Amerikas Spione: Ja, dürfen sie denn das?

Es ist geradezu rührend, wie die gesamte österreichische und europäische Politik jetzt auf empört und erstaunt tut, weil ein Spion in breiter Form preisgibt, wie sehr die Amerikaner hemmungslos spionieren.

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Dabei haben Europas Politiker wie seine Medien immer wieder begierig von dem profitiert, was da – etwa – die Amerikaner herausspioniert haben. Sie haben nie lange nach den Quellen gefragt. Alle waren froh, wenn durch die Geheimdienste nachgewiesenermaßen Anschläge verhindert werden konnten. Die jetzt so empörten sind aber auch oft dieselben Politiker, die schon immer gesagt haben: „Am Telefon kann ich ihnen nichts sagen“. Die Vorsichtigen unter ihnen wollten auch nicht via Mail Vertrauliches mitteilen, sondern nur persönlich oder eventuell mit anonymer Post.

Also haben sie ganz genau gewusst, dass die technischen Kommunikationsmöglichkeiten nicht sicher sind. Nie sicher waren. Die völlig überdimensionerten Antennenanlagen auf manchen Botschaften haben immer schon klar gemacht, dass dort „Diplomaten“ interessantere Quellen auswerten als nur die lokalen Tageszeitungen.

Aber jetzt überbietet sich halt alle Welt gegenseitig an Aufregung. Und natürlich ist es auch allgemein bekannt, dass es nicht nur die Amerikaner sind, die Verbündete wie Gegner ausspähen. Selbstverständlich tun das ebenso Russen, Chinesen, Franzosen und viele andere. Nur hat sich dort noch nie ein Whistleblower getraut, ganz offen mit der Wahrheit hinauszugehen. Das wäre nämlich sehr ungesund nicht nur für ihn, sondern auch seine ganze Familie gewesen. Im zweitgenannten Punkt sind die Amerikaner immer noch deutlich humaner. Relativ.

Um nicht missverstanden zu werden: Auch ich ärgere mich sehr, dass solches passiert ist, dass solches möglich ist. Ich empfehle nur, nicht so naiv zu sein, es zum Wortlaut zu nehmen, wenn jetzt alle empört sind oder wenn andere demnächst vielleicht sogar versprechen: „Nie wieder!“ Natürlich wird auch künftig all das wieder getan werden, was technisch möglich ist.

Die wirklichen Verbrecher sind nicht die Abhör-Techniker, sondern jene Gesetzgeber, die in Europa und Österreich in den letzten Jahren immer mehr Meinungsdelikte strafbar gemacht haben und die der Steuerfahndung immer mehr Macht gegeben haben. Denn nur diese Gesetze haben die elektronische Spionage überhaupt so gefährlich und beklemmend für jeden einzelnen gemacht. Wenn dadurch hingegen nur Bombenleger etwas zu fürchten gehabt hätten, würde es mich ehrlich gesagt nicht sonderlich stören.

Die Affäre ist aber ein Anlass, sich wieder das wirklich Wichtige klarzumachen: Alle Kraft für den Kampf um die Meinungsfreiheit, also für den Kern des liberalen Rechtsstaats. Mit der Existenz von Spionage und Spionen müssen wir uns hingegen schon ein paar Jahrtausende abfinden.

Ansonsten können wir ein Stück weltpolitischen Ringens erste Reihe fußfrei verfolgen: Welches Land nimmt den vorerst im Moskauer Transitraum sitzenden Ex-Spion auf? Oder landet er am Ende gar hinter amerikanischen Gefängnistoren? Der Ausgang des Ringens wird die reale Macht der Amerikaner viel deutlicher zeigen als Hunderte Politikerreden.

Immerhin kann man jetzt schon mit Staunen beobachten, dass die Kartoffel bisher sowohl Chinesen wie Kubanern wie Ekuadorianern viel zu heiß gewesen ist. Dabei sind diese Länder immer die ersten, wenn es darum geht, die USA zu kritisieren. Gar nicht so unähnlich ist auch die Lage der EU. Diese schimpft auf Amerika – nimmt aber den von Washington gejagten Mann ebensowenig auf. Ganz offensichtlich weil man den Verrat – doppelt – liebt, den Verräter aber nicht. Doppelt, weil es ja um doppelte Ausspähung geht: Zuerst um die Aktionen der Terroristen; und jetzt um jene des US-Geheimdienstes.

Und auch das russische Asylangebot ist noch recht unklar. Es wurde anscheinend auch gleich wieder weitestgehend zurückgezogen. Denn Sowden die Aufnahme anzubieten, ihm aber gleichzeitig nur schwer erfüllbare Bedingungen zu stellen, ist sehr widersprüchlich. Man spürt: Auch Präsident Putin zögert vorerst noch. Auch der Russe, der zuletzt den Amerikanern viel zufleiß getan hat (siehe etwa seine Syrien-Politik), laviert, wenn es wirklich hart auf hart geht. Denn ganz offensichtlich machen die Amerikaner auch den Russen mit einer Brutaliät sondergleichen klar, dass sie Snowden haben wollen. Und vor der direkten Konfrontation mit einer Macht, die sich noch immer - und nicht ganz ohne Grund - für die stärkste der Welt hält, schreckt auch Russland zurück.

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at 

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