Alice Schwarzer vs. Automatisierung

Wenn in Deutschland über Feminismus gesprochen wird, fällt praktisch zwangsläufig der Name Alice Schwarzer. Auch Menschen, die Frau Schwarzer kritisieren, scheinen sich sehr oft verpflichtet

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zu fühlen, auf Verdienste der Emma-Herausgeberin – seien sie nun echt oder vermeintlich – hinzuweisen. „Wenn Frauen in Deutschland heute mehr Rechte haben als ihre Mütter, so verdanken sie das nicht zuletzt Alice Schwarzer“ schrieb zum Beispiel Claudia Vogt 2009 im „Spiegel“.

Nun könnte man durchaus die Annahme in Frage stellen, dass in europäischen Ländern noch bis vor wenigen Jahrzehnten durch und durch patriarchalische Strukturen geherrscht hätten, in denen Männer über Frauen in jeder Hinsicht bestimmten. Denn diese Annahme ignoriert unter anderem den Umstand, dass im europäischen Kulturkreis dem Leben einer Frau seit langem ein höherer Stellenwert beigemessen wird als dem eines Mannes. Das war der Grund für die Befreiung der Frauen vom Kriegsdienst, für die Regel „Frauen und Kinder zuerst“ und dafür, dass bei dem gleichen Vergehen für Frauen oft mildere Strafen vorgesehen waren als für Männer. Tatsächlich ist ja biologisch gesehen, dass Leben einer Frau für den Bestand einer Art oder einer Gruppe wesentlicher als das eines Mannes.

Trotzdem gab es einige Bereiche, die in der Tat sehr lange von Männern dominiert wurden, vor allem in der Arbeitswelt. Dies hat sich unbestreitbar drastisch verändert und diese Veränderungen werden Alice Schwarzer und ihren Mitstreiterinnen zugeschrieben. Möglicherweise wird dabei der Einfluss solcher politischer Aktivistinnen maßlos überschätzt, während der von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Erfindern, die oft gar nicht namentlich bekannt sind, unterschätzt wird. Sind die Erfolge des Feminismus auch ohne Automatisierung und Anti-Baby-Pille denkbar? Was ist mit anderen Ländern, in denen kein Mensch Alice Schwarzer kennt, in denen die gesellschaftliche Entwicklung aber ähnlich verlaufen ist?

Andererseits stellt sich die Frage, ob nicht auch für Innovationen ein bestimmtes gesellschaftliches Klima Voraussetzung ist. Aus Nordkorea werden, wenn überhaupt, höchstens militärische Entwicklungen kommen, die mit aller Macht forciert werden, aber bestimmt keine neuen Medikamente. Denn für eine volle Entfaltung des kreativen Potenzials ist individuelle Freiheit in Kombination mit guter Zusammenarbeit wichtig. Auch deshalb scheint das von Gruppen wie Agens propagierte Miteinander der Geschlechter weitaus vielversprechender als ein Geschlechterkampf.

ebenfalls erschienen auf "kingofblog.de"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: HeideMarie R. Ehrke

Ergänzung zu meinem Kommentar vom
16.04.2011 12:32

Hier die fehlenden Schlussgedanken: 

Die „Personalabbauverordnung“ erlaubte die Entlassung verheirateter Beamtinnen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Stellen für Männer zu sichern.

Unverheiratete Lehrerinnen mussten eine „Ledigensteuer“ – einen zehnprozentigen Lohnsteueraufschlag bezahlen. Da sie auch weniger verdienten als gleichrangige männliche Lehrer, konnte eine Heirat schon aus finanziellen Gründen eventuell als erstrebenswert erscheinen. Die Personalabbauverordnung galt bis 1951 …; erst dann konnten Lehrerinnen eine Familie gründen und weiterhin beruflich tätig sein. Im Dienstrecht des Landes Baden-Württemberg bestand bis 1956 die Regelung, dass eine Lehrerin den Dienst zu quittieren hatte, wenn sie heiratete. (Wikipedia)

Wer kann sich da als Mann einfühlen, was das in der Realität tatsächlich für eine FRAU bedeutet hat?

Diese Kunst des Einfühlens, des Mitfühlens und der Solidarität sind mehr denn je gefordert – von Mann und Frau!

Gravatar: Crono

So ist es. Sic!!

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