Berichte und vernichte

Die Liste der Medienopfer der letzten Jahre ist lang. Schavan, Wulff, Brüderle, Hoeneß aber auch Jörg Kachelmann und nicht zuletzt der Bischof von Limburg.

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Ob der Begriff Kampgne zutreffend ist, darüber läßt sich lange streiten. Wer jedoch nachzählt, finde allein auf Spiegel Online 111 Artikel unter dem Suchbegriff Limburg, die sich mit dem Bischof der kleinen Diözese an der Lahn beschäftigen. Der zweite Blick bringt schnell zu Tage, daß die Mehrheit der Artikel keine Neuigkeiten berichten sondern altbekannte Dinge immer wieder und wieder und wieder aufwärmen. Auch längst widerlegte Fakten tauchen in immer neuen Artikel immer wieder auf. Andere Medien ziehen nach, Agenturen schreiben von Zeitungen ab, Zeitungen bringen ungeprüft Agenturmeldungen.

Die Nachricht, daß eine Nachricht erschienen ist, wird zur Nachricht. Wahrheit, gar Wahrhaftigkeit, spielt keine Rolle mehr, wenn die Zeit vom Beginn der Recherche bis zur Freischaltung eines Artikels sich in Minuten bemißt.

Rollt diese Welle, kann sie kaum noch aufgehalten werden.

Kreisen erst die Drohnen über einem Haus, stehen schon die Paparazzi vor der Tür, wird jede Handbewegung und jedes Räuspern skandalisiert. Ist die Richtung der Deutung – Prunk, Homophob, Steuerhinterzieher, Chauvinist – erst einmal festgelegt, dann wird womöglich selbst die Marke der verwendten Papiertaschentücher zu einem Politikum. (Nur um mal eine Harmlosigkeit zu nennen, die man aufblasen kann.) Positiv sein kann dann gar nichts mehr. Discounterware ist dann Ausdruck von Geiz und mangeldem ökonomischen wahlweise ökologischen Bewußtseins. Verwendung von Markenprodukten ist Verschwendung oder Standesdünkel.

Der Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger spricht in einen Interview auf Die freie Welt gar von der Chancenlosigkeit der Opfer. Das Interview ist lesenswert und erhellend. Doch in einem Punkt muß ich widersprechen:

FreieWelt.net: Wie können sich Personen des öffentlichen Lebens wehren, wenn sie zum Ziel einer Medienkampagne werden? 

Kepplinger: Die Chancen der Betroffenen sind sehr gering und werden allgemein überschätzt, weil die Betroffenen meist mit einer Serie von Vorwürfen konfrontiert werden, die sie unter dem psychischen Druck öffentlicher Angriffe und  in der verfügbaren Zeit kaum beantworten können. Selbst wenn ihnen das gelingt, werden bis dahin oft neue Vorwürfe publiziert, die interessanter erscheinen als die Richtigstellung der vorangegangenen Behauptungen. Ihre einzig echte Chance besteht darin, dass sie Journalisten einflussreicher Medien von ihrer Sichtweise überzeugen können, die sie in der Öffentlichkeit verteidigen oder zumindest entlasten. Das ist Joschka Fischer nach seiner Identifikation als Schläger auf einem Foto gelungen.

In der Tat ist das Prügelbild von Joschka Fischer weggeschwiegen worden. Links-grüner Einfluß auf die großen Medien zeigte sich nicht zuletzt im Verschweigen der Haltung der Grünen zur Pädophilie vor vergangenen Bundestagswahl. Jede konservative oder liberale Partei wäre für deutlich weniger dramatische Haltungen in Grund und Boden, jedenfalls deutlich unter die 5%-Hürde, geschrieben worden. Die politischen Präferenzen der meisten Journalisten in unserem Land sind schließlich kein Geheimnis. Da braucht es nicht wundern, wen die Skandalisierungen treffen. Und braucht nicht wundern, wer davon verschont bleibt. Einige haben im bestehenden System derzeit einfach keine Chance sich aus einen Skandal herauszufischern.

Die einzige Chance, die es gibt, Medienskandale künftig zu begrenzen, sind allenfalls neue, stark beachtete Medien (d.h. in der Praxis Internetportale), die sich ausschließlich mit dem Ergründen und darstellen von Fakten beschäftigen. Noch gibt es sie nicht in der notwendigen Anzahl und Stärke. Doch diese Portale werden kommen.

Denn langsam aber sicher spürt auch der letzte Trottel intuitiv, daß er der Zeitung gar nichts mehr glauben darf.

Wenn die Ente zum Lieblingstier in Redationsstuben wird, dann ist es hoch an der Zeit, die Jagdsaison zu eröffnen.

Die Alternative zur Boulevardisierung der Medien heißt also nicht, sich zur Kavallerie vermeintlicher oder echter Medienopfer zu melden. Die Alternative heißt Faktencheck. Das muß knallhart und ohne Ansehen der Person geschehen. Nur so kann Glaubwürdigkeit zurück gewonnen werden.

Ebenfalls erschienen auf blog.peter-winnemoeller.de

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Gravatar: Rainer Brandl

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und Fritz Vahrenholt, sowie Sebastian Lüning haben beim Stichwort Klima schon vor zwei Jahren angefangen.

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