Betreuungs-Klartext

Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfamilienministerin Köhler: Betreuungsgeld als erster Schritt zur Wahlfreiheit bleibt unverhandelbar.

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18. Dez. 2009

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Ministerin,

die anhaltende öffentliche Diskussion um das Betreuungsgeld mit zunehmend sachfremden Argumenten veranlasst uns, in einer gemeinsamen Stellungnahme grundlegende Tatsachen in Erinnerung zu rufen:

1. Eltern haben das Selbstbestimmungsrecht für die Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 GG).
2. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem "Kinderbetreuungsurteil" vom 10. November 1998 die Wahlfreiheit unterstrichen und entschieden, dass der Staat jede von den Eltern gewählte Betreuungsform gleichermaßen fördern muss und  keine Form der Betreuung einseitig bevorzugen darf.

Die Unterzeichner erwarten, dass die Bundesregierung dieser Entscheidung nachkommt.

Es hat uns gefreut, dass Sie selbst sich in den letzten Tagen jeweils deutlich zur elterlichen Wahlfreiheit und zum Betreuungsgeld bekannt haben. Gleichwohl wird das Betreuungsgeld, das ab 2013 Müttern und Vätern gezahlt werden soll, die sich selbst der Pflege und Erziehung ihrer Kinder während der ersten drei Lebensjahre widmen, immer wieder als politisch unverantwortlich und rückschrittlich kritisiert, da es „traditionelle Geschlechterrollen“ zementiere.

Wir weisen deshalb darauf hin, dass das Betreuungsgeld - als Geldleistung - ein hart erkämpfter Kompromiss ist, mit dessen Infragestellung auch das Krippenausbauprogramm wieder auf die politische Tagesordnung kommen würde.

Bei der öffentlichen Diskussion um Fremdbetreuung wird übersehen, dass

- mehr als 70 Prozent der Eltern wünschen, ihr Kind in den ersten Lebensjahren selbst zu versorgen und zu erziehen und es nicht in eine Fremdbetreuung geben wollen,
- die NICHD Langzeit- und Großstudie hinreichend erwiesen hat, dass Krippenerziehung mit beachtlichen Risiken verbunden ist,
- Schweden 300 Euro, Norwegen 450 Euro, Frankreich und Finnland einkommensabhängig zum Teil noch viel höhere Erziehungsgelder an selbsterziehende Eltern zahlen und zwar ohne Geldmissbrauchsdiskussion.

Wir weisen entschieden zurück, dass die elterliche Betreuung als gesellschafts-politischer Rückschritt dargestellt wird. Im Gegenteil ist nach aktuellem Stand der Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung eine sichere Mutter-/Vaterbindung Voraussetzung für die Bildungsfähigkeit und gesunde Entwicklung des Kindes.

Es ist nicht akzeptabel, dass manche interessierte Gruppen ihre Vorstellung einer flächendeckenden Krippenbetreuung für alle Eltern durchsetzen wollen. Eltern muss die Freiheit erhalten bleiben, selbst untereinander die häusliche und außerhäusliche Arbeit auszuhandeln ohne bevormundet zu werden.

Das Betreuungsgeld ist eine Anerkennung für die Erziehungsleistung von Eltern und ein erster Schritt in Richtung verfassungsgemäßer Wahlfreiheit. Außerhäusliche Krippenbetreuung wird heute aus Steuermitteln mit über 1000 € monatlich pro Krippenplatz staatlich subventioniert. Es ist nicht hinnehmbar, dass selbsterziehende Eltern, die dafür teilweise auf Erwerbseinkommen verzichten, finanziell doppelt belastet bleiben, indem sie die von ihnen nicht genutzten Krippenplätze noch mitbezahlen, ohne dafür wenigsten einen geringfügigen Ausgleich von 150 € zu erhalten.

Wir fordern deswegen, dass das Betreuungsgeld, wie geplant kommt und in bar ausbezahlt wird.

