BER, oder: Was läuft schief bei Großprojekten?

Die Liste der vermasselten Großprojekte in Deutschland ist lang. Der Berliner Flughafen ist nur ein Beispiel. Die Ursachen reichen von unklaren Verhältnissen bis hin zur Selbstüberschätzung.

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Weil ich vor achtzehn Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender der Berlin-Brandenburgischen Flughafengesellschaft war, musste ich jetzt vor einem Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses aussagen. Zwar hatte keine Entscheidung, die der Aufsichtsrat damals getroffen hatte, etwas mit dem jetzt nicht funktionierenden Brandschutz oder der möglicherweise nicht ausreichenden Kapazität des neuen Terminals zu tun, aber das hielt den Ausschuss nicht davon ab, mich nach meiner Einschätzung der Ursachen dieser Riesenblamage zu befragen.

Nicht nur ein Problem in der Politik

Politiker haben weder ein Monopol auf Versagen in Aufsichtsräten, noch sind sie es alleine, die in solchen Fällen oft von Verantwortung reden und die Schuld dann bei anderen suchen. Das Desaster bei ThyssenKrupp, eins der größten Desaster in der Geschichte deutschen Industrie, blieb für den Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme bisher ohne Konsequenzen. Der Politiker Klaus Wowereit zog immerhin für sich eine und legte den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft nieder.

Unklare Verantwortlichkeiten

Ob an Bord eines Schiffes, in einer Fußballmannschaft oder einem Orchester, es geht nicht ohne Kapitän, Trainer oder Dirigenten. Zwar hat sich die Demokratie als beste Regierungsform jedem anderen System überlegen gezeigt, als Managementsystem taugt sie nicht viel. Es ist dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft anzulasten, statt eines Vorsitzenden nur einen „Sprecher“ ernannt und diesen allen Geschäftsführern gleichgestellt zu haben. Im Geschäftsverteilungsplan hatte er den Bau des neuen Flughafens nicht zu verantworten. Das machte es den im Aufsichtsrat tätigen demokratisch legitimierten Politikern umso leichter, der Geschäftsführung dauernd in die Parade zu fahren. Als damaliger Vorsitzender kann ich ein Lied davon singen. Ich glaubte manchmal, einem Hühnerhaufen oder einer Schlangengrube vorzustehen.

Selbstüberschätzung

Für eine Flughafengesellschaft, die jahrzehntelang nur operative Aufgaben zu erledigen hatte, ist der Bau eines Großflughafens eine enorme Herausforderung. Klar, auch in Berlin musste mal ein Parkplatz in Tegel repariert, mal ein Erweiterungsbau in Schönefeld hingestellt werden. Die Erfahrung, die eine Flughafengesellschaft wie die Fraport in Frankfurt mit ihren Großprojekten sammeln konnte, fehlte in Berlin. Trotzdem hat der Aufsichtsrat es nicht für nötig befunden, einen Generalunternehmer mit der Ausführung zu betrauen und dadurch die Gesellschaft gezwungen, selbst mit Dutzenden von Subunternehmern Verträge zu schließen, diese zu überwachen und nebenbei noch ein starkes Wachstum des Flugverkehrs zu begleiten. Der Aufsichtsrat machte sich selbst zum Generalunternehmer. Nun gibt es auch anderenorts Beispiele für versagende Generalunternehmer, HOCHTIEF und die Elbphilharmonie lassen grüßen, aber in Berlin kam alles zusammen: kein Chef, keine Bauerfahrung, kein Generalunternehmer. Das musste in die Hose gehen.

Atmosphäre der Angst

Wie ist es möglich, dass die Absage der geplanten Eröffnung nur zwei Wochen vor der geplanten Feier erfolgte und erst dann herauskam, dass sogar Jahre fehlten? Hier liegt der Schlüssel für das Scheitern großer Bauprojekte, ganzer Firmen und militärischer Interventionen gleichermaßen. Wenn Aufsichtsgremien Widerspruch sanktionieren, statt ihn zu fördern, wenn Angst um sich greift, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn gute Nachrichten immer auf Rennpferden angaloppiert kommen, die schlechten sich im Tempo einer Schnecke bewegen. Man darf gespannt darauf sein, was der Untersuchungsausschuss hierzu herausfindet.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.handelsblatt.com.

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