimareports darlegt, in größeren Teilen der Welt Klimaschwankungen von zehn Grad in 50 Jahren, also 20-mal schneller als im 20. Jahrhundert – größere klimabedingte Artensterben sind nicht dokumentiert. Womöglich weil die Klimaschwankungen vor allem höhere Breiten betrafen (Seite 432ff im 1. Teil und S.280).

Seite 301:

Finally, evidence from the paleontological record indicating very low extinction rates over the last several hundred thousand years of substantial natural fluctuations in climate—with a few notable exceptions such as large land animal extinctions during the Holocene—has led to concern that forecasts of very high extinction rates due entirely to climate change may be overestimated (Botkin et al., 2007; Dawson et al., 2011; Hof et al., 2011a; Willis and MacDonald, 2011; Moritz and Agudo, 2013).

Seite 280:

Rapid, regional warming before and after the Younger Dryas cooling event (11.7 to 12.9 ka) provides a relatively recent analogy for climate change at a rate approaching, for many regions, that projected for the 21st century for all Representative Concentration Pathways (RCPs; Alley et al., 2003; Steffensen et al., 2008). Ecosystems and species responded rapidly during the Younger Dryas by shifting distributions and abundances, and there were some notable large animal extinctions, probably exacerbated by human activities (Gill et al., 2009; Dawson et al., 2011). In some regions, species became locally or regionally extinct (extirpated), but there is no evidence for climate-driven global-scale extinctions during this period (Botkin et al., 2007; Willis, K.J. et al., 2010).

Fazit: Auch hier hat Bojanowski das IPCC korrekt wiedergegeben.

Im Synthesereport steht zu konkreten Szenarien:

Das erwartete Aussterben wird ausgelöst von diversen Klimaphänomenen wie Erwärmung, schrumpfenden Flüssen, Ozeanversauerung und Sauerstoffverknappung in Gewässern. Ursache des Aussterbens ist sowohl die Schnelligkeit als auch die Stärke der Erwärmung (Seite 26).

Manche Arten mit begrenzten Anpassungsfähigkeiten, besonders in der Arktis und in Korallenriffen, sind bereits bei einer Erwärmung von zwei Grad im Vergleich zum derzeitigen Klima gefährdet (Seite 29).

Hier verarbeitet Bojanowski Aussagen aus dem Text und aus Diagrammen. Ich finde entsprechende Angaben auf Seite 71:

Risks of harmful impacts on ecosystems and human systems increase with the rates and magnitudes of warming, ocean acidification, sea-level rise and other dimensions of climate change (high confidence). […]By the mid-21st century, under 2°C global warming relative to pre-industrial temperatures, shifts in the geographical range of marine species will cause species richness and fisheries catch potential to increase, on average, at mid and high latitudes (high confidence) and to decrease at tropical latitudes and in semi-enclosed seas (Figure 2.6A) (medium confidence).

Insbesondere Abbildung 2.6A bestätigt Bojanowskis Interpretation. Die entsprechenden Ausführungen im Hauptbericht summiert er wie folgt:

Arbeiten seit dem letzten Klimareport 2007 haben die Fähigkeit der Klimamodelle infrage gestellt, das künftige Risiko von Artensterben vorherzusagen; die Unsicherheiten sind deutlicher geworden. Die Ergebnisse der Modelle gehen weit auseinander, und sie sind schwer zu prüfen. Die Unsicherheiten könnten größer sein als in Modellen dargestellt, weil wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt werden (Seite 295, 299, 300).

Während der letzte Klimareport von 2007 noch vorhersagte, dass bei einer globalen Erwärmung von zwei bis drei Grad seit Beginn der Industrialisierung 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzen auszusterben drohten, macht der neue Klimareport keine konkreten Prognosen mehr – die Unsicherheiten sind zu groß (Seite 299/300). Das bedeutet freilich keine Entwarnung, es weist schlicht auf einen erheblichen Kenntnismangel hin.

Auf Seite 295 kann man in der Tat folgendes lesen:

In contrast, uncertainties concerning attribution to climate change of recent global species extinctions, and in projections of future extinctions, have become more apparent since the AR4.

