Arbeit im Wandel 2: Lohnsubventionen und ihre Grenzen

Fortsetzung des Buchexzerpts von Cahuc, Zylberberg: "The Natural Survival of Work", MIT Press, 2009.

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Arbeit muss sich wieder lohnen. Diese Forderung betrifft nicht nur die Leistungsträger dieser Gesellschaft, die mit der Abgabenbelastung ihrer Einkommen den Sozialstaat finanzieren, sondern auch beschäftigungslose Empfänger von Lohnersatzleistungen. Doch sind die Transferzahlungen für Arbeitslose in vielen Ländern, inklusive Deutschland, so gestrickt, dass sie kaum Anreize zur Aufnahme einer Arbeit bieten, die den Betroffenen einen Wiedereinstieg ins Berufsleben erlauben. Zu schnell schmelzen die Transferzahlungen ab, wenn ihre Empfänger eine Arbeit aufnehmen. Vor allem für Familien mit transferberechtigten Kindern lassen sich nur bei einer sehr hohen Wochenarbeitszeit spürbare Einkommensvorteile gegenüber dem staatlichen Transferbezug erreichen. Als Lösung schlagen die Autoren großzügige, jedoch zeitlich beschränkte Lohnzuzahlungen bei Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit vor. Derartige Kombilohnexperimente zeigten in kanadischen Modellversuchen durchaus Erfolge, doch sollten die Erwartungen in den Umfang der Beschäftigungseffekte nicht zu hoch gesteckt werden.

Auch andere Länder haben mit unterschiedlichen Formen von Lohnsubventionen experimentiert. Das amerikanische System des „earned income tax credit“ (EITC) oder die negative Einkommensteuer in Großbritannien in Form des „working families tax credit“ (WFTC) für Familien mit Kindern zielen darauf ab, Arbeitslose zur Aufnahme einer Beschäftigung zu bewegen, die sonst keine oder nur geringe Arbeitsanreize hätten. Zwar sind auch hier signifikant positive Beschäftigungseffekte zu verzeichnen, doch darf nicht verschwiegen werden, dass diese Lohnsubventionen in bestimmten Fällen auch den Anreiz zur Verringerung der Arbeitszeit durch die Empfänger geben.

Empirische Analysen für die USA belegen, dass der EITC zwischen 25.000 und 59.000 Jobs eingebracht hat. Vor allem ledige Mütter profitierten von den Lohnzuzahlungen in Großbritannien. Dort bewirkte der WFTC in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen bis zu 50-prozentigen Beschäftigungsanstieg des ärmsten Quartils lediger Mütter. Die Beschäftigungswirkungen der Hartz-IV-Reformen können hier schon deshalb nicht heran reichen, weil die finanziellen Anreize aufgrund der hohen Transferabzüge deutlich unter dem liegen, was bei Problemgruppen in den USA und Großbritannien bezuschusst wird. Eine intelligente Kombination von Lohnsubventionen und einer Senkung der Lohnnebenkosten kann wirksame Beschäftigungseffekte bringen, reicht aber allein nicht als Problemlösung aus.

Zur Vorsicht raten die Autoren bei der Finanzierung derartiger Programme. Forderungen nach einer stärkeren Besteuerung der einkommensstarken Haushalte laufen Gefahr die erhoffte Finanzierungswirkung zu verfehlen. Steuererhöhungen in den höchsten Einkommensgruppen bringen nur geringe zusätzliche Steuereinnahmen. Im Extremfall, dass zeigen Untersuchungen für die Reagan-Era, reagieren Personen mit einem Einkommen über 100.000 Dollar auf eine Erhöhung von Steuern auf ihre Einkünfte mit einer Reduzierung ihrer Steuerzahlungen. Sie reduzieren ihren Arbeitseinsatz oder verlegen den Wohnort und die beruflichen Aktivitäten ins Ausland. Der Spielraum für Steuererhöhungen ist daher gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Steuerwettbewerbs begrenzt.

Literatur

Pierre Cahuc, André Zylberberg: The Natural Survival of Work – Job Creation and Job Destruction in a Growing Economy, MIT Press, 2009.

Lesen Sie auch den ersten Teil: Arbeit im Wandel I: Arbeitsmarktdynamik und Mindestlohn

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Hallo,
das andere Ende des Problems sollte nicht vergessen werden. Die Unterschicht vermehrt sich hemmungslos. Diese Vermehrung könnte man durch Anreizsysteme stoppen. In der Landwirtschaft vererbt man an den Hofnachfolger die Subventionen, in der Unterschicht die "Stütze" in der Beamtenschaft die üppigen Pensionen, fast ohne eigene Einzahlungen etc.. Wann gehen die Dummen aus, die dies alles bezahlen sollen?
Grüße
Freigeist

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