Aus dem Innenleben der NPD

Stefan Rochow hat eine eindrucksvolle „Lebensbeichte“ geschrieben

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Der antifaschistische „Kampf gegen Rechts“ ist zum bloßen Ritual erstarrt. Die Auseinandersetzung mit der NPD durch Gesellschaft, Politik und Medien wirkt oft hilflos. Die Funktionäre der Partei werden als Krakeeler und Dummköpfe dargestellt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ideologie der Rechtsextremisten findet häufig nicht statt. Verbote – ob sie nun als Denk- oder Parteienverbot daherkommen – lösen aber keine gesellschaftlichen Probleme.

 

Diejenigen, die Einblick in die Strukturen der brauen Demokratiefeinde erlangen möchten, sollten zu dem jetzt erschienenen Buch eines „Insiders“ greifen. Unter dem Titel „Gesucht – Geirrt - Gefunden“ liefert der frühere NPD-Funktionäre Stefan Rochow eine Art „Lebensbeichte“. Es ist dem Gerhard-Hess-Verlag www.gerhard-hess-verlag.de hoch anzurechnen, dass er dieses mutige Buch herausbringt und damit Fakten liefert für die politische Auseinandersetzung mit der extremen Rechten.

 

Das Buch hat den Untertitel „Ein NPD-Funktionär findet zu Christus“. Nicht jeden Leser wird der Weg Rochows vom überzeugten Neonazi zum katholischen Christen interessieren oder gar überzeugen. Dies bleibt jedem selbst überlassen. Doch selbst derjenige, der nichts von Papst und Kirche hält, kann dieses Buch mit Gewinn lesen und sollte sich vor allem mit den Seiten 111 bis 198 („Mittendrin“) beschäftigen. Hier erfahren wir vom Autor – ohne Schaum vor dem Mund und moralische Überheblichkeit – Einiges über seine rechtslastige „Karriere“.

 

Schon mit 16 Jahren wurde Rochow Landesvorsitzender der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) in Mecklenburg-Vorpommern. Vier Jahre später war er schon stellvertretender Bundesvorsitzender der JLO. Als Student trat er in zwei Burschenschaften ein, die zu seiner weiteren Radikalisierung beitrugen. Auch über ein bestimmtes miefiges und bierseliges burschenschaftliches Milieu ist hier Erhellendes zu lesen. Bekennende Rechtsextremisten wurden laut Rochow in der Dresdensia-Rugia geduldet. So werden demokratische Grenzen überschritten. Geträumt wurde von einer „ethnisch homogenen Gesellschaft völkischer Prägung“. „Vieles, was in den Burschenschaften gedacht wird, kann nur als demokratiefeindlich bezeichnet werden“, so der Autor.

 

Am spannendsten sind aber die Schilderungen seiner Zeit bei der NPD, die 2004 in den Sächsischen Landtag einzog. Dort war Rochow als Stellvertretender Leiter des Parlamentarischen Beratungsstabes in Dresden tätig. 2006 wechselte er als Pressesprecher der NPD nach Mecklenburg-Vorpommern.

 

Aus einer immer intensiver werdenden Beschäftigung mit der christlichen Religion folgt die allmähliche Abwendung des Mannes mit Vergangenheit von der braunen Ideologie, denn – so der Historiker Michael Hesemann in seinem Vorwort – Rechtsextremismus und katholischer Glaube schließen sich kategorisch aus. Wer das eine ist, nämlich Neonazi, kann nicht gleichzeitig gläubiger Christ sein, an Gott und die Nächstenliebe glauben.  2009 konvertiert Rochow zum Katholizismus. Seit 2011 studiert er im Fernstudium Theologie.

 

Man kann nie hinter den Kopf eines Menschen schauen. Aber Rochows Schilderung seiner Abkehr vom Rechtsextremismus erscheint glaubwürdig, weil der Autor Verantwortung übernimmt und sich eindeutig als Täter und nicht als Opfer darstellt. Der Journalist und Politikwissenschaftler Jens Kassner kommt in der linken Wochenzeitung „Freitag“ zu dem Schluss, dass das Buch hilfreich sein könnte. Sein Vorteil liege nämlich „in der ungeschminkten Innendarstellung der NPD“. Zudem dürfte die namentliche Nennung vieler NPD-Funktionäre und die Beschreibung ihrer Denk- und Handlungsweisen „für Aufregung in der ohnehin gebeutelten Partei“ sorgen.

 

Man kann zwei Schlüsse aus der Lektüre dieses Buches ziehen: Erstens sind die Darstellungen des Innenlebens der NPD wertvoll im Rahmen der politischen Bildung, auch wenn die Zeit der aktiven Mitgliedschaft Rochows bereits einige Jahre her ist. Zweitens muss man nicht unbedingt an das Gleichnis vom verlorenen Sohn glauben, um zu dem Schluss zu kommen, dass unsere Gesellschaft diejenigen Menschen wieder aufnehmen muss, die politisch schwer geirrt haben, diesen Irrtum aber glaubhaft bereuen und „wieder gut machen“ wollen. Dass hier noch viel zu tun ist, macht Andreas Molau in seinem Nachwort deutlich. Es gibt zwar „zahlreiche Aussteigerprogramme, aber wenig Einstiegsmöglichkeiten“ für Ex-Nazis, die einen Neuanfang wagen wollen.

 

Stefan Rochow: Gesucht – Geirrt – Gefunden. Ein NPD-Funktionär findet zu Christus. Gerhard-Hess-Verlag: Bad Schussenried 2013. 248 Seiten. 18,90 Euro. ISBN 978-3-87336-431-8. Mit einem Vorwort von Michael Hesemann und einem Nachwort von Andreas Molau.

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