Berliner Wiederholer-Quote bei Zweitklässlern war zu erwarten

An manchen Berliner Schulen muss dieses Jahr fast die Hälfte der Kinder die zweite Klasse wiederholen. Dabei hatte Berlin 2004 nach PISA tief greifende Reformen im Schulsystem eingeführt, um die Schulleistungen der Kinder zu verbessern.

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Es wurde zum Beispiel die Senkung des Einschulungsalters beschlossen, die Abschaffung von Rückstellungen und möglichst ganztägiger Unterricht. Anders ausgedrückt: alle Kinder, immer jünger, gehen zur Schule, unabhängig von ihrer individuellen Entwicklung. Warnungen vor Überforderung der zukünftigen, zu jungen Erstklässler gab es damals zu genüge.

 

Niemand interessierte sich jedoch für die Warnungen. Das Ziel, Kinder zu zukünftigen Leistungserbringern zu erziehen, war und ist vorrangig. Je mehr der Einfluss des Elternhauses reduziert werde, je mehr die Kinder ganztags lernen könnten, ohne durch Sitzenbleiben frustriert zu werden, je mehr die Schule zum „zu Hause“ der Kinder werde, umso schneller werde das Ziel erreicht werden. Bayerns Eltern waren schlauer: 70% verweigerten die frühere Einschulung ihrer Kinder.

 

Wissenschaftliche Untersuchungen aber belegen, dass der Schulabschluß umso höher ist, je später der Schulanfang beginne. Doch auch das interessierte niemanden. Denn es gibt ja mehr Ursachen für das Schulversagen in Berlin. Und nicht alle Ursachen sind wissenschaftlich untersucht. Es könnte ja auch mit dem Ganztagsystem zusammenhängen, oder mit der Zunahme von ADHS-Kindern, oder mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Müttern, oder mit der zunehmenden Erosion von Familie, oder mit den Kindern mit Migrationshintergrund, oder mit den zunehmend bindungsgestörten Kindern, oder mit dem ansteigenden Anteil von Kindern alleinerziehender Eltern, oder mit der Ausbildung der Lehrer, oder, oder!? Welche Vielfalt an Möglichkeiten der Schuldzuschreibung!

 

Es wird sich also nichts ändern: jeder hat die Möglichkeit einen anderen Grund als Ursache zu benennen. Jeder, der ein bißchen gesunden Menschenverstand besitzt, wußte und weiß, daß das Ergebnis der Berliner Schulen nicht überrascht - nein, es war zu erwarten!

 

Warum also tun die Politiker so geschockt?

 

Weitere Informationen:

 

Uni Hannover: Fängt der frühe Vogel den Wurm?

 

Die Zeit: Nachhilfe schon in der ersten Klasse

 

Die Welt: Erstklässler überfordert

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Welche "Qualität" haben denn die Eltern? Das ist doch die bedeutendste Frage.

Gravatar: Susanne

Interessant wäre die Untersuchung einer Berliner Vergleichsgruppe, deren Kinder mehr bei ihren Eltern sind, bei denen mit der Unterrichtung später begonnen wird und die weniger Unterricht bekommen. Aber diese Gruppe und ihre Pisa-Ergebnisse gibt es vermutlich nicht.

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