Von Seite 300 möchte ich folgende Passage herausstellen:

There is, however, low agreement concerning the overall fraction of species at risk, the taxa and places most at risk, and the time scale for climate change-driven extinctions to occur. Part of this uncertainty arises from differences in extinction risks within and between modeling studies: this uncertainty has been evaluated in AR4 and subsequent syntheses (Pereira et al., 2010; Warren et al., 2011; Bellard et al., 2012; Cameron, 2012). All studies project increased extinction risk by the end of the 21st century due to climate change, but as indicated in AR4 the range of estimates is large. Recent syntheses indicate that model-based estimates of the fraction of species at substantially increased risk of extinction due to 21st century climate change range from below 1% to above 50% of species in the groups that have been studied (Pereira et al., 2010; Bellard et al., 2012; Cameron, 2012; Foden et al., 2013). Differences in modeling methods, species groups, and climate scenarios between studies make comparisons between estimates difficult (Pereira et al., 2010; Warren et al., 2011; Cameron, 2012).

Fazit: Bojanowskis Zusammenfassung ist zutreffend.

Als letztes greift Bojanowski aus der Synthese heraus:

Zahlreiche Arten haben ihre Verbreitungsgebiete und saisonale Aktivitäten bereits aufgrund des Klimawandels verlagert. Gleichwohl: Nur beim Aussterben weniger Arten könnte der Klimawandel bislang eine Rolle gespielt haben (Seite 14).

Ich finde das auf Seite 53 wieder:

Many terrestrial, freshwater, and marine species have shifted their geographic ranges, seasonal activities, migration patterns, abundances, and species interactions in response to ongoing climate change (high confidence). While only a few recent species extinctions have been attributed as yet to climate change (high confidence), natural global climate change at rates slower than current anthropogenic climate change caused significant ecosystem shifts and species extinctions during the past millions of years (high confidence).

Aus dem Hauptbericht liest Bojanowski heraus:

Es besteht geringes Vertrauen in die Schlussfolgerungen, dass bereits einige Arten durch den Klimawandel ausgestorben sein könnten, so eventuell beim Verschwinden zentralamerikanischer Amphibien (Seite 300). Soeben wurde allerdings bekannt: Eine angeblich vom Klimawandel ausgerottete Schnecke ist wieder aufgetaucht. Die allgemein höhere Aussterbegeschwindigkeit von Arten der letzten Jahrzehnte hat andere Gründe als den Klimawandel: etwa Landwirtschaft, Waldrodung, Jagd und Fischerei (Seite 295/300).

Seite 300:

Most extinctions over the last several centuries have been attributed to habitat loss, overexploitation, pollution, or invasive species, and these are the most important current drivers of extinctions (Millennium Ecosystem Assessment, 2005b; Hofmann and Todgham, 2010; Cahill et al., 2013).

[…]

Owing to low agreement among studies there is only medium confidence in detection of extinctions and attribution of Central American amphibian extinctions to climate change. While this case highlights difficulties in attribution of extinctions to recent global warming, it also points to a growing consensus that it is the interaction of climate change with other global change pressures that poses the greatest threat to species (Brook et al., 2008; Pereira et al., 2010; Hof et al., 2011b). Overall, there is very low confidence that observed species extinctions can be attributed to recent climate warming, owing to the very low fraction of global extinctions that have been ascribed to climate change and tenuous nature of most attributions.

Auch hier hat er richtig gelesen.

Hinweise auf die großen Unsicherheiten, die mit der Prognose eines Artensterbens verbunden sind, wurden aus dem Hauptbericht nicht in die Zusammenfassung (Summary for Policymakers, SPM) und auch nicht in den Synthesereport übernommen. Das ist Axel Bojanowski aufgefallen, das hat er korrekt belegt und in seinem Artikel thematisiert.

Nur ist das nichts überraschend Neues. Es ist üblich für nahezu alle Unsicherheiten hinsichtlich aller Fragestellungen und für alle IPCC-Berichte. Es ist integraler Bestandteil der Arbeitsweise dieses UNO-Gremiums, das ja nicht eine wissenschaftliche Debatte führen, sondern ganz bestimmte politische Entscheidungen forcieren möchte. Aufregend an Bojanowskis Artikel ist daher nicht die Tatsache selbst, sondern die Thematisierung durch einen Mainstream-Journalisten, der bislang nicht als Klimaskeptiker aufgefallen ist. Zumindest ist mir kein wirklich skeptischer Artikel von Axel Bojanowski bekannt. Und auch der hier besprochene weist ja überdeutlich darauf hin, wie besorgniserregend der Klimawandel doch sei und daß man aus Unsicherheiten keinesfalls ableiten dürfe, es gäbe keine Risiken.

