Bloß nicht auf Pump?

Die scharz-gelbe Koalition kassiert Senge, weil sie Wohltaten auf Pump finanzieren will. Selbst hartnäckige Wohlfahrtsstaatsverfechter kritisieren das Schuldenmachen. Doch die wichtigste Frage nach dem Sinn der Projekte stellt sich kaum jemand.

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Angenommen in ihrer Familie kommt eine Debatte über den Kauf eines eigenen Fahrzeugs auf die Tagesordnung. Was ist ihre erste Überlegung? Fragen sie sich erst, ob sie überhaupt ein Auto benötigen oder übergehen sie dieses Problem gleich mit einem Streit über die Art der Finanzierung? Wahrscheinlich steht die Diskussion über die Nützlichkeit der Investitionsentscheidung im Vordergrund.

Doch die Debatte um die im Koalitionsvertrag beschlossenen Ausgabenpläne scheint einer anderen Logik zu folgen. Statt sich bei jeder Maßnahme der Frage nach der Sinnhaftigkeit zu stellen, wird gleich auf die Finanzierungsmethode eingedroschen. Ja, die frischgebackene Koalition will gleichzeitig die Steuern senken und die Staatsausgaben erhöhen, was zwangsläufig zu höheren Schulden führt. Doch eine Schuldenzunahme macht das geplante Ausgabenprogramm ebenso wenig zu einer schlechten Entscheidung, wie ihr persönlicher Neuwagenkauf nur deshalb keine gute Idee ist, weil sie dafür einen Kredit aufnehmen. Es kommt in erster Linie darauf an, wofür sie sich verschulden, weniger darauf, ob sie sich verschulden.

Warum ist die Frage nach der Verwendung öffentlicher Ausgaben wichtiger als die Frage nach ihrer Finanzierung? Lassen sie mich das an einem Beispiel aus Steven Landsburgs Buch „The Armchair Economist“ erläutern:

Konsumausgaben lassen sich auf unterschiedliche Arten finanzieren. Eine Möglichkeit besteht in der Barzahlung eines Konsumgutes in Höhe von sagen wir 100 Euro, eine weitere Möglichkeit in der Finanzierung über einen Verbraucherkredit in Höhe von 100 Euro zu einem vorab festgelegten Zinssatz von beispielsweise 10 Prozent. Eine dritte Alternative besteht darin, einen Kredit aufzunehmen, ohne jedoch jemals an eine Tilgung zu denken und stattdessen lediglich Jahr für Jahr die anstehenden Zinsen zurück zu zahlen. Welche Zahlungsalternative ist vorzuziehen?

Ausgehend von einem Haushaltsbudget von 1000 Euro käme man zu folgender Antwort: Bei Konsumverzicht würde sich innerhalb eines Jahres einen Zinsertrag von 100 Euro ergeben und das Budget auf 1100 Euro erhöhen. Der Konsum würde dieses Budget reduzieren. Doch haben die drei unterschiedlichen Alternativen einen Einfluss auf die Abnahme des Budgets? Unter Alternative 1 reduziert sich der Jahresanfangsbestand von 1000 Euro um 100 Euro und die verbleibenden 900 Euro werfen im Laufe des Jahres einen Zinsertrag von 90 Euro (900 Euro x 10 %) ab, so dass sich das Gesamtbudget am Jahresende auf 990 Euro summiert. Einhundert Euro wurden für den Konsum verausgabt und 10 Euro sind entgangener Zinsertrag aufgrund dieser Barzahlungsalternative. Die Wahl der Kreditfinanzierung in Alternative 2 lässt dagegen das Haushaltsbudget aufgrund der Zinserträge um 100 Euro (1000 Euro x 10 Euro) auf 1100 Euro ansteigen, macht aber am Jahresende eine Kreditrückzahlung inklusive Schuldzinsen von 110 Euro erforderlich. Auch hier verbleiben 990 Euro. Schließlich besteht die dritte Möglichkeit in einem nicht rückzahlbaren Kredit, für den lediglich der Schuldzins zu entrichten ist. Bei dieser Alternative ist es notwendig 100 Euro zum Zinssatz von 10 % anzulegen, um am Jahresende über den Schuldzinsbetrag von 10 Euro zu verfügen, sonst würde das Haushaltsbudget kontinuierlich verbraucht. Sie haben 1000 Euro verzinslich angelegt und ihr Budget auf 1100 Euro erhöht, doch stehen ihnen 110 Euro davon nicht zu Verfügung. Das verbleibende Haushaltsbudget beträgt auch hier wieder 990 Euro.

Man kann es drehen und wenden wie man will, keine der möglichen Finanzierungsalternativen hat in diesem Beispiel einen Einfluss auf die finanzielle Belastung des Haushaltes durch die Konsumentscheidung und deren zeitliche Verteilung. Zwar mögen dieser Konsumentscheidung reifliche Überlegungen über Vor- und Nachteile voran gegangen sein, doch ist sie einmal getroffen, verändert die Art und Weise ihrer Finanzierung nichts mehr an ihrer Bewertung.

Selbstverständlich gilt dieses Beispiel nur unter der Prämisse, dass der betreffende Konsument auch an seine zukünftige Kostenbelastung oder die seiner Nachkommen denkt und es ihm eigentlich egal ist, ob er die Finanzierungskosten seines Konsums heute oder in der Zukunft zahlt. Natürlich sind diese Prämissen etwas unrealistisch, weshalb eine steigende Staatsverschuldung ebenso ernstzunehmende makroökonomische Konsequenzen haben kann wie eine übermäßige Besteuerung der Bürger. Aber eines macht dieses Beispiel und damit das Aquivalenztheorem von Ricardo-Barro klar: Verschuldung ist nicht per se problematisch, sondern nur unter sehr spezifischen Bedingungen. Das gilt auch für die Staatsfinanzen. Nicht das Wie der Finanzierung ist von vorrangigem Interesse, sondern was finanziert wird.

Wer bislang der Meinung war, der Staat solle ruhig allerlei Wohltaten verteilen, ohne hierbei genau auf den Sinn und Zweck des Ganzen zu schauen, der darf sich jetzt nicht über das Schuldenmachen von Schwarz-Gelb aufregen. Jedes einzelne der neuen Ausgabenprojekte gehört auf den Prüfstand, egal ob es auf Pump oder durch Steuererhöhungen finanziert werden soll. Die politische Orientierung der Verantwortlichen spielt bei der Frage nach dem Sinn der Projekte mit Sicherheit keine Rolle.

 

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