Advent

Die diesjährige Adveniat-Aktion der katholischen Kirche stellt unter dem Motto „Den Armen eine gute Nachricht!“ das ärmste Land Amerikas in den Mittelpunkt: Haiti.

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Am ersten Adventssonntag beginnt ein neues Kirchenjahr. Es beginnt zugleich die Vorbereitung auf Weihnachten, auf das Fest, das Christen an die Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth erinnert. Mit dem göttlichen Christus kam etwas in die Welt, das zuvor durch die Sünde verdunkelt war: die Liebe. Der Akt der Liebe Gottes zum Menschen ermöglicht die Liebe des Menschen zu Gott und zum Mitmenschen. Die Adventszeit dient der betrachtenden Vorbereitung auf diesen Neuanfang Gottes mit dem Menschen, der dem Neuanfang des Menschen mit Gott vorausgeht.

Vor 61 Jahren wurde im Advent auch ein Neuanfang gewagt: Nie wieder sollten Hass und Intoleranz die Menschen gegeneinander aufbringen und in Gewalt und Krieg führen. Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Resolution 217 A (III) die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR).

437 Jahre zuvor wurden in einer Adventspredigt des Dominikaners Antonio Montesino auf der Insel Española mit Blick auf die dort lebenden Indios zentrale Inhalte der wichtigsten, vorderen Artikel der AEMR angesprochen (universale Menschenwürde, Recht auf Leben, Verbot der Sklaverei, Verbot der Folter, Verbot unmenschlicher Behandlung). Vor fast 500 Jahren, am vierten Adventssonntag des Jahres 1511, gab es damit so etwas wie eine echte „Menschenrechtspredigt“. Wie kam es dazu?

Nach der Entdeckung der Neuen Welt (1492) kamen 1510 die ersten Dominikanerpatres auf die Insel Española. Heute ist Española geteilt: Im Westen liegt das französischsprachige Haiti und im Osten die spanischsprachige Dominikanische Republik. Sie erkannten, dass die von den Conquistadores herbeigeführten Zustände in den Kolonien jeglicher Menschlichkeit entbehrten. Damals hatte die Spanier im Wesentlichen den Karibikraum besiedelt, die Eroberung der kontinentalen Großreiche stand noch bevor (1519 eroberte Hernán Cortés das Aztekenreich, 1532 Francisco Pizarro das Inkareich).

Im Zentrum der kritischen Missionare der ersten Generation stand Antonio Montesino. Montesino war von 1510 bis 1522 als Missionar in Española, bis zu seinem Tod (1540) noch in Puerto Rico und Venezuela. Mit seiner eindrucksvollen Adventspredigt warf er die Frage der Rechtfertigung des brutalen Kolonialregimes auf, eine Frage, deren Widerhall die bis dato vorherrschende Selbstverständlichkeit der Conquistadores für immer zerstörte. Während der zwei Jahrzehnte davor hatte sich niemand genötigt gesehen, irgendeine Rechenschaft über sein Verhalten abzugeben. Die Tatsache der Entdeckung selbst rechtfertigte die Besatzung und Exploration der entdeckten Gebiete. Das änderte sich durch die starken Worte Montesinos, denn diese beeindruckten niemand anders als den jungen Bartolomé de Las Casas, den „Apostel der Indios“.

In seiner Predigt zum Johannes-Evangelium („Ich bin die Stimme, die aus der Wüste ruft.“; Joh 1, 23) forderte Montesino ein Verbot der Indianersklaverei und die Aufhebung des Encomienda-Systems. Deutlich prangert er ihre rücksichtslose Habgier an und stellt eine Frage, die erst mit der Bulle Sublimis Deus (1537) zugunsten der Indios beantwortet wird: „Sind sie keine Menschen?“ In gewisser Weise nimmt er damit Las Casas’ indiophiles Befreiungsprogramm vorweg.

Heute kümmert sich die bischöfliche Aktion Adveniat um die Menschen in Lateinamerika. Das deutsche katholische Hilfswerk ruft insbesondere in der Adventszeit zu Spenden auf. In jeder Adventszeit gibt es dazu eine besondere Adveniat-Aktion, d. h. eine Reihe von Veranstaltungen, die in Zusammenarbeit mit zahlreichen Bistümern Deutschlands organisiert wird, um auf die Nöte in Lateinamerika und die Arbeit von Adveniat hinzuweisen. Und selbstverständlich auch, um dafür Spenden einzuwerben. In dieser Adventszeit geht es um den weitaus ärmeren Teil der Insel Española, um Haiti (der andere Teil, die Dominikanische Republik, hat immerhin beträchtliche Einnahmen aus dem Tourismus zu verzeichnen). Der kleine Karibikstaat Haiti ist das ärmste Land Amerikas. Knapp 80 Prozent der rund 8,9 Millionen Einwohner Haitis müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Durch Wirbelstürme und Starkregenfälle sind 90% der Ackerfläche Haitis von Erosion betroffen. Dadurch entstand in den letzten Jahren ein Verlust von Millionen Tonnen fruchtbarer Erde. Die Aktion „Misereor“ hatte in diesem Jahr bereits auf die ökologisch-ökonomische Dramatik Haitis hingewiesen (vgl. „Gottes Schöpfung bewahren. Misereor-Fastenaktion im Zeichen des Klimawandels“).

„Den Armen eine gute Nachricht!“ ist das Motto der diesjährigen Adveniat-Aktion. Grundlage dafür ist das biblische Leitwort: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4, 18). Eine gute Nachricht kommt aus dem Land selbst: Die Kirche in Haiti resigniert nicht vor der Not und Armut, sondern glaubt an die Kraft und den Lebensmut der haitianischen Bevölkerung. Tiefe Religiosität, aber auch entschiedenes soziales Engagement kennzeichnen Ordensleute, Priester und Laien. Diese eigenen Kräfte zu stärken, hat sich Adveniat in diesem Jahr vorgenommen. Damit dies wirkungsvoll geschehen kann, braucht das Hilfswerk unsere monetäre Unterstützung. Also: Eine Krawatte weniger, eine Spende mehr. Das wäre doch eine weitere gute Nachricht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

@Josef Bordat
Hallo,
stellen Sie sich mal auf eine freie Fläche vor der Stadt und erfassen sie visuell nur einen einzigen Quadratkilometer. Dann stellen Sie sich darin 300 Einwohner vor. Es könnte sein, dass daraus ein Aha-Erlebnis wird.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Josef Bordat

Ich sollte vielleicht nicht vergessen haben, dass auch die evangelische Kirche in der Adventszeit vermehrt Spenden für ihre Hilfsorganisation (Brot für die Welt) sammelt.

Gravatar: Josef Bordat

Wieso ist Haiti „hoffnungslos überbevölkert“? Dort leben 300 Einwohner pro km², in Israel 340 Einwohner pro km², in Indien 350 Einwohner pro km², in den Niederlanden 400 Einwohner pro km², in meiner Wahlheimat Berlin sind es 3800 Einwohner pro km². Wo liegt die Grenze und wer legt diese fest? Es geht wohl vielmehr um ein starkes Bevölkerungswachstum („Bevölkerungsexplosion“). Abgesehen davon, dass sich Haiti in Amerika diesbezüglich eher im Mittelfeld bewegt (ca. 2% p.a.), lässt sich sagen, dass ein starkes Bevölkerungswachstum eine Folge von Armut ist. In den Schwellenländern Lateinamerikas, also etwa in den A, B, C-Staaten, liegt das Bevölkerungswachstum entsprechend niedriger (bei ca. 1% p.a.). Man wirkt dem Wachstum der Bevölkerung also am besten durch Armutsbekämpfung entgegen. Armutsbekämpfung – das ist es, was „Misereor“ und „Adveniat“ in effizienter und transparenter Weise seit Jahrzehnten tun. Um sie dabei zu unterstützen, kann der christliche Glaube durchaus ein Motiv sein, er ist aber keine Bedingung.

Gravatar: Freigeist

Hallo
Haiti ist hoffnungslos überbevölkert. Welche Lösung hat die kath. Kirche außer Frömmigkeit anzubieten?
Grüße
Freigeist

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