Nun könnte ein unvoreingenommener Leser durchaus zu der Erkenntnis gelangen, hier würden Risiken phantasievoll konstruiert statt wissenschaftlich belegt. Diese Befürchtung mag ursächlich sein für die Kampagne, der sich Bojanowski ausgesetzt sieht.

Die “Klimaretter” jedenfalls haben sich den Artikel ebenfalls vorgenommen und kommen zu völlig anderen Ergebnissen als ich. Wie ist das nun zu erklären? Die Vorwürfe der Klimaretter lauten:

… für jenen Teil der Leserschaft, der tatsächlich bis hierher durchgehalten hat – oder der gleich hierher gesprungen ist. Bei seiner Attacke auf den IPCC – jedenfalls soweit wir sie nachprüfen konnten – tut Axel Bojanowski viererlei:

     

  • Sorgfältig gewählte Formulierungen des IPCC übersetzt er unpräzise.
  • Beim Kürzen von IPCC-Zitaten lässt er just solche Details wegfallen, die die Grundthese seines Artikels erschüttern könnten.
  • Er zieht Passagen aus den Fachkapiteln heran, die dem Synthesebericht bei genauer Betrachtung gar nicht widersprechen. Aus Passagen der Fachkapitel, die den Synthesebericht stützen, zitiert sein Text nicht.
  • Quellenangaben zu den (vermeintlichen) Belegen lässt er weg, sodass die ganzen Vorwürfe nur schwer oder gar nicht nachprüfbar sind.
  •  

Eine “Attacke” auf das IPCC kann ich in Bojanowskis Ausführungen nicht erkennen. Und zu den vier Kritikpunkten möchte ich ausführen:

     

  • Bojanowski “übersetzt” überhaupt nicht. Er faßt längere Passagen aus den Berichten für den üblichen Online-Schnelleser in kurzen Sätzen zusammen. Das Problem sind hier wohl eher Vorgaben der Chefredaktion hinsichtlich der Länge von Artikeln und der Komplexität von Formulierungen, denen er unterworfen ist.
  • Die Grundthese seines Artikels ist gerade nicht, es gäbe kein Risiko eines klimawandelbedingten Artensterbens. Die Grundthese ist, daß das IPCC in seinen Zusammenfassungen die in den langen Berichten aufgeführten Unsicherheiten nicht wiedergibt. Und dies belegt er mit den entsprechenden Textstellen. Es geht also nicht um Widersprüche, sondern um Unvollständigkeiten.
  • Mittlerweile sind ja Quellenangaben vorhanden. Aber auch ohne die Seitenzahlen findet man bei genauem Hinsehen die entsprechenden Passagen schnell. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis genügt. Wie ich oben gezeigt habe, ist alles nachprüfbar.
  •  

Man mag gerne einwenden, diese Kritik am IPCC sei überzogen, weil eine Summary eben eine solche ist und daher natürlich nicht den Inhalt des Hauptberichtes in voller Länge wiedergeben könne. Nur: Dessen sollte man sich dann auch bewußt sein. Und seine Haltung zur Klimapolitik gerade nicht aus den Zusammenfassungen ableiten, sondern aus den vollständigen, umfassenden Darstellungen. Bojanowskis Text erfüllt hier eine wichtige Funktion, indem er vielen Menschen überhaupt erst die einseitige Auswahl der Inhalte der Summaries verdeutlicht. Wenn die Klimaretter, wenn die Unterzeichner der Petition gegen Bojanowski und wenn jemand wie Herrmann Ott schon darin verwerfliche “Klimaskepsis” erkennen, dann entlarven sich einmal mehr Aktivisten als Fanatiker. Für Fundamentalisten ist eben nicht nur die Botschaft sakrosankt, sondern auch der Verkünder derselben.

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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