43 und kein Ende?

Mit tiefer Betroffenheit haben wir heute weitere gefallene deutsche Soldaten in Afghanistan zu beklagen. Nachdem am Karfreitag drei deutsche Soldaten bei Kunduz in einem Hinterhalt der Taliban getötet wurden fielen heute vier Bundeswehrsoldaten einem weiteren Angriff bei Baghlan (südlich von Kunduz) zum Opfer.

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Die Anzahl der in Afhanistan getöteten deutschen Soldaten beträgt nun 43.  Vergleicht man diese Zahl zum Beispiel mit den Opferzahlen der USA in Afghanistan, erscheint diese recht gering. Dennoch ist für mich jeder in Afghanistan gefallene Soldat ein Soldat zuviel.

Noch immer ist für mich die Sinnfrage des Einsatzes in Afghanistan nicht abschließend geklärt. Die immer wieder vorgeschobene “uneingeschränkte Solidarität mit den USA” als Antwort auf den 11. September 2001 ist nicht überzeugend. Längst hat sich die (westliche) internationale Gemeinschaft davon verabschiedet, demokratische Strukturen in Afghanisan aufzubauen. Längst hat man erkannt, dass sich einem solchen Land nicht einfach Staatsstrukturen und Gesellschaftsmodelle nach westlichem Vorbild überstülpen lassen. Dabei hat man sich auch gleich vom “Kampf” für die Rechte und die Stellung der Frauen in der afghanischen Gesellschaft distanziert. Was bleibt also? “Der Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan ist wichtig für unsere Sicherheit daheim” ist die stereotype Antwort. Soll die NATO jetzt, der gleichen Logik folgend, nun auch im Jemen oder Somalia intervenieren? Mittlerweile gibt es dort mehr Ausbildungscamps der Al Quaida als es in Afghanistan gegeben hat.

Nein, die bisherige politische Begründung für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan überzeugt mich nicht! Ja, ein kopfloser Abzug kann auch keine befriedigende Antwort auf diese verfahrene Situation sein: Rücksichtslose Taliban-Mörder sickern in immer mehr Dörfer ein, töten die zur Kooperation mit den NATO-Truppen Bereiten, missbrauchen die Bewohner als menschliche Schutzschilde und töten aus dem Hinterhalt Bundeswehr-Soldaten, die verzweifelt ein Mindestmaß an Ordnung aufrecht zu erhalten versuchen. Präsident Karzai spricht mittlerweile von “Eindringlingen” – und meint die NATO.

Die deutsche Bevölkerung wurde langsam mit rhetorischen und juristischen Spitzfindigkeiten an die Wirklichkeit des Einsatzes in Afghanistan gewöhnt. Aus einer “humanitären Mission” wurde eine “Stabilisierunsoperation”, dann kam es zu “kriegsähnlichen Zuständen” und nun “Krieg”. Nur leider folgte der politischen Bewertung der Situation nicht der entsprechende politische Wille, den Soldaten die Ausrüstung und Mittel an die Hand zu geben, um in den Szenarien zu bestehen. Die aktuelle Diskussion über den Einsatz der Leoprad-Kampfpanzer spricht hier Bände. Das Gelände sei für den Leoprad in Afghanistan nicht geeignet, ließ Verteidigungsmister zu Guttenberg verlauten. Ich frage mich, was die Kanadier falsch machen, denen Deutschland Leoprad-Panzer zur Verfügung gestellt hat, um sie in Afghanistan einzusetzen. Auch wenn das Gelände in Südafghanistan sich von dem im Norden unterscheidet, halte ich den Vorschlag des designierten Wehrbeauftragten Königshaus für durchaus überlegenswert. Die Frage nach einem entfalteten Einsatz eines Panzerbataillons in einem Gelände wie in der Region Helmad würde sich hier eh nicht stellen.

Also muss die Politik sich dazu durchringen, nicht nur vom ‘Krieg’ zu sprechen, sondern den Soldaten auch die Ausrüstung dafür zu geben, diesen Kampf bestehen zu können.

Doch selbst, wenn der Bundeswehr die geforderte Ausrüstung für den Einsatz zur Verfügung gestellt werden würde, bleibt die Tatsache, dass die verantwortlichen militärischen Führer diese wahrscheinlich nicht einsetzen würden / dürften. Der Hinterhalt auf die deutschen Soldaten am Karfreitag zeigt dies deutlich: Die US Air Force war während des Gefechts im Luftraum über Kunduz. Sie praktizierte “show of force”. Mehr war nicht drin. Da die deutschen Truppen aus Häusern angegriffen wurden, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich darin auch Zivilisten befinden. Obwohl es sich bei diesem Vorfall tatsächlich um “troops in contact” handelte, wurde die Air Force nicht zum Einsatz gebracht. Kein Wunder! Nach den Ereignissen von 4. September 2009 und den daraus resultierenden Erfahrungen des Oberst Klein ist die Anzahl derjenigen militärischen Führer der Bundeswehr durchaus überschaubar, die einen solchen Einsatz anfordern / befehlen würden.

Der Gegner wird durch dieses unentschlossene (politische) Verhalten ermutigt. Die “Sommeroffensive” der Taliban liegt noch vor uns. Wir zählen nun 43 gefallene deutsche Soldaten in Afghanistan. Wieviele werden es noch werden?

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Charly W.

Jeder muss erkennen, es gibt hier nichts zu gewinnen. Durchhalteparolen vergrössern nur das Leid auf beiden Seiten.
Einzige Konsequenz: Sofortiger Abzug!

Gravatar: Nicole

Danke Jewa, sie haben die richtigen Worte getroffen!

Gravatar: Otto

@ Jewa

Volle Zustimmung.

Sich als "zuverlässiger NATO-Partner" erweisen zu wollen kann NIE ein hinreichender Grund für einen Waffengang sein. Ein Waffengang rechtfertigt sich einzig und allein zur Verteidigung des Vaterlandes (wenn diese nicht von vornherein aussichtslos ist).

Gravatar: Jewa

Im Dez.1942 geboren, habe ich meinen Vater nie kennengelernt, er ist im April 45 während des Rückzuges gefallen.Ich kann nur sagen:raus aus Afghanistan!Ich bezeichne Politiker, die einen Krieg anzetteln od. unter-stützen,als Kriminelle.Sie gehören wegen Beihilfe und Anstiftung zum Mord angeklagt.

Gravatar: Freigeist

Wenn weiterhin mit so viel Zaghaftigkeit gearbeitet werden wird, in Afghanistan, wie bisher, werden es wohl wöchentlich 4 tote deutsche Soldaten werden - plus jede Menge Verletzte.

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