„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“, so sagt es Jesus im heutigen Tagesevangelium (Lukas 9, 22-25). Christusnachfolge, das ist es, was wir als Christen anstreben, deshalb heißen wir so. Und wenn wir sein Leben beobachten, dann sehen wir schon: Christus zu folgen ist kein Spaziergang! Angegriffen, verleumdet, im Stich gelassen, unschuldig verurteilt und ermordet! Das bedeutet es, das kann jedenfalls die Nachfolge Christi bedeuten. Christen in Nordkorea oder vielen islamischen Ländern gehen diesen Weg, auf dem wir in unseren Breiten eine vergleichsweise einfache Route nehmen dürfen.
Aber auch wer nicht von anderen Menschen angegriffen wird, hat sein Kreuz zu tragen. Dabei ist menschliches Leben, egal ob Christ oder nicht, nicht ohne Kreuz, ohne Leiden zu haben. Es gibt wohl niemanden, der von Trauer verschont bleibt, wenige, die ein Leben lang von schwerer Krankheit verschont bleiben, kaum jemand, der nicht schwere Phasen in seinem Leben hat mit vielleicht familiären, beruflichen, finanziellen, gesundheitlichen … und auch geistlichen Krisen. Und diese Kreuze können einen Weg darstellen, Christus zu folgen, es ihm gleich zu tun und das Leiden mit der Liebe für die Menschen zu verbinden, die es betrifft oder es aufzuopfern für Menschen, die einem am Herzen liegen.
Dann ist Leiden verbunden mit einer größeren Nähe zu Gott – es kann aber auch von Gott weg führen. Das Leiden und das Hadern darüber mit Gott kann ein Einfallstor für Gottes Widersacher sein. Wieso geschieht mir das, wieso geschieht das meiner Familie, meinen Kindern? Wieso bestraft mich Gott? Was habe ich denn getan, dass ich so was verdient habe. Erkennen Sie die unterschiedliche Denkrichtung: Beziehe ich das was geschieht auf mich, setze ich mich selbst ins Zentrum der Welt, von dem ich annehme, dass sich selbst Gott darum dreht, um den sich selbst Gott zu drehen hat?
Diese Gefahr besteht und man muss in der eigenen Heiligkeit schon weit fortgeschritten sein, um sich davon ganz zu befreien. Für mich kann ich das nicht in Anspruch nehmen, und stelle immer wieder fest, wie ich mich selbst im Mittelpunkt meines kleinen Universums sehe – in dem alle, die meinen Vorstellungen nicht entsprechen, stören. Da ist die Familie, die Kinder, die nach einem langen Arbeitstag nicht so spuren, wie man sich das für einen entspannten Feierabend wünschen würde. Da sind die Kollegen, die ganz andere Vorstellung von ihrer eigenen und meiner Arbeit haben als ich selbst. Da ist der Autofahrer vor mir an der Ampel, der ein paar Sekunden zu spät auf das Grün reagiert und mich ein paar Sekunden von meinem Ziel abhält.
All das stört mich und je nach Tagesform reagiere ich darauf mürrisch, gereizt, manchmal sogar aggressiv. All das stört mich aber nur, weil ich mich selbst im Zentrum der Welt sehe, von der ich annehme, dass sie besser laufen würde, wenn sie nur mir und meinem Vorbild folgen würde.
„Verleugne Dich selbst!“ ist darum auch die erste Aufforderung im eingangs zitierten Satz von Jesus. Das bedeutet nicht, gar nicht mehr wahrzunehmen, welche Bedürfnisse man hat, aber es bedeutet, sie ins rechte Verhältnis zu setzen. „Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst“ – im Grunde ziehen wir aber uns selbst den anderen vor! Und im Grunde ziehen wir in vielen Fällen uns selbst auch Gott vor. Im Unterbewusstsein schlummert da der Verdacht, dass man es, ausgestattet mit vergleichbarer Allmacht, doch besser gemacht hätte als Gott. Einen größeren Sieg kann der Widersacher kaum einfahren.
Aber wie geht das, sich in diesem Sinne selbst verleugnen? Mir hilft ein Satz, den mir mein geistlicher Leiter in diesem Zusammenhang mal gesagt hat, mir mit ihm nämlich zu verdeutlichen, was ich in den beschriebenen Situationen gerade denke: „Das stört MICH!“ Dieser Satz macht mir meine Selbstzentrierung deutlich und bewegt mich, die Dinge auch aus anderer Perspektive zu sehen: Meine Kinder brauchen mich und freuen sich den ganzen Tag auf mich, da wollen sie, wenn ich abends nach Hause komme auch was von mir haben. Ist doch verständlich, oder? Die Kollegen haben eigene Ziele, ein eigenes Umfeld, dass sie vielleicht beschäftigt, womöglich auch die bessere Herangehensweise an eine Arbeit, der ich mich nur mal öffnen müsste. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder? Und der Autofahrer vor mir hat sicher seine eigenen Themen, die ihn vielleicht kurz abgelenkt sein lassen, oder auch nur ein technisches Problem – ganz sicher aber steht er nicht vor der grünen Ampel damit ICH später an mein Ziel komme. Kann ich es nicht auch so sehen?
Das sind nur Kleinigkeiten, der Trick mit dem „Das stört MICH!“ ist auch nur eine kleine Symptombehandlung. Aber so ein kleiner Schritt ist eben ein Teil der Umkehr, an deren Ziel unter anderem die Selbstverleugnung, das Aufladen des Kreuzes und die Christusnachfolge stehen. Mir jedenfalls fällt es leichter, dieses Ziel in kleinen, machbaren Schritten zu verfolgen (auf denen ich oft genug scheitere), als immer nur die große Vision vor Augen zu haben, an der ich verzweifle, weil sie vermeintlich nicht zu erreichen ist.
Ebenfalls erschienen unter papsttreuer.blog.de
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