Aufgabenverteilung

Der deutsche Kommandeur des PRT Kunduz hat Verstärkung für seinen Verantwortungsbereich gefordert.1 Er steht damit im Gegensatz zum Außenminister und Kanzlerin, diese wollen keine weiteren Truppen nach Afghanistan entsenden. Kurz vor der Afghanistan-Konferenz entbrennt in Deutschland eine leidenschaftliche Debatte über Ziele und Mittel des Einsatzes am Hindukusch.

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Die Diskussion wird nicht zuletzt durch den Untersuchungsausschuss zum Vorfall in Kundus befeuert.2 Hilfsorganisationen machen die Bundeswehr für die Gefährdung ihrer Mitarbeiter verantwortlich3und ziehen sich aus der Region zurück, die afghanische Bevölkerung dagegen schöpft neue Hoffnung nachdem die Bundeswehr offensiver gegen die Taliban vorgeht.4

In der ganzen Diskussion geht es aber immer nur um die militärischen Optionen, ein Ausbau des zivilen Engagements wird zwar immer wieder versprochen, die tatsächlichen Maßnahmen und Ergebnisse sind aber mindestens zweifelhaft.

Ein Paradoxon des Einsatzes wird dabei gern ausgeblendet: Wir schicken Soldaten um innere Sicherheit in Afghanistan herzustellen. Hier in Deutschland wird ein Einsatz im Inneren mit dem Argument abgelehnt, Soldaten verfügten weder über die Ausbildung noch über die Ausrüstung, um Aufgaben zur Sicherstellung der Inneren Sicherheit zu übernehmen.

Soldaten können nur Rahmenbedingungen sicherstellen. Die Sicherheit der Bevölkerung kann, ja muss sogar von zivilen Kräften sichergestellt werden. Leider ist die Polizeipräsenz in Afghanistan auch 8 Jahre nach dem vollmundigen Versprechen Deutschlands, den Aufbau der Polizei allein zu übernehmen5, mindestens dürftig. Angeblich wurden 30.000 Polizisten ausgebildet, davon sind 50% bereits wieder desertiert und viele von denen, die geblieben sind, können weder lesen noch schreiben.

2007 hat Deutschland 50 Polizisten im Einsatz6, zusammen mit 3300 Soldaten der Bundeswehr. 2008 beschließt die EU eine Verdoppelung der Polizisten und Experten auf 400. 7, zu diesem Zeitpunkt befinden sich bereits mehr als 4000 deutsche Soldaten im Land. Auch 2010 sieht es nicht besser aus, laut FTD befinden sich aktuell 120 deutsche Polizisten8 am Hindukusch, laut der Süddeutschen Zeitung sogar nur 479. Dabei wird über eine Truppenverstärkung von 1500 Mann nachgedacht.

Das Missverhältnis zwischen zivilem Aufbau und militärischem Engagement wird also immer eklatanter. Die Gründe dafür sind recht einfach: Polizisten kann man, anders als Soldaten, nicht befehlen ihren Dienst in Kabul zu versehen. Außerdem betrachtet man Afghanistan immer aus der deutschen Sicht, nicht aus der afghanischen. Aus deutscher Sicht ist das Land ein Problem der äußeren Sicherheit, aus afghanischer sind die Taliban ein Problem der inneren Sicherheit.

Es wäre also sinnvoller, die afghanischen Polizisten bei ihrer Arbeit zu unterstützen und sie nach dem Ende der Ausbildung noch weiter zu begleiten. Damit würde man auch mehr gegen die Terrorgefahr in Deutschland tun als mit Onlinedurchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und Überwachung des Internetverkehrs. Quasi nebenbei würden die Afghanen dann auch noch in einem sichereren Land leben.

Die Sicherheitslage muss durch Soldaten stabilisiert werden, damit die Polizisten ihren Dienst tun können. Danach müssen aber zivil gestützte Strukturen entstehen die Rechtssicherheit und Rechtsdurchsetzung gewährleisten können. Das können nur afghanische Polizisten und eine afghanische Judikative. Ansonsten wird der Einsatz vergeblich sein.

Quellen:

     

  1. Handelsblatt: Bundeswehr-Kommandeur fordert Verstärkung
  2. Tagesschau: Immer mehr Details belasten deutschen Oberst
  3. Tagesspiegel: Afghanistan: Ansätze für den Frieden
  4. Zeit Online:Die einsame Entscheidung des Oberst Klein
  5. Sueddeutsche.de:Nur Doofe wollen zur Polizei
  6. Focus: Polizei klagt über schlechte Organisation
  7. AA: EUPOL Afghanistan
  8. FTD: Berlin bietet mehr Polizisten für Afghanistan
  9. Sueddeutsche.de:Nur Doofe wollen zur Polizei
  10.  

Der Artikel erschien zuerst bei darueberhinaus.de.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Noah

@insider
Langsam wäre es für mich und sicherlich auch andere interessant zu erfahren, wo Sie eigentlich als "insider" lange Zeit tätig waren.
Ich wage einmal die Vermutung, dass Sie eine kleine Ewigkeit das mitgemacht haben, was Sie jetzt so energisch zu kritisieren suchen. Schlimm genug, dass Sie jetzt so tun, als wären Sie schon immer dagegen gewesen und den Eindruck zu erwecken suchen, als hätten Sie eine der größten Verschwörungen der deutschen Nachkriegszeit aufgedeckt.
Aber so ist das wohl mit dem Verfolgungswahn!

Gravatar: Stefan Lorenz

Ach insider, wenn sie doch nur wären was sie vorgeben zu sein. Einem Insider traue ich mehr zu als nur die gleichen unreflektierten Sätze wie man sie aus der sicheren Entfernung, aus der warmen Stube hört.

Können sie sich einmal mit dem Problem des Artikels beschäftigen den sie kommentieren?

Gravatar: insider

Es wird in Afghanistan nach deutschen Maßstäben nie etwas rechtstaatlich funktionierendes geben, so dass man auch noch Jahrzehnte dort verbleiben kann, wenn man will oder andere es wollen. Jedenfalls wird es noch lange dauern, bis Afghanistan keine deutschen Truppen mehr beherbergt. Und die kriegerischen Aktivitäten nehmen weiter zu. Kundus war nur ein erster größerer Test. Wie das wohl in Deutschland ankommt und ies ist doch prima angekommen, der "Kriegsverbrecher" ist gar keiner, dafür gibt es nun aber strategische Anweisungen, wie man demnächst schießt und bombt, ohne gleich negativ in die Schlagzeilen zu geraten dafür sorgen die Generalbundesanwaltschaft sowie der parl. Untersuchungsausschuss jetzt gerade.

Gravatar: Stefan Lorenz

Das ist ja genau mein Punkt, es ist noch ein weiter Weg und es wird nicht viel dafür getan. Nicht die besten Voraussetzungen.

Gravatar: Schulze

Na ja, bis es in Afghanistan eine funktionierende Polizei gibt, scheint es noch ein weiter Weg.

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