Mit freundlichen Grüßen

 

Hedwig Frfr. v. Beverfoerde - Initiative Familienschutz (Zivile Koalition e.V.)
Wolfgang Bergmann - Institut für Kinderpsychologie und Lerntherapie Hannover
Liudger Berresheim - Bundesvorstand Deutsche Zentrumspartei
Odila Carbanje - Stellv. Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL)
Mathias v. Gersdorff - Aktion Kinder in Gefahr (DVCK e.V.) 
Horst Hennert - Chefredakteur Erziehungstrends
Birgit Kelle - Vorsitzende Frau 2000plus e.V. und Vorsitzende Lobby Leben e.V.
Reinhard Klein - Hilfe zum Leben Pforzheim e.V. und Bürgerliste Büchenbronn
Eckhard Kuhla - AGENS, Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechterdemokratie
Christiane Lambrecht - CDL Bayern
Siegbert Lehmpfuhl - Team.F . Neues Leben für Familien e.V. 
Martin Lohmann - Sprecher d. Arbeitskreises Engagierter Katholiken (AEK) für d. CDU und Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL)
Christa Meves - Verantwortung für die Familie e.V. 
Maria Steuer - Familiennetzwerk (Familien e.V.)
Dr. Albert Wunsch, Erziehungswissenschaftler, im Vorstand des Familienbundes im Erzbistum Köln
Barbara Zukunft-Huber,  Kinderphysiotherapeutin

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael von Prollius

Die derzeit praktizierte Familienpolitik ist das Gegenteil von dem, was die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft beabsichtigt haben. Sie haben allerschwerste Bedenken gegen die Einführung des Kindergeldes erhoben.
Welches Recht bildet eine tragfähige Begründung dafür, dass der Staat private Betreuungsformen fördert? Es ist naiv, sich darüber zu wundern, dass der (in der Familienpolitik) Geld "gebende" Staat anschließend auch die Lebensweise diktiert.
Das Ergebnis ist eine Blockade des Marktzugangs für private Anbieter, die Verschleierung von Kosten und Leistungen und ein ewiges, undankbares Gezerre um immer mehr Umverteilung. Wilhelm Röpke nannte das "perverse Sozialphilosophie" - mit Recht.

Gravatar: Friedemann

Bravo, ein sehr klar formulierter offener Brief an die Frauen Merkel und Köhler, dem nur wenig zuzufügen wäre, Freifrau von Beverfoerde!

Zufügen würde ich das Risiko, dass alle Eltern ab 2013 einen Krippenplatz beanspruchen könnten und nicht nur das geplante Drittel. Der vom Staat aufzubringende Betrag würde sich dann verdreifachen und qualifiziertes Krippenpersonal müsste in Hau Ruck Aktionen beschafft werden, was zusätzliche Kosten für die Ausbildung sowie die Ausbildungsstätten erfordern würde, also ein zigfaches des Betreuungsgeldes. Die Staatsverschuldung würde allein dadurch um einen hohen zweistelligen jährlichen Milliardenbetrag vergrößert werden. Ein Betreuungsgeld von 300 Euro wie in Schweden würde alternativ lediglich 6 Milliarden kosten. Außerdem würde ich auf die steigende Zahl von Entwicklungsstörungen bei Kindern hinweisen, die natürlich unterschiedlichste Ursachen haben, zu denen aber Krippenerziehung, zumal wenn die Bedingungen nicht exelent sind, also ein Betreuungsschlüssel von 1:3 eingehalten wird, einen Anteil haben. Augenblicklich wird der vorgeschriebene Betreuungsschlüssel von 1:6 nur selten eingehalten. Entwicklungsstörungen bei Kindern kosten den Staat ebenfalls zweistellige Milliardensummen jährlich.

Aber das sind einige Ergänzungen, die die Qualität ihres Briefes in keiner Weise schmälern. Nochmals meine Anerkennung und Dank für Ihre Mühen!

Gravatar: Kopfschüttel

@ Frau Beverfoerde
Bei der ersten Kritik gleich von "Katholiken-Schmähen" zu sprechen ist allerdings auch nicht gerade ein Zeichen von klarem Verstand. das ist übrigens eine immer wieder zu beobachtende Haltung hier. Es wird Kritisiert und Gefordert, sobald jemand widerspricht zieht man sich dann auf den armen Katholiken oder Christen zurück, der von der Gesellschaft geoppt wird.

Gravatar: Stefan Lorenz

Erstens:

Durch eine solche Maßnahme wird die Erwerbsarbeit von Frauen effektiv verhindert. Das hat zwei Gründe:
1. Aufnahme einer Erwerbsarbeit wird zunehmend unattraktiv, die Transferleistungen marginalisieren den Unterschied zwischen Unterstützung und selbst erwirtschaftetem Einkommen.
2. Die Mittel die in eine "Herdprämie" investiert werden fehlen beim Ausbau einer wirklich effektiven und flexiblen Kinderbetreuung. So wird die Aufnahme einer Arbeit zusätzlich erschwert.

Daraus ergeben sich unterbrochene Erwerbsbiografien und niedrigere Rentenansprüche sowie geringere Beiträge zu allen Sozialversicherungen. Die nicht aufgenommene Erwerbsarbeit verursacht also Opportunitätskosten auf staatlicher Seite, diese werden in ihrer Argumentation nicht berücksichtigt. Diese Kosten entstehen nicht nur jetzt sondern über die gesamte Lebenszeit, müssen also von den Kindern erneut getragen werden.

Zweitens verringert das Betreuungsgeld die Integration vieler Migranten. Eine türkisch sprechende Mutter kann einem Kind nun mal kein Deutsch beibringen. Siehe dazu auch mein Artikel.

Drittens muss das Betreuungsgeld schuldenfinanziert werden. Entweder weil die Mittel nicht da sind oder weil diese Mittel nicht zu einem Abbau der Schulden zur Verfügung stehen. D.h. unsere Kinder müssen diese "soziale Wohltat" dann dementsprechend bezahlen.

Viertens:Ich verlange nicht nach einer staatlichen Förderung der Kinderbetreuung. Dieses Argument führen sie immer wieder an ohne dabei auf die gesamtwirtschaftlichen Effekte einzugehen. Grundsätzlich wäre ein subventionsarmer Staat immer vorzuziehen.
Habe ich nun aber eine solche Subvention muss ich immer abwägen welche Effekte diese hat. Dabei spielen Kategorien wie Fairness oder Gerechtigkeit keine Rolle. Schließlich wäre es ansonsten auch ungerecht das sie mehr Geld für Kinder haben als ich zum Beispiel. Das werden sie aber immer haben, also kann da auch kein Staat was dran drehen.

Die Kinderbetreuung in Einrichtungen hat folgende Effekte: Arbeitsplätze für gut ausgebildete Fachkräfte, die Möglichkeit beider Eltern einer Erwerbsarbeit nachzugehen oder in Alternative dazu eigene Lebensziele zu verwirklichen.

Die Kinder bekommen in der Eingewöhnungsphase genug Gelegenheit sich auf die neuen Bezugspersonen einzustellen und sich zu lösen. Schließlich wirft keine Mutter ihr Kind dort einfach raus. Sie lernen in einer Gruppe von etwa gleichaltrigen neben sozialen Kompetenzen noch Sprache, Motorik und Selbstständigkeit.

Sicher kann man viele dieser Fähigkeiten auch als Mutter vermitteln, man wird jedoch nie die gruppendynamische Entwicklung nachbilden können wie sie in einer Betreuungseinrichtung entsteht.
Des Weiteren kann man wohl schwerlich davon ausgehen, dass mütterlicher Instinkt ein vierjähriges Studium ersetzen kann. ( Ein Punkt den ich bereits in meinem ersten Kommentar angesprochen habe.)

Zusammen mit den für den Staat positiven Bilanzen durch höhere Steuereinnahmen auf die Erwerbsarbeit könnte man hier ein staatliches Interesse durchaus begründen. Hinzu kommt Punkt 2.

Fünftens komme ich zum Zusammenhang zwischen Bekenntnis und dieser Forderung.
Die katholische Kirche lehnt immer noch die sexuelle Wahlfreiheit ab. Homosexualität wird ebenso abgelehnt wie uneheliche Kinder Alles läuft auf die Bewahrung eines traditionalen Familienbildes hinaus, der Vater als Träger der Erwerbsarbeit und der Mutter als brave Hausdame. Nicht nur der Papst, auch viele hochrangige Kirchenvertreter in Deutschland haben sich dahingehend geäußert.

Sie implizieren damit das alle anderen Lebensentwürfe moralisch unsittlich sind, dieser Ansicht hat sich der Staat bereits beim Ehegattensplitting angeschlossen.

Hinzu kommt der Gedanke, dass alles Glück von einer übergeordneten Instanz entspringt. Sie ersetzen hier einfach die göttliche Instanz durch eine weltliche.


Sechstens denke ich das ich meinen Intellekt bereits oft genug unter Beweis gestellt habe als das ich ihn mir von jemandem absprechen lassen muss der nach seinem Studium auf Staatskosten das Ende seiner Erwer...

Gravatar: Noah

@H. Beverfoerde
Ihre Reaktion auf die berechtigte, wenn auch mit überzogenen Vorschlägen gespickte Kritik von S. Lorenz, zeigt deutlich wer sich hier in Wirklichkeit einen vernebelten Verstand vorwerfen lassen müsste.

Gravatar: Bernd Breithaus

@Hedwig Beverfoerde

Seien Sie doch froh,das es so viele Leute ohne Verstand gibt.Sonst könnten Sie mit Ihren "Bürgerinitiativen" gleich einpacken!!Damit versuchen Sie und Ihre Lobby doch nur,Ihre eigenen Interessen durchzusetzen und politischen Einfluß zu gewinnen.Von wegen"freier,aktiver Bürger"!Armer,dummer Bürger der diese Spielchen nicht durchschaut.

Gravatar: Stefan Lorenz

Irgendwie finde ich es schon merkwürdig das diese Argumentation: "Frauen gehören an den Herd und ins Kinderzimmer" immer wieder aus der katholischen Ecke kommt.
Wer von ihnen kann denn mit Sicherheit sagen das sie besser ausbilden und erziehen können als eine studierte Betreuerin?

Oder lassen sie sich auch gern von einer Schamanin behandeln nur weil die ihr Wissen ererbt hat?

Sie würden auch keinen Soldaten in den Krieg schicken ohne Ausbildung, nicht mal ein Auto darf man ohne Berechtigung bewegen aber bei der Zukunft unserer Kinder fällt ihnen natürlich jegliches Wissen zu.

Viele Menschen sind noch nicht einmal in der Lage sich selbst zu organisieren aber das gottgeschenkte Kind macht das natürlich alles möglich. Und staatliche Alimente segnet dann den Rest.

Echte Gleichberechtigung wäre der Wegfall des Kindergeldes, des Steuerfreibetrages und aller weiteren Subventionen der Gebärfreudigkeit. Das geht aber nicht weil man sich so wohlig eingerichtet hat in der staatlichen Rundumversorgung.

Würden dann noch die Steuern dementsprechend gesenkt könnte man auch locker die Betreuung, sofern gewünscht bezahlen. Alle die dann lieber zu Hause bleiben nehmen keinen Schaden.

Aber anscheinend gibt es in der katholischen Kirche immer genug Menschen die meinen man müsste anderen ihren Glauben und ihre Vorstellung aufzwingen indem man alles andere unattraktiv macht.

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