Aus der Krise lernen, statt ihr zu erliegen

„Immer besser, immer schneller, immer billiger!“ lautet das Erfolgsmantra unserer modernen Leistungsgesellschaft, die neben dem schnellen Gewinn den Konsum und das Shareholder-Value-Prinzip zum allgemein gültigen Lebensentwurf erhoben hat. Im Wettlauf um neue Marktanteile sieht der globale Kapitalismus den Menschen vor allem als Leistungserbringer, dessen Unzulänglichkeit er durch den Einsatz immer effizienterer Technologien und rationellerer Steuerungsmechanismen möglichst gering zu halten versucht.

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Vor dem Hintergrund einer weltumspannenden Wirtschafts- und Finanzkrise hat das kapitalistische Mehrwertprinzip und sein Glaube an eine permanente Leistungssteigerung und -erfüllung tiefe Risse bekommen.

Wenn es heute darum geht, aus der globalen Finanzmisere nach Möglichkeit Lehren zu ziehen, die uns nach der Krise besser als vor der Krise dastehen lassen, so brauchen wir im Kampf gegen unseren renditegetriebenen Steigerungswahn nicht nur neue Regeln für die Geldwirtschaft, sondern auch eine Kultur des Innehaltens und einen damit verbundener Ausstieg aus dem totalen Steigerungswahn als Puffer gegen die Forderung nach maximaler Flexibilisierung. 

Die Angst vor der Zukunft ist der sicherste Weg, sie nicht zu gewinnen. Und so müssen wir, die wir als Folge der Krise inzwischen in der Mehrzahl von Job- und Existenzängsten geplagt sind, uns die Frage stellen, was wir der Krise entgegensetzen, um uns von ihr nicht lähmen zu lassen. Unser Missverständnis in Bezug auf Krisen ist vielfach immer noch dieses passive, schicksalhafte Verständnis davon. Wir haben aber durchaus Einfluss darauf, wie wir über die Umstände denken und wie wir darauf reagieren. In der Psychologie spricht man vom Prinzip der Selbstwirksamkeit: Bin ich Opfer oder Gestalter? Die Überzeugung, keine Marionette des Schicksals zu sein, ist ein wesentliches Merkmal der Selbstwirksamkeit. Um aus der Dynamik der Frustration auszusteigen kann man sich beispielsweise folgende Fragen stellen: Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich trotz alledem? Welche Alternativen bieten sich mir? Woraus ziehe ich meine Stärke? Woraus kann ich Kraft schöpfen?

„Die Krise ist eine halbgöttliche Instanz“, hat der Philosoph Peter Sloterdijk unlängst in einem Interview erklärt. Wer es versucht hat, weiß: Der Nutzen von Zäsuren könnte etwa darin liegen, dass in ihnen nicht zuletzt die Aufforderung zum „Nicht Weiter-so“ steckt.

Auf der Suche nach Mitteln zur souveränen Krisenbewältigung wird die Bereitschaft zum Innehalten, kritischen Hinterfragen und zur Richtungsänderung, wenn die Umstände es erfordern, zu einer Schlüsselkompetenz. Das setzt mentale Mobilität voraus, aber ebenso innere Ruhe, Gelassenheit und die Konzentration auf Wesentliches. In der Erkenntnis, dass das Richtige auf diese Weise deutlich werden könnte, steckt die Kraft für einen Neubeginn.

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