Antichristlicher Rassismus?

Veröffentlicht:
von

Die abenteuerlichen Wortneuschöpfungen von Soziologen, Politologen und Philologen (Frauen dieser Fächer natürlich mit gemeint) wie z. B. "gendersensibel" machen es leider nötig, auf ihre Absurdität hinzuweisen. Harald Martenstein gehört zu den wenigen, die noch in einer großen Zeitung auf solche, leider auch gefährlichen, Verhunzungen der deutschen Sprache hinweisen. Man könnte meinen, das sei unnötig und die Absurdität wäre ohnehin leicht zu erkennen, aber der noch vorhandene Respekt vor der Wissenschaft und Forschung sowie die breite Übernahme dieser Begriffe durch Journalisten und Medien lassen viele, wahrscheinlich die meisten Menschen glauben, bei diesen Begriffen handle es sich in jedem Fall um logische und sinnvolle.

Seit einiger Zeit grassiert an den Universitäten, bei Stiftungen, antinazistischen Initiativen und auch bei Politikern der Begriff "antimuslimischer Rassismus". Was ist das? Unter no-nazi.net/dossiers/antimuslimischer-rassismus-2/, einer vom Bund und diversen Stiftungen geförderten Webseite der Amadeu Antonio Stiftung findet man folgende Erklärung:

"Als Antimuslimischen Rassismus bezeichnet man die Diskriminierung von Menschen, die aufgrund optischer Merkmale dem Islam zugeordnet werden – dabei spielt es häufig keine Rolle, ob die Betroffenen tatsächlich einer muslimischen Glaubensgemeinschaft angehören oder nicht. Bei der Betrachtung antimuslimischer Rassismen steht nämlich nicht die tatsächliche Religionszugehörigkeit der Betroffenen im Vordergrund, wie auch der "Rat muslimischer Studierender und Akademiker" erklärt. Vielmehr werden Menschen, die als “fremd” und “nicht-deutsch” wahrgenommen werden, pauschal zu Muslim*innen, um vom Reizwort "Rassismus"  abzulenken, und gleichzeitig menschenfeindliche Parolen als “Religionskritik” verkaufen zu können."

Zwar bestätigt jeder suchende Blick ins Internet leider, dass es rassistische Ausfälle zuhauf gegen Menschen gibt, die anders aussehen, andere Namen haben o. ä.. Völlig unbestreitbar ist auch die Feststellung, dass die Mehrzahl dieser Ausfälle auf Unkenntnis und Vorurteilen beruht. Aber es ist mehr als fragwürdig, bei einer Definition mit Unterstellungen zu arbeiten. Es würden Menschen, die keine seien, zu Muslimen erklärt - und jetzt kommt der Haken -, weil von Rassismus abgelenkt und Menschenfeindlichkeit als Religionskritik verkauft werden soll. Das sind zunächst Behauptungen, die erst bewiesen werden müssten, wodurch die Definition als solche in ihrer Brauchbarkeit entwertet ist. Ein weiterer Gedankenfehler liegt in der von den Diskriminierenden übernommenen Unschärfe: Muslime sind kein Volk und keine Rasse, auch wenn die "antimuslimischen Rassisten" dies manchmal behaupten mögen. Umgekehrt gibt es natürlich eine Großgruppe von Menschen, die vielleicht seit 200 Jahren sich als "deutsches Volk" ansieht und deren Angehörigen manche Menschen als "fremd" und "nicht-deutsch" erscheinen, auch wenn der globalisierte Kapitalismus darauf keine Rücksicht nimmt. Anderen Völkern geht es nicht anders mit ihren "Fremden". Es wäre viel ehrlicher, hier "Fremdheit" und "Nicht-Deutsch-Sein" als mögliche Wahrnehmungen im Umfeld von Migration ernst zu nehmen, die aber nicht zu einer Benachteiligung führen dürften. Am problematischsten ist natürlich, dass aufgrund der obigen Definition Verhaltensweisen und Überzeugungen von tatsächlichen Muslimen nicht mehr hinterfragt werden können, die sich auch optisch äußern können, wie z. B. die Burka, aber auch jene, die sich nicht optisch zeigen, doch mit dem Grundgesetz kollidieren, nicht mehr kritisiert werden können, ohne sich dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen. Das zeigt sich an Äußerungen von Historikern wie Yasemin Shooman ("...weil ihre Kultur so ist" - Narrative des antimuslimischen Rassismus, transcript 2014), die bereits Kritik am Kopftuch als rassistisch bezeichnet. Inwieweit sie dann auch z. B. Kemal Atatürk nicht nur wegen seines Verhaltens gegenüber Armeniern und anderen Minderheiten, sondern auch wegen seines Kopftuchverbots einen Rassisten nennt, ist mir nicht bekannt. Shooman erweitert den Begriff des "Rassismus" also noch mehr, indem sie eine "Rassifizierung religiöser Zugehörigkeit" beobachtet, die "auf dem Ineinandergreifen der Kategorien Kultur, Religion, Ethnizität, Geschlecht und Klasse" basiere. Damit ist natürlich die Definition derart bis zur Schwammigkeit gedehnt, dass auch Kritik an einer Klasse als "rassistisch" bezeichnet werden könnte.

Es ist hilfreich, bei solchen schiefen Begriffe eine Analogie zu denken: Was ist mit "antichristlichem Rassismus"? In Saudi-Arabien und anderen Staaten des Nahen Ostens  z. B. wird man aufgrund optischer Merkmale dem Christentum zugeordnet, was zu nicht unerheblichen Nachteilen führen kann. Auch in Nordkorea wird ein Kreuz an einer Halskette fatale Konsequenzen haben. John L. Allens Buch über den "Krieg gegen Christen", der weltweit tobt, ist so differenziert wie man nur sein kann und hütet sich, islamische Staaten als Einzeltäter zu identifizieren - Christen haben auch in Indien einen schweren Stand. Noch nie hat man in diesem Zusammenhang von "antichristlichem Rassismus" gehört, was neben der intellektuellen Laxheit auch die Provinzialität der geisteswissenschaftlichen Wortschöpfer zeigt, die nicht über den eigenen Zaun schauen können. Auch ohne eine so breite Mischung von "Kultur, Religion, Ethnizität, Geschlecht und Klasse" als Kategorien des Rassismus wäre ein "antichristlicher Rassismus" ohne weiteres begrifflich denkbar. Er wäre nicht weniger sinnvoll oder sinnlos als sein Pendant. Damit kann man aber in Deutschland keine antinazistischen Lorbeeren und auch kein Geld verdienen. Man hat den Eindruck, dass es den Begriffs-Fabrizierern nicht um eine korrekte und neutrale Analyse der Realität und empirisch belastbare Theorien geht. Es geht ihnen um eine bestimmte Realitätswahrnehmung und davon ausgehend um die Schaffung einer politischen Wirklichkeit in ihrem Sinne. Es handelt sich also mindestens um Politikmarketing. Der Verein "Neue Deutsche Medienmacher", der seit 2008 besteht, aber kürzlich durch seine Vorgaben zur journalistisch korrekten Sprache weiter bekannt wurde, hat ungewollt zur Kritik an solchem "Neusprech" beigetragen. Nach Ausweis seiner Webseite bestehen Vorstand und Netzwerk überwiegend aus Journalisten mit sog. "migrantischen Hintergrund". Vereine sind mir ohnehin suspekt, mehr noch solche, die eindeutig nur zum eigenen Nutzen gegründet wurden, so legitim das auch sein mag. Es hilft nichts: Der Pferdefuß der Einseitigkeit und ideologischen Zweckbestimmung scheint bei der genannten Begriffsbildung immer durch. Mit Wissenschaft hat das wenig zu tun. Mit Propaganda schon eher. Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang