Alles nur Spiel

Stellen Sie sich ein Elternpaar vor, das gerne pokert. In fröhlicher Runde sitzt man mit Freunden zusammen und erhöht ständig die Einsätze. Plötzlich kommt das Paar auf die Idee, den Besitz ihres bestens ausstaffierten Sprößlings als Einsatz anzubieten. Man riskiere nichts, wahrscheinlich werde man mehr gewinnen als verlieren. Wir wissen, daß solcherlei Gewinnerwartungen immer illusionär sind. Wie erwartet folgt rasch Ernüchterung.

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Nun fragen sich die beiden bang: Wie sagen wir’s unserem Kinde? Die Antwort ist rasch gefunden: gar nicht. Man wird nach und nach Tatsachen schaffen. Alles weitere ergibt sich. Der Gewinner erklärt sich zu einem Moratorium bereit. In den folgenden Tagen und transportieren die Eltern während der vormittäglichen Abwesenheit des Nachwuchses ein Stück nach dem anderen aus dem Zimmer ab. Anfangs merkt das Kind nichts, wundert sich allenfalls über das Fehlen des einen oder anderen Gegenstandes. Aber man ist ja von Überfluß umgeben, da kann schon einmal etwas entbehrt werden. Als dann eines Tages aber Schreibtisch und Bett verschwunden sind, muß eine Erklärung her. Ein dreister Einbruchsdiebstahl! Der Sprößling ist empört – natürlich nicht über die Eltern! Die trösten und helfen, wie gut sie eben können. 

Der Finanzmarkt
Auf dem Finanzmarkt werden keine Möbel verhökert, sondern Geldgeschäfte abgewickelt. Man könnte sagen, die Finanzwirtschaft ist eine Simulation der realen Wirtschaft. Die Ausweitung des Finanzmarktes zu einer überdimensionierten Blasenwirtschaft war die unvermeidliche Folge des aus dem Nichts produzierten Scheingeldes. Fiat money erschuf den Markt, auf dem heute mit Milliarden und Billionen jongliert wird.

Transaktionen auf dem Finanzmarkt erscheinen ursprünglich bloß auf Papier. Gleich dem Kinderspiel mit Murmeln und Perlmuttknöpfen könnte das Spiel mit Zahlen auf Bildschirm und Papier als netter Zeitvertreib gelten, wäre da nicht der Umstand, daß die verwendeten Rechnungseinheiten der real existierenden Güterwirtschaft zugerechnet werden. Der Einsatz erscheint in seiner Körperlosigkeit noch harmlos; der Gewinn transformiert sich in einen körperlich einlösbaren Besitzanspruch auf Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft fremder Menschen. Mit anderen Worten: Die Spieler im nationalen und internationalen Geldgeschäft benützen als Einsatz wertlose, selbstgebastelte Plastikjetons, bei jedem Gewinn am Roulettetisch aber streichen sie Verfügungsrechte über real vorhandenes Eigentum fremder Menschen ein. Diese „Rechte“ werden mit Hilfe der staatlichen Organe praktisch durchgesetzt. Auf diese Weise verlieren die rechtmäßigen Besitzer ohne eigenes Dazutun die Verfügungsrechte über ihre rechtschaffen erworbene Güter.

Wenn Papier zum Leben erwacht
Die Spieler an den Roulettetischen der Finanzmärkte spielen also mit Plastikgeld um reale Besitztümer, auf die sie keinerlei Anspruch erheben könnten, kämen hierbei sittliche oder juristische Maßstäbe zur Anwendung, wie sie für den Normalbürger Geltung besitzen. Ginge es dabei bloß um materielle Dinge! Leider wird auch Arbeitszeit, Zukunftssicherung und Lebensglück von Menschen verpfändet.

Was harmlos beginnt, wird zum realen Drama. Aus den abstrakten Ziffern, Zahlen und Mengen werden Befehle. Der Befehl lautet: Gib mir dein Winkelwankel. Das Winkelwankel kann alles sein. Von der Schraube über das Flugzeug bis zur Ölquelle. Und wenn das Winkelwankel auf dem Finanzmarkt als Einsatz angeboten wird, dann muß der bisherige Besitzer das Winkelwankel hergeben. Jeder papierene Vertrag, der auf dem Finanzmarkt geschlossen wird, ist mit dem Virus der verzögerten Enteignung kontaminiert. Der Handel mit Papier und Zahlen ist des Teufels, sobald Papier und Zahlen virtuell und beliebig vermehrbar sind, die durch ebendieses Papier repräsentierten Güter jedoch nicht. Wenn ein Kuchen gebacken worden ist, kann auch nur dieser eine Kuchen verzehrt werden. Es entstehen nicht wie durch ein Wunder drei Kuchen, wenn dreimal mehr Kuchenteller auf den Tisch gestellt werden.

Verwirrung durch Zahlen
Auf dem Finanzmarkt wird die Verschiebung der Verfügungsrechte über die materiellen und immateriellen Einrichtungsgegenstände der Welt vorbereitet. Während dies geschieht, füttert man die potentiellen Opfer dieses Spiels mit Nachrichten aus der Welt der Finanzen. Täglich wirft man ihnen eine Vielzahl unergründlicher und verwirrender Zahlen vor die Füße. Während die Opfer damit beschäftigt sind, das Unverständliche verstehen zu wollen, werden bereits die ersten Möbelstücke aus den Zimmern geräumt. Die Bestohlenen merken anfangs das Fehlen kleinerer Gegenstände nicht. Sie spüren zwar, daß auch der Vorratsbeutel auf geheimnisvolle Weise an Substanz verliert, wissen aber nicht, auf welche Weise dies vor sich geht. Sie arbeiten mit doppelter Anstrengung, um den Verlust wieder auszugleichen. Das gelingt immer nur unvollständig, weshalb irgendwann die Kräfte nachlassen. Auf den Finanzmärkten wird Lebenszeit verbrannt.

Abschließend sei noch gesagt, daß ich mir durchaus auch redliche Finanzmärkte vorstellen kann. Vielleicht gibt es sie tatsächlich. Doch ein redlicher Finanzmarkt braucht redliches Geld. Redliches Geld ist das Gegenteil des ungedeckten Falschgeldes, das den Menschen durch das Gewaltmonopol der Staaten aufgezwungen wird. Nur mit unredlichem Geld entwickeln sich menschengemachte Katastrophen aller Art – gerade auch solche wie die, die seit mehr als einer Woche die Welt in Atem hält.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Kolbe

Tja, nur mit Fiatmoney ist es möglich, die Masse der Menschen, vor allem die Fleißigen und Sparsamen, regelrecht abzuzocken. Unser heutiges Geld, das auf Schulden (Schuldgeldsystem) basiert, ist bedrucktes Papier, das, vermittels Staatsmacht, allen Untertanen (sprich Bürgern) anzuerkennen aufgezwungen ist. Wie soll sich der französische Staatspräsident De Gaulle im letzten Jahrhundert, als die Amerikaner noch aus der letzten Teil-Golddeckung ihres Dollar ausstiegen, um Kriege überhaupt finanzieren zu können, und er die französischen Goldvorräte (in Amerika lagernd) mit einem Kriegsschiff abholen ließ, geäußert haben: Das ist ein Freibrief zum Gelddrucken. In der Tat war es das und ist es auch heute noch. Fiatmoney bedeutet nichts anderes, als daß die „Ware“ Geld beliebig vermehrt werden kann, womit dem Schuldenmachen Tür und Tor geöffnet ist. Mit einer goldgedeckten Währung wäre dieses schlicht nicht möglich. Jede Vermehrung von Geld bedeutet aber zwingendermaßen gleichzeitig auch immer eine Entwertung desselben. Dem wird auch fleißig nachgekommen, wie man an der Menge des neuerzeugten Geldes verfolgen kann. Das ist schon so weit gediehen, daß die FED nicht erst seit gestern die Geldausweitung gar nicht erst mehr öffentlich deklariert.
Von diesem hemmungslosen Erzeugen neuen „Geldes“ profitiert immer nur der, der als erster im Besitz desselben ist … Im Grunde genommen ist es wie bei einem Schneeballsystem – Maddoff ist ein vernachlässigbarer Faktor dagegen. In diesem Zusammenhang darf aber nicht vergessen werden, daß dieses „Wirtschaften“ (jede [nicht nur schwäbische] Hausfrau würde sich im Grabe herumdrehen) nur ein Ziel haben kann, das auch kommen wird: die Enteignung der Bürger. Vorstellbar ist dieses auf zweierlei Art: zum einen über eine Währungsreform, zum anderen über eine langfristige Inflationierung, was ebenso einer Enteignung gleichkommt. Jede Inflationierung ist auch gleichzeitig eine indirekte Besteuerung der Bürger.

Gravatar: Freigeist

Bei diesem Artikel meine ich, ich wäre bei einem Vortrag von attac.

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