Armutsbekämpfung: Ja. Glücksgarantie: Nein!

Es war eine Jahrhundertleistung der Sozialen Marktwirtschaft eine Gesellschaft geschaffen zu haben, in der echte Armut nur noch als Randphänomen existiert. Unter echter Armut können wir im Unterschied zur relativen Armut verstehen, wenn Menschen ihre physischen und sozialen Grundbedürfnisse trotz persönlicher Anstrengungen nicht befriedigen können. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören Nahrung, Wohnung, Kleidung, Hygiene, Mobilität und gesundheitliche Versorgung. Die Gewährleistung der Grundversorgung ist aber in der Bundesrepublik heute im Großen und Ganzen für fast alle Bürger gewährleistet.

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Wir haben uns an diesen Umstand so sehr gewöhnt, dass wir ihn inzwischen für selbstverständlich, ja kaum mehr erwähnenswert halten. Außergewöhnliche Umstände verlieren ihre Besonderheit, wenn sie zur Alltäglichkeit werden. Sozialhistorisch hat es einen solchen Zustand bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein jedoch noch nie gegeben. Die Überwindung der echten Massenarmut, die Jahrtausende auf der Erde vorherrschte und auch noch heute in vielen Regionen der Welt vorherrscht, ist die vielleicht größte soziale Revolution der Geschichte. Sie war nur möglich wegen der enormen Produktivitätssteigerung, die die industrielle Revolution mit sich brachte.

Wenn heute von Armut gesprochen wird, dann wird gemeinhin persönliche Unzufriedenheit mit den eigenen materiellen Lebensbedingungen verstanden. Selbstverständlich ist es nachvollziehbar, dass auch Menschen, die nicht arm sind, unzufrieden mit ihren materiellen Möglichkeiten sind. Jemanden, der über eine Wohnung, Kleidung, Medienzugang, Wasser, Heizung, drei Mahlzeiten am Tag verfügt und auf ein im internationalen Vergleich immer noch sehr hochwertige medizinische Versorgung zurückgreifen kann, im selben Sinne für arm zu erklären, in dem hungernde Kinder in Afrika oder alte Menschen im ländlichen China oder Bauern in Indien arm sind und unsere Groß- und Urgroßeltern in ihrer Mehrheit noch arm waren, verletzt damit das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

 Wenn alle in der Nachbarschaft ein Auto fahren und man selber hat keins, dann hat man möglicher Weise Grund zur Unzufriedenheit. Wenn alle Kinder von ihrer Urlaubsreise erzählen und ein Kinder in der Klasse kann das nicht, weil die Eltern sich den Urlaub nicht leisten konnten, dann hat es sicher auch Grund zur Unzufriedenheit. Soll der Staat das dann durch Umverteilung richten? Wie ist das mit dem Mittelstandskind, das mit lauter Millionärskindern in eine Klasse geht und als einziger nicht von einer Limousine abgeholt wird, soll der Staat das auch durch Umverteilung richten? Unzufriedenheit resultiert ja nicht nur aus sozialer Ungleichheit. Es gibt Menschen, die führen eine glückliche Ehe und andere Leute nicht. Für das persönliche Glück ist das wohl mindestens so relevant wie die Einkommensverteilung. Ist das nicht auch ungerecht? Sollte das nicht vielleicht auch der Staat regeln?

Gibt es überhaupt einen Anspruch auf Gleichheit und woraus sollte dieser Anspruch resultieren. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch auf Individualität und Abgrenzung?

Und selbst wenn der Staat all das richten würde (und richten könnte); er würde totale Gleichheit schaffen, um das Gefühl benachteiligt zu sein, zu beheben, glauben wir dann wirklich, dass die Menschen dann zufriedener wären und sich nicht über die Gesellschaft beschweren würden?

Subjektive Unzufriedenheit  kann kein objektiver Maßstab sein, weder für Armut noch für ein anderes soziales Problem, denn an überhöhten Erwartungen geht jede Gesellschaft kaputt. Es gab niemals und es wird niemals eine Gesellschaft geben, die ihren Bürgern Zufriedenheit mit ihren materiellen Möglichkeiten oder gar persönliches Glück garantieren kann. Auch in einer extrem reichen Gesellschaft sind und werden viele Menschen unzufrieden, ja sogar tief unglücklich sein. Das kann aber durch keine Politik der Welt behoben werden, denn das liegt im Kern an der Unvollkommenheit der menschlichen Natur.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefan Lorenz

Schöner Artikel! Vor allem der Punkt mit dem Unterschied zwischen Gleichheit und Zufriedenheit hat mir gefallen. Habe selber über "Das Streben nach Glück" einen Artikel geschrieben und viel Schelte aus dem Umverteilungslager bezogen.

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