Zu seinen bekanntesten Werken zählt der Vers:
Den Sozialismus in seinem Lauf
halten weder Ochs noch Esel auf.
Was will uns der Dichter damit sagen? Der fortschreitende Sozialismus ist nicht aufzuhalten. Vordergründig liegt darin die Aussage dieses populären Zweizeilers, und Honecker hat dazu tief in die poetische Trickkiste gegriffen und daraus zwei vertraute Sinnbilder hervorgeholt: „Ochs“ und „Esel“.
Doch es muss auch die Fragen gestattet sein, ob es eine gute Wahl war? Der „Ochs“ steht für unbändige Kraft. Eine gute Wahl. Dass der Sozialismus eine Bedrohung, die aus einem Kräftevergleich der Systeme hervorgeht, nicht fürchten muss, spricht für ihn.
Wie aber sieht es mit dem „Esel“ aus? Der steht gemeinhin für Dummheit. Hier liegt ein poetisches Eigentor vor; denn es spricht eher gegen die Abwehrkraft eines Systems, wenn es sich mit Lappalien aufhält und meint, extra betonen zu müssen, dass es einem so unbedeutenden Gegner wie dem Esel standhält? Was würde denn im umgekehrten Fall ein Esel bewirken können, wenn er aufgerufen wäre, den Kapitalismus in seinem Lauf aufzuhalten? Ebenfalls nichts.
Dass Honecker dennoch die Zweierpackung „Ochs und Esel“ gewählt hat, erlaubt gewisse Rückschlüsse auf sein eigenes Wertesystem und lässt eine unfreiwillige Aussage durchschimmern – so wie eine an die Hauswand gesprayte politische Parole, die nur flüchtig übertüncht wurde, sich nach kurzer Zeit wieder deutlich abzeichnet. Hier offenbart sich uns eine hintergründige Botschaft, die auch vom weiteren Verlauf der Geschichte bestätigt wurde: In Wirklichkeit ist es die Wirkungsmacht der Sinnbilder vom Christkind und der Krippe in Gesellschaft von Ochs und Esel, die sich durch nichts aufhalten lässt, schon gar nicht von einem Lyriker mit sozialistischem Menschenbild.
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