Betreuung ist wertvoll - und teuer

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In schwachen Stunden wünschte ich mir, ich könnte in den Kopf mancher Politiker sehen um festzustellen, welche Feinmechanik da am Werk ist, und an welcher Stelle sich die Zahnräder ineinander verhaken, damit am Ende der gequirlte Unsinn herauskommt, mit dem sie uns da zutexten. Neben grünen Gesundheitsministern (die NRW-Gesundheitsministerin habe ich mir als Zigarrenraucher zum persönlichen Feindbild erklärt), die uns immer wieder und immer gerne vor Augen führen, wie ungesund und dadurch am Ende unsozial wir uns verhalten und ernähren, ist die Spezies von „Bildungspolitikern“ hierfür ein weites Untersuchungsfeld. Und auch auf die Gefahr hin, hier unfair zu werden: auch hier tun sich die Grünen mit dem GAU, dem „Größten Anzunehmenden Unsinn“ hervor.

Im Moment richtet sich mein Auge dabei auf die „Kinder- und Familienpolitische Sprecherin“ der Grünen, Katja Dörner. Auf der formidablen (weil das Thema von vielen Seiten beleuchtenden) für Familienthemen eingerichteten Debattenplattform „ATKearney 361°“ veröffentlicht sie aus dieser Rolle heraus immer mal wieder Beiträge und beantwortet, gemeinsam mit Vertretern anderer Parteien, Fragen zu ihren Vorstellungen der Familienpolitik. Zu einem der Lieblingsprojekte grüner Weltverbesserung gehört dabei die frühkindliche Betreuung (U3) in Kitas. Gerade erst grinst uns von grünen Wahlplakaten ein gutgenährtes und –gelauntes Mädchen um die 3 Jahre (damit eigentlich nicht mehr ganz die Zielgruppe) mit dem Spruch „Ich sage Hello Kita!“ (Vorsicht Wortspiel, mit dem U3-Kinder aus nicht prekären Haushalten aber noch wenig anfangen können) entgegen, die sich – so die Botschaft, ich würde das Mädchen gerne in ein paar Jahren noch mal persönlich fragen – offenbar besonders freut, dass sie den lieben langen Tag von ihren Eltern getrennt in einer staatlichen Aufbewahrungsanstalt zubringen darf um „frühkindlich“ gebildet und betreut zu werden. Da ist es nur recht und billig, wenn Frau Dörner, auf die Vorzüge der Kita-Betreung verweist. Hierzu hat sie auf dem oben erwähnten Portal einen Beitrag unter dem Titel „Der Kita-Ausbau bleibt eine Herkules-Aufgabe“ veröffentlicht. Dass darin einerseits der Rechtsanspruch auf eine Kita gelobt und die nur zögerliche Umsetzung durch die Bundesregierung (als wäre das nicht auch Ländersache) tadelt, ist nicht verwunderlich. Sie feiert den Rechtsanspruch auf den Kita-Platz als einen „Etappensieg“ – und macht damit schon deutlich, wie grüne Politik heute generell arbeitet: Forderungen durchsetzen, deren Folgekosten nicht absehbar sind und die dann bitte schön jemand anders tragen soll!

Denn die Kritik, die Frau Dörner vorträgt, bzw. die Abhilfe die hier notwendig wäre, sie ist in erster Linie mal eins: Teuer! Sie schreibt zunächst mal zurecht:

Die Wartelisten in den Kitas sind lang. Viele Eltern, die einen Platz in einer Tagesstätte wünschen, werden an die Tagespflege verwiesen, weite Wege zur Kita sind häufig und müssen akzeptiert werden, die Öffnungszeiten sind wenig flexibel und orientieren sich nicht am Bedarf der Familien und insbesondere bei der Qualität der Einrichtungen muss ein Fragezeichen gemacht werden, weil Fachkräfte fehlen und der Betreuungsschlüssel pädagogischen Ansprüchen nicht gerecht wird.

[...]

Wenn wir wollen, dass die Kitas die zu Recht in sie gesetzten Anforderungen mit Blick auf frühkindliche Bildung, Förderung der Chancengleichheit und der Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt erfüllen können, muss auch der Bund ein klares Bekenntnis zu deutlich größeren Investitionen in die Kitas ablegen.

[...]

Eltern sollen zudem nicht länger vom Goodwill der Kommunen bzw. Träger abhängig sein, wenn es um die zeitliche Ausgestaltung der Plätze geht. Deshalb soll im Bundesgesetz festgeschrieben werden, dass sich der Rechtsanspruch konkret auf einen Ganztagsplatz bezieht. […]

[...]

Die Qualität der Angebote ist insbesondere abhängig vom Personalschlüssel. Hier kann und sollte ein Mindeststandard im Bundesgesetz verankert werden.

So geht das, man verspricht mit den Kita-Plätzen erst mal das Blaue vom Himmel: Kinder, die frühkindlich gebildet werden, sich in der Kita, in der sie den ganzen Tag lang betreut werden, wohl und heimisch fühlen, Eltern, die ihre Kinder guten Gewissens in die Obhut der Betreuerinnen und Betreuer geben können in dem Bewusstsein, dass ihre Kinder es hier besser haben als zu Hause und schon früh und vor allem besser als von Papa und Mama Kommunikations- und Sozialverhalten lernen, das sie in ihrer beruflichen Zukunft so sehr brauchen. Das dabei Grundbedürfnisse der Kleinen, wie kindgerechtes Essen, Spielen, Windelwechseln, Trösten, in den Arm nehmen, erzieherischer Zuspruch, Aufbau einer gesunden Bindung an die Betreuungsperson etc.pp. nicht zu kurz kommen, sollte für die Eltern eine Selbstverständlichkeit darstellen dürfen.

Jetzt ist der Rechtsanspruch durchgesetzt, aber Ohweh! Ganz so einfach ist das gar nicht! Die Kitas müssten dafür eine Einrichtung aufweisen, die sowohl den Anforderungen der U3-Betreuung wie auch der zur Betreuung von Ü3-Kindern gerecht wird (wer nur alleine mal auf die Warnhinweise von Kinderspielzeug geschaut hat, stellt fest, dass da ein himmelweiter Unterschied besteht). Sie müssten unterschiedliche Mittagsgerichte zur Verfügung stellen, die dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechen und dabei auch noch die unterschiedlichen Ansprüche von Kindern (der eine isst nichts anderes als Nudeln, der andere auf gar keinen Fall) berücksichtigen. Und zu dem vorgesagten, noch mehr aber zum Thema Geborgenheit und Bindung, gehört, dass ein Betreuungsschlüssel wie er normalerweise in Kindergärten vorherrscht (1:6 ist hierfür schon ein richtig guter Wert, 1:10 eher die Regel) für diese Ansprüche nicht ausreicht. Sinnvoll und für die Kinder notwendig wäre, so sagen Erziehungswissenschaftler, eine Relation von 1:3. Das alles fordert – ausgesprochen oder unausgesprochen – also Frau Dörner, und sie fordert dazu selbstverständlich das notwendige Geld vom Bund. Der Etappensieg „Rechtsanspruch auf Kita-Platz“ wird also bis zum Gewinn der ganzen grünen Gesinnungsschlacht noch ein bisschen was kosten.

Aber machen wir doch mal einen Schritt zurück und fantasieren mal ganz neutral: Kinder unter drei Jahren (diese mindestens) benötigen ein stabiles Umfeld mit gleichbleibenden Ansprechpartnern, die sich auch als Rollenvorbilder eignen (ja, ich meine männlich und weiblich, auch wenn das Genderideologen noch so auf die Palme treibt). Sie benötigen ein Umfeld, das auf ihr Alter und ihre Persönlichkeit zugeschnitten ist. Sie benötigen ein individuell zugeschnittenes Ernährungsprogramm, dass den frühkindlichen Notwendigkeiten genau so gerecht wird wie den sich gerade ausprägenden unterschiedlichen Vorlieben. Sie brauchen engen auch körperlichen Kontakt, Menschen, die sie als Bezugspersonen wahrnehmen und die sie immer, egal zu welcher Tageszeit, ansprechen (oder in den ersten anderthalb Jahren im Wesentlichen anbrüllen) können, die sich ihrer dann annehmen, sie trösten, sie wieder aufbauen, ihnen Mut machen bei den ersten Schritte und nach mehr oder weniger schmerzhaften Rückschlägen, die mit ihnen singen, wenn sie das wollen oder Reimspiele machen oder sie auch mal in Ruhe spielen lassen um dann aber wieder da zu sein, wenn sie Zuspruch benötigen …

Ich darf Ihnen etwas verraten: Meine Kinder (er zweieinhalb Jahre, sie acht Monate alt) sind in genau so einer Einrichtung untergekommen! Und das auch noch mit flexiblen 24/7-Öffnungszeiten, individueller Betreuung mit einem Schlüssel sogar von 1:2, zu späteren Tageszeiten 1:1 (wenn es gut läuft, dürfte es auch noch 1:3 bzw. 2:3 werden). Und als nicht zu unterschätzende Beigabe erfahren sie - ebenfalls 24/7 - mütterliche Liebe, die in dieser frühen Phase so wichtig und prägend ist. Wenn man das Kindeswohl als den entscheidenden Faktor betrachtet, dann sind die beiden in der idealen Kita untergekommen, für die der Staat auch keine 1.200 € durchschnittliche Subventionen zahlt sondern (und auch das ist noch unsicher und in die Zukunft verlagert) vergleichsweise günstige zunächst 100, dann 150 €. Sie ahnen sicher, von welcher Einrichtung ich spreche?

Natürlich, da die von Frau Dörner so geschätzte außerfamiliäre Betreuung irgendwie sicher besser sein muss (Was sollte eine Mutter oder ein Vater – in der Vorstellung eines Politikers – denn besser können als eine ausgebildete, staatlich zertifizierte Kita-Betreuerin?) und das oben bezifferte Betreuungsgeld dazu auch noch „gleichstellungspolitisch“ einen „Irrweg“ darstellt (Welche Frau wünschte sich nicht schon als Kind beim Vater-Mutter-Kind-Spielen, dass sie einmal die eigenen Kinder ganztags in fremde, staatliche Hände geben und so ihre Karriere vorantreiben könnte? – Aber das ist sicher völlig patriarchalischer Sarkasmus) würde sie diesen kleinen Obulus, der sich selbstverständlich aus den Steuern derjenigen speist, die ihre Kinder in der Kita abgeben, damit sie das Geld verdienen können … (sie verstehen schon?!), sie würde also diesen Kleinstbetrag gerne auch noch gestrichen und in die Ausstattung langfristig nicht adäquater und wirtschaftlich nicht selbständig tragfähiger staatlicher Betreuungseinrichtungen stecken.

Die Betreuung, wie sie bislang noch immer ein großer Teil der Frauen (und zunehmend Männer) zu Hause ihren Kindern angedeihen lassen, ist wertvoll und durch Geld eigentlich gar nicht aufzuwiegen (und ich danke meiner Frau auch auf diesem Weg, dass sie diese Aufgabe übernommen hat und hoffe, sie dabei ausreichend zu unterstützen). Sie durch staatliche Einrichtungen zu ersetzen kann daher gar nicht anders als teuer sein – aber die flächendeckende Abgabe unserer Kinder in nicht mal in der Phantasie vorstellbar qualitativ vergleichbare staatliche Betreuung könnte uns am Ende noch viel teurer zu stehen kommen als sich das Frau Döring in ihren staatlichen Beglückungsphantasien vorstellt. Ob sie aber soweit denkt? Ich unterstelle ihr in dieser Diskussion keinen bösen Willen, aber für einen Blick in ihren Kopf würde ich was geben!

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bernward Kamps

Richtige Analyse! Nur der Vergleich mit dem Nichtraucherschutz ist völlig deplatziert...!

Gravatar: Ulrike

Ich frage mich mehr nach den Folgekosten dieser familien- und kinderfeindlichen Politik. Sind seelische Schäden durch die abartige Betreuung in den ersten Lebensjahren später noch korrigierbar und was bedeutet das alles für die Gesundheitskosten oder auch die Wirtschaft, die u. U. mit labilem, unbelastbarem Nachwuchs zu rechnen hat.
Wie verantwortungslos und dumm muss man eigentlich sein, um nicht an die möglichen Folgen einer perversen Menschenaufzucht zu denken?

Gravatar: Claudia Rosenbaum

Vielen Dank für diesem Beitrag! Sie haben Recht. Es wird uns alle noch teuer zu stehen kommen wenn wir das zulassen. Unsere Kinder gehören in die Obhut der Eltern. Mütter sollten dafür bezahlt werden, dass sie das natürlichste auf der Welt tun. Die eigenen Kinder betreuen. Keine Kita oder ähnliches kann einem Kind das geben was Eltern können. Wir sollten lieber überlegen wie wir Arbeit an Familie anpassen und nicht umgekehrt. Das schon Kleinkinder System kompatibel gemacht werden sollen ist doch krank. Aber leider machen das zu viele mit. Heute wird jeder der sagt, ich gehe nicht arbeiten ich bin mit meinem Kind zu Hause, schief angeschaut, so als kommt man von einem anderen Stern.Unser zusammenleben wäre wesentlich entspannter wenn die Familie erhalten bliebe. Es ist eine Horror Vision dabei zuschauen zu müssen, das die klassische Familie ausstirbt. Da sehr ich die Gefahr. Was soll aus unsren Kindern werden???

Gravatar: silenda

"Welche Frau wünschte sich nicht schon als Kind beim Vater-Mutter-Kind-Spielen, dass sie einmal die eigenen Kinder ganztags in fremde, staatliche Hände geben und so ihre Karriere vorantreiben könnte? " - Oh ja, als nächstes kommt garantiert die Forderung der Grünen, Rollenspiele zu verbieten, in den die Puppen selbst betreut werden. Manifestiert das doch am Ende völlig überholte Rollenmuster